Читать книгу Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski - Страница 15
2.2.2.3. Zur Spiritualität der Mimbres
ОглавлениеAlle diese Gedanken und Aussagen sind - gestützt auf wenige bereits oben genannte Indizien und ethnographische Erfahrungen - rein hypothetisch.
In der ursprünglichen JägerInnen- und SammlerInnengruppe war die Spiritualität und ihre Kraft zur Regulierung des Existenzstress´ zwischen den weiblichen und den männlichen Kräften ausgeglichen. Mit dem Beginn des Bodenbaus gewann das Fruchtbarkeitspotenzial der bearbeiteten bzw. der zur Bearbeitung (von den Weibern, von den erfahrensten PflanzensammlerInnen) ausgesuchten Bodenflächen sowie die Wasser spendenden Quellen eine steigende Bedeutung. Diese natürliche Fruchtbarkeitspotenz wurde mit der weiblichen Fruchtbarkeitspotenz verbunden, was gegebenerweise zu einer gesteigerten Bedeutung der weiblichen Spiritualität und spirituellen Kraft führte, deren rituelle Aktivitäten mit der dunklen Erdmutterhöhle – dem Grubenhaus-Zeremonialraum – verbunden waren. Die archäologisch belegbaren weiborientierten „Spiritual“-Erscheinungen wie die Feuerstelle/Herd (Die weniger mobilen Gemeinschaftsmitglieder, ein WEIB oder ein ALTER Mensch waren die Hüter des Feuers) und später die Erdmuttervagina (= Sipapu) traten im Zeremonialbau/in der Kiva auf und waren sicher nur ein äußerst kleiner Beleg aus den darstellenden und bildenden spirituellen Erscheinungen des Gruppenlebens.
Die archäologischen Indizien weiblicher Spiritualität dürfen keinesfalls dazu führen, die männliche Seite der Spiritualität – für die es anscheinend keinen so eindeutigen archäologischen Beleg gibt – außer Acht zu lassen. Das weibliche Fruchtbarkeitspotenzial konnte sich nur entfalten, wenn die äußeren Bedingungen für die Hervorbringung der Frucht gegeben waren – z. B. Wasser und Wärme. Für die äußeren, wechselhaften („sehr mobilen“) Bedingungen waren spirituell die Männer als die höher mobilen und den äußeren, verteidigenden Ring der Gemeinschaft bildenden Personen „zuständig“. Diese männliche Spiritualität richtete ihre rituelle Aufmerksamkeit auf die Sonne und ihren Lauf, die Wolken, Blitze, Regenbringer, Regen „erzwingende“ Berge u.a.m., was für die Zeitpunkte der Aussaat und Ernte wichtig war. Die Mondbeobachtung war dagegen mit Sicherheit eine fast natürliche weibliche Aufgabe, aber zur Festlegung kalendarischer Ereignisse wesentlich komplizierter/ungeeigneter als die vier Zeitmarken des Sonnenlaufes – der Sommer- und Wintersonnenwende und der Frühjahrs- und Herbst-Tag-und-Nacht-Gleiche, deren Bestimmung gemäß obigen Ausführungen auf der männlichen Seite lagen. Der weibliche und der männliche Teil der Spiritualität und ihre rituellen Äußerungen waren zwei gleichberechtigte Teile im Leben der Gruppe, die sich aber durchaus zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Jahres- und Lebenslaufes äußern konnten – ohne daraus irgendwelche Dominanzen abzuleiten.
Die Spiritualität findet in der Ritualität ihren darstellenden und/oder bildenden Ausdruck. (Diese Ausdrücke werden in hierarchischen, machtorientierten Gesellschaften zur einforderbaren und bezahlbaren Kunst und dienen als solche nur noch dem Geist der Macht und den Machthabern und nicht mehr dem der gesamten Gesellschaft.) Einen Hinweis auf die Darstellung (z.B. Tanz) findet sich bei den Mimbres nur in bildhaften Ausdrücken wie der Felskunst und in der Keramikmalerei. In einer egalitären Gesellschaft mit einer nicht vorhandenen Warenproduktion sind die Töpferei und damit auch der an diese spezialisierte Tätigkeit gebundene Gestaltungswillen weibbestimmt. Die Produktion der heute künstlerisch so hochgeschätzten, oft dem Bestattungsritual dienenden wunderbar bemalten Mimbres-Schalen waren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Werk der Mimbres-Weiber, wobei für die Bemalung selbst sicher Spezialistinnen tätig waren, denn die Sicherheit bei der Linienführung komplizierter abstrakter Muster und ausdrucksstark auf das Wesentliche konturierter Figuren geht wahrscheinlich über die allgemeinen Fähigkeiten einer Töpferin hinaus und bedarf einer intensiven handwerklichen und spirituellen Übung. Dabei werden für männlich dominierte Ritualbilder mit Sicherheit Männer die dekorative Gestaltung der Keramik vorgenommen haben. Die auf der Keramik dargestellten und tanzenden, Masken tragenden Figuren (gern als Katchina bezeichnet) sowie Jagd- und Fischfangszenen belegen wahrscheinlich (!) die von Männern getragenen rituellen darstellenden Aktivitäten. Die Aktivitäten zur Beschwörung von Wesen aus der Ober- oder Anderswelt, denen man Einfluss auf das Erscheinen von Wind und Regen zuschrieb, waren nach ihrem Verständnis auf der Erdoberfläche, z.B. auf der Plaza, spirituell wirkungsvoller zu gestalten als in einer Kiva, außerdem konnten auf einer Plaza mehr Personen der Gemeinschaft am Ritus aktiv und/oder passiv beteiligt werden und so die Beschwörungskraft verstärken. Dass die tanzenden, Masken tragenden Figuren weiblichen Geschlechts sein könnten und bei einer mit dem Mond verbundenen Zeremonie agieren, ist den Archäologen selbst als hypothetische Möglichkeit keinen Gedanken wert.
Da das Fruchtbarkeitspotenzial des Mimbres-Tales über die Zeit der menschlichen Erinnerung als weitgehend konstante Größe galt, wurde zum Abbau des Ressourcenstresses neben den gesteigerten weiblichen Aktivitäten (u.a. belegbar an der Töpferei und ihrer sich entwickelnden rituellen Gestaltung) auch die männliche Kraft spirituell gefordert, was sich höchstwahrscheinlich in den Plaza-gebundenen Ritualen und in einem Bedeutungsrückgang früher genutzter Kivas manifestierte. Als trotz aller – männlicher und weiblicher – Bemühungen die Sicherung der gesellschaftlichen Struktur im Mimbres-Tal nicht mehr möglich war, kam es zum Ende dieser ortsbezogenen Kultur durch die physische Ausbreitung und Zerstreuung und durch eine Veränderung in der Spiritualität und den Riten dieser Menschen. Die Wirtschaft und die Architektur wiesen eine ungebrochene Kontinuität auch an den neuen Siedlungsplätzen aus, die Herstellung der hochspeziellen Ritual- und Begräbniskeramik – die nur in diesem Kultur- und Landschaftsbereich gefunden und offensichtlich auch nur in sehr beschränktem Umfang weitergegeben oder gar getauscht wurde – kam jedoch zum Erliegen.
Die bildgebundene rituelle Aktivität als im Wesentlichen weibliche Ausdrucksform war sicher lange als gesellschaftlich ausreichend angesehen worden, denn das quantitative und qualitative Erbe von wahrscheinlich männlich geprägter Felsbildkunst im Mimbres-Tal ist im Vergleich zu anderen südwestlichen Kulturen relativ gering und stilistisch so unkonkret, dass eine eindeutige Zuordnung der sogenannten „Tlaloc“-Darstellungen und anderer „Regen“-Geisterdarstellung zur Mimbres-Kultur nicht möglich ist und auch von Menschen anderer Kulturgruppen und anderer Zeiten stammen kann.
Die Aktivitäten von HEIL-Personen beiderlei (!) Geschlechts können nur aus der über die Töpfereikunst vermittelten Bilder und aus einer Vielzahl von speziellen Artefakten, wie den nach historischen Vorbildern als Gebetsstäbe (Pahos) bezeichneten Fundstücken und auch möglichen Schmuckstücken (auch Gegenstände, die heute als Schmuck bezeichnet werden, hatten eine spirituelle Aufgabe und wurden im täglichen Leben und kraftverstärkend bei Ritualen eingesetzt.) abgeleitet werden. Schamanistische Aktivitäten sind in dieser Gesellschaftsform noch allgemein verbreitet und nur wenige besonders fähige Personen haben auf Grund dessen eine prominente Stellung mit besonderer Verantwortung (auf Grund der individuellen und gesellschaftlichen Erwartung!), aber keine Machtposition.
Die von den Archäologen freigelegten Artefakte mit möglicher spiritueller Bedeutung sind mit Sicherheit auch nur ein winziger Bruchteil der in der Realität vorhandenen Gegenstände und Darstellungen (z. B. Körperbemalung, spezielle Tanzmasken) spirituellen Charakters, da diese oft eine sehr vergängliche und auch kaum rekonstruierbare Form hatten, manche vielleicht nach einem Ritual auch wieder bewusst „vernichtet“/ „getötet“/ entgegenständlicht/ vergeistigt wurden. Deshalb ist eine interpretatorische Extrapolation aus der kleinen Menge vorliegender Artefakte auf die gesamte Gesellschaft extrem problematisch. Dazu zählen auch Hinweise auf mesoamerikanische Einflüsse auf den Schamanismus der Mimbres und bei einigen Wissenschaftlern gar die Behauptung des Ursprungs des Mimbres-Schamanismus in Mesoamerika, die sich dann in Begriffen wie „Tlaloc“-Darstellung widerspiegeln. Dabei soll aber keinesfalls die mögliche Rolle des Mimbres-Kerngebietes bei der Nutzung und Weiterleitung von Aras, Papageien und deren farbkräftigen Federn aus Mesoamerika vernachlässigt werden, die aber kaum mit Artefakten, sondern meist nur mit bildlichen Darstellungen auf Gefäßen zu belegen ist. Die Darstellungen auf der Keramik belegen eine intensive Beschäftigung von Weibern und Männern mit Papageienvögeln, desgleichen wurden solche Vögel oder nur bestimmte Körperteile von ihnen einzelnen mit ins Grab gegeben. Die spirituelle und rituelle Einbindung von Papageienvögeln in das Leben der Mimbres war mit Sicherheit anders gestaltet als bei den kulturell nachfolgenden Menschen im Casas Grandes Gebiet.
Das Vorhandensein von pflanzlichen Resten mit haluzinogenen Substanzen lässt darauf schließen, dass den Mimbres der Wirkmechanismus solcher Pflanzen oder Pflanzenteile bekannt war, aber alle darüber hinausgehenden Aussagen sind und bleiben Spekulation und Hypothese. Die Mimbres-Kultur nutzte/gebrauchte wahrscheinlich ganz regulär alle Rauschmittel (z.B. Daturas, Nicotianas, Amanitas und den lokalen Peyote), die sie finden oder durch Tausch/Handel erlangen konnten. Einige eingetauschte Produkte (wie getrocknete psilocybes-Pilze und das LSA enthaltende Ipomeas) waren eventuell auch verfügbar, wie Pilzdarstellungen auf Pahos und Zeremonialstäben anscheinend belegen. Die Behauptung, dass bestimmte Motive auf der Begräbniskeramik in ihrem Design auf haluzinogene Erscheinungen zurückzuführen sind, erscheint mir aber als Nichtnutzer dieser Stoffe sehr fragwürdig. Alle archäologischen und ethnographischen Indizien deuten auf eine traditionelle Verwendung von psychoaktiven Pflanzen (Datura, Tabak, Pilze, Peyote) und anderen Trance induzierenden Mechanismen, die auch für spirituellen, heilenden und Entspannungsbedarf angewendet wurden.
So wurden neben dem mehrere Arten umfassenden Wildtabak im Südwesten auch kleine Mengen für den zeremoniellen Gebrauch kultiviert. Die Tabakblätter wurden u.a. getrocknet und in einer Stockröhre geraucht, ähnlich wie die Zigaretten-/Zigarrenspitze oder es wurde ein „Wolkenblaser“ genutzt, eine kurze trichterförmige Tonpfeife.
Die mit der Spiritualität der Mimbres offensichtlich sehr stark verbundenen Bestattungspraktiken waren mit Ausnahme der beigegebenen und rituell durch das Einschlagen eines Loches (sog. Totenloch) in den Schalenboden entmaterialisierten/„getöteten“ Tonschalenbeigaben mit vielen Kulturen des Südwestens vergleichbar und relativ unspektakulär. Es gibt aber auch Ansichten, dass das Loch im Schalenboden keine „Tötung“ der Schale darstellt, sondern den Ausgang für den Geist des Verstorbenen aus der wirklichen und/oder künstlerisch dargestellten Welt in der Schale.
Die Bestattung des Körpers erfolgte im Allgemeinen in sitzender Hockerstellung (fötale Position) mit der speziellen Tonschale, die wie ein Helm auf den Kopf gelegt wurde, in einer einzelnen Grube unter dem Fußboden des Hauses. Die Bestattungsgrube wurde meistens mit einer verdichteten/abdichtenden Schicht aus Adobe u.ä. abgeschlossen. Einige der Begräbnisgruben waren mit Stein oder Adobe ausgekleidet, bevor sie mit Adobe abgeschlossen wurden. Andere wurden mit einem flachen Stein verschlossen. Weitere nicht „getötete“ Gefäße oder gefäßgebundene Beigaben wie bei den anderen Mogollon fehlten im Allgemeinen bei den Mimbres oder die Quellen haben über diese gewöhnliche Keramik nichts berichtet. Wenn in seltenen Fällen Grabbeigaben erwähnt wurden, umfassten sie meist Schmuck aus Muschelschalen oder Türkis, Werkzeuge und vereinzelt Tongefäße. Bei den Raubgrabungen nach der begehrten Bestattungskeramik ist darauf auch sicher keinerlei Beachtung aufgewendet worden.
Bei in der Galaz Site und der Cameron Creek Site freigelegten menschlichen Bestattungen wurden auch beigelegte Papageienvögel gefunden, denen jedoch der linke Flügel fehlte. Auch abgetrennte Köpfe und andere einzelne Körperteile wurden als Beigaben gefunden. Über den rituellen Kontext dieser Indizien lässt sich nur spekulieren.
Ob die Malereien im Innenraum der Schale „Bilder/Informationen“ aus dem diesseitigen Leben für die Freude der Seele der oder des Toten oder aber „Aufträge“/„Bitten“/„Gebete“ der Lebenden für die Geister in der Anderswelt zum Überbringen durch den dorthin Gegangenen waren oder noch andere Bedeutungen hatten, ist offen. Desgleichen ist die Aussage, dass ein Mensch, im Mimbres-Tal stehend, die Illusion hat, die Welt wie eine über seinen Kopf gestülpte umgekehrte riesige Schale zu sehen, von einem heutigen Menschen und sicher sehr emotional.
In der Klassischen Periode (1000 bis 1150 u. Z.) erfolgten 85% aller belegten Begräbnisse in Häusern und stellten sicher eine Art von Abstammungsfriedhöfen dar (lineage cemetery). Es liegt keine Aussage darüber vor, ob sich die Begräbnisse in bestimmten Häusern konzentrierten oder ob sie relativ gleichmäßig über alle Häuser/Raumzellen verteilt waren. Begräbnisse außer Haus umfassten 10% der Beisetzungen und die Anzahl der Brandbestattungen lag je nach Quellenangaben zwischen 1,5 und 5% der Bestattungen. Die Brandbestattung nahm in der postklassischen Zeit stark zu.
Brandbestattungen traten vereinzelt ab 750 u.Z. auf, blieben auch bis 1150 u.Z. eine seltene Bestattungspraktik. Während dieser Zeit wurden die Kremationsüberreste in speziellen Räumen und speziellen Bereichen innerhalb der Gemeinschaft entsprechend häufiger als Körper beigesetzt. Bei der Beisetzung der Kremationsüberreste wurden auch häufiger Geschossspitzen mit aufgefunden. Diese Tatsachen und das seltene Auftreten von Kremationen während dieser Zeiten werden vorwiegend auf ungewöhnliche Todesbedingungen zurückgeführt, obwohl einige Kremationen auch Personen mit höherem Status betreffen könnten. Auch die Möglichkeit eines direkten (Zuwanderer) oder indirekten (spirituellen) Einflusses durch die Hohokam-Kultur wäre mit in Betracht zu ziehen, wo zu dieser Zeit die Brandbestattung dominierte. Nach 1150 u.Z. wurde Brandbestattung häufiger und ab 1350 u.Z. war sie dominierend. Der wesentliche Unterschied zwischen der Black Mountain Phase (1150 bis 1350 u.Z.) und der Cliff Phase (1350 bis 1450 u.Z.) ist die Häufigkeit der Brandbestattungen. Nach 1150 u.Z. wurden den Kremationsüberresten auch keine Projektilspitzen mehr beigelegt.