Читать книгу „MENSCH BLEIBEN“ bis ans Lebensende - Wiebke Wanning - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеBeruflich habe ich schon immer nur das gemacht, was ich liebe und worauf ich Lust habe. Ich bereue nicht einen Schritt meines bewegenden Werdeganges, auch den Ausflug in die Altenpflege nicht.
Aber... ich wünsche mir, dass sich für die betroffenen Menschen, die Pflegerinnen und Pfleger und auch für die Pflegeempfängerinnen und Pflegeempfänger etwas ändert, egal auf welcher Seite sie stehen.
Das Ziel eines jeden Menschen, egal welchen Alters, ist es, ein wunderbares Leben in höchstmöglichem Frieden zu führen.
Selbstständig agieren zu dürfen und in Harmonie mit der Gesellschaft zu leben.
Bedingung hierfür ist, dass wir die Fähigkeit besitzen, uns bewusst zu machen, dass alle Menschen unsere Mitmenschen sind.
Ich maße mir nicht an zu denken, dass ich viele Menschen mit diesem Buch erreiche, denn Veränderung macht Angst und ist unbequem. Aber sollten es einige wenige sein, die den Mut haben zur Veränderung beizutragen wird dies sehr viel positive Bewegung auslösen. Infolge wird der Umschwung zu spüren sein und der Respekt untereinander kann wachsen.
Stellt Euch vor, ihr würdet nachts mit einer Fackel vorangehen und Mut und Respekt zeigen. Die Fackel wird die Umgebung um euch herum ein paar hundert Meter erhellen und es ist möglich, dass ihr euch ziemlich einsam fühlt.
Doch vielleicht fällt das Licht ein paar hundert Meter weiter jemandem ins Auge. Dieser Mensch weiß dann, dass ihr dort seid, dass dort ein Licht ist und es einen Weg gibt.
Evtl. finden sich Dutzende oder später Hunderte von Lichtern um euch herum ein, die diese Menschen aussenden... und dadurch wächst der Respekt untereinander, denn „Mut“ und „Respekt“ sind ansteckend!
Wir Menschen sind keine Geschöpfe, die sich von Natur aus nach Streit, Krieg oder Gewalt sehnen. Dies bedeutet, wenn wir das Bewusstsein für das Gemeinschaftsgefühl bei allen Menschen nähren könnten, so würden viele Konflikte verhindert werden.
Allein dadurch, dass die Menschen sich ihrer Mitmenschlichkeit bewusst werden.
4 Jahre habe ich an der Rezeption und in der Pflege div. Altenheime und im ambulantem Dienst gearbeitet und als Auszubildende zur examinierten Altenpflegerin. Dadurch hatte ich die Möglichkeit hinter die Kulissen aller beteiligten Abteilungen schauen zu können.
Auch 2 unterschiedliche Pflegefachseminare habe ich erleben dürfen und schildere meine Erfahrungen.
Fakt ist:
Gute Altenpflege ist unter den jetzigen Bedingungen kaum möglich.
Es herrscht höchster Personalmangel, in manchen Bundesländern niedrige Löhne und meist sehr schlechte Arbeitsbedingungen.
Die Folge ist, dass „ein gutes und selbstbestimmtes Leben bis in den Tod“ für die alternden Menschen nicht mehr gewährleistet werden kann. Jedoch nicht nur für die Seniorinnen und Senioren, dies gilt auch für die Angestellten, die in der Pflege arbeiten. Auch diese Menschen haben das Recht auf ein solches Leben.
Die heutigen Strukturen und fehlenden Kompetenzen Einzelner lassen dies so allerdings nicht zu und es ist an der Zeit hier Veränderungen herbeizuschaffen.
Viele Unternehmen versuchen ihre Mitarbeiter durch Androhung von Restriktionen zu Leistungen anzuspornen. Angst vor Strafe ist somit der primäre Motivationsfaktor. Auf lange Sicht ist dies sicherlich nicht von Erfolg gekrönt. Natürlich lassen sich Menschen kurzzeitig mit Angst in Schach halten, aber eben nicht auf Dauer.
Die nächste Strategie folgt und besteht aus dem Schaffen von finanziellen Anreizen. So wie es aktuell gefordert wird. Die Arbeitnehmer werden dies zu schätzen wissen, aber auch dieser Wirksamkeit sind Grenzen gesetzt. Irgendwann wird auch dieser Nutzen schwinden, da die Qualität der Arbeit gleichbleibend ist. Zudem kommt hinzu, dass finanzielle Motivation dazu führt, nur noch für finanzielle Belohnungen zu arbeiten und bleiben diese aus, wird kein Finger mehr gerührt.
Die sicherlich wirkungsvollste Möglichkeit, Menschen zu motivieren, ist die persönliche Weiterentwicklung zu fördern. Wenn Firmen ihren Mitarbeitern helfen zu wachsen und ihre Persönlichkeit zu entfalten, dann haben sie Freude am Leben. Sie gehen gerne in Kontakt mit anderen Menschen und empfinden Zufriedenheit in ihrem Beruf. Auch wird der Wunsch einer positiven Bereicherung für das Unternehmen steigen.
Der Schlüssel zum Erfolg besteht also darin, Mitarbeiter zu coachen und fortzubilden, damit sie Selbstvertrauen, das Gefühl innerer Stärke und Lebensfreude entwickeln.
Stillstand ist das Resultat mangelnder Bewegung. Alt werden z.B. ist nicht von den Lebensjahren abhängig, sondern von dem Mangel an Bewegung. Und der absolute Stillstand ist der Tod.
Was tun Kinder, wenn sie nach dem Regen auf dem Bürgersteig Pfützen sehen? Sie springen vor lauter Lebensfreude hinein. Sie lachen und amüsieren sich. Was macht ein Senior, der dort entlang geht. Er geht drum herum und beschwert sich wohlmöglich noch darüber.
Diese Leichtigkeit und Glückseligkeit muss wieder gewonnen werden und dieses Lebensgefühl überträgt sich in der Pflege von den Pflegenden auf die Pflegeempfänger.
Die generalistische Pflegeausbildung hat begonnen und es wird heftig diskutiert, ob dies Vor- oder Nachteile für die Altenpflege mit sich bringt.
Kann es funktionieren, drei unterschiedliche Pflegeberufsausbildungen 2 Jahre lang zusammenzulegen und eine darauffolgende Spezialisierung nur 1 Jahr zu lehren?
Wie attraktiv ist die Altenpflege gegenüber der Kinder- oder Krankenpflege? Dies sind offene Fragen, die erst durch die Zukunft beantwortet werden können.
In den Medien wird viel über einen gesetzlich vorgegebenen Personalschlüssel diskutiert. Die Festsetzung einer Personaluntergrenze ist aktuell ein Ansatz, den es jedoch noch zu überdenken gilt, da es zu viele Schlupflöcher gibt.
In den Krankenhäusern z. B. wird Personal spontan bei Krankheit und Urlaub o. ä. umgeschichtet, damit die Untergrenze erreicht wird.
Dies bedeutet aber auch, dass in den Abteilungen, in denen es die Personaluntergrenze nicht gibt, Personal fehlt.
Und auch diese Frage stellt sich: Ist im Arbeitsvertrag eine Art
„Springerposition“ vereinbart worden? Sehr wahrscheinlich nicht!
Ein anderer Ansatz der Politik ist, dass Pflegekräfte mit 55 Jahren in Rente gehen sollten. (Dies wird diskutiert, als wenn es ein Geschenk sei.) Was ist das bitte für eine Idee?
Dies bedeutet doch nichts anderes, als das diese Menschen im Alter von 55 Jahren keinen Mehrwert mehr für den Arbeitsmarkt darstellen.
Und warum nicht?
Weil sie körperlich und psychisch am Ende sind!?
Es gibt allerdings weder einen finanziellen Anreiz noch eine Dankesgeste und warum auch, die geringe Rente, die diesen Menschen zusteht, fällt bei der allgemeinen Lage weniger ins Gewicht als das sich der Krankenstand in der Altersklasse erhöhen würde.
(Und die viel diskutierte Grundrente ist von ihrem Betrag her ja nun auch nicht wirklich erstrebenswert.)
Dem Beruf angemessene Löhne sind zudem zwingend gefordert und „Verdi“ spricht sich für einen flächendeckenden Tarifvertrag für die Altenpflege aus.
Auch das liest sich sehr verlockend, die Frage ist die Finanzierung der Umsetzung. Sollte dies über Pflegeversicherungsbeiträge refinanziert werden, beißt sich die Katze in den Schwanz.
Der Bruttolohn steigt, und der Nettolohn könnte sinken!
Gute Pflege ist abhängig von sehr vielen Faktoren, jedoch in erster Linie von gut ausgebildetem Pflegepersonal und auch allen anderen Menschen, die an diesem Prozess beteiligt sind.
Die Zusammenarbeit muss stimmen, sonst ist die tägliche Arbeit unbefriedigend und dies macht auf Dauer krank.
Grundvoraussetzung um andere Menschen zu pflegen und zum Wohl der Arbeitskollegen agieren zu können, sollte zunächst einmal ein guter und gesunder Umgang mit der eigenen Person und dem eigenen Leben sein. Hier appelliere ich an mehr Selbstverantwortung.
Auch die Politik und die Firmeninhaber müssen verstehen, dass gute Pflege nur in einem gesunden und kollegialen Umfeld geleistet werden kann.
Fachseminare und Pflegeschulen sollten den Themen wie z.
B. Persönlichkeitsentwicklung, Psychologie, Menschenkenntnis, Körpersprache, Kompetenzen und Kommunikation der angehenden Fachkräfte viel mehr Beachtung schenken. Auch Kniggeregeln, Umgangssprache und soziales Verhalten ist bei den meisten Schülern, Pflegehelfern und auch Fachkräften unbedingt verbesserungswürdig.
Auswirkungen psychischer Erkrankungen im Alter und der Umgang mit diesen müssten regelmäßig nach dem aktuellsten Stand geschult werden. Dies sollte unbedingt bei allen in der Pflege beteiligten Abteilungen stattfinden.
Zu Beginn der Ausbildung dieses für mich wunderschönen Berufes,
„Menschen zu unterstützen, wenn sie es am dringendsten benötigen“ war ich voller Begeisterung und sehr glücklich eine „Sinn“ gebende Tätigkeit ausführen zu dürfen. Im Laufe der Zeit wurde ich jedoch mit der nicht mehr positiven Realität konfrontiert.
Ein Beruf, der leider nicht so ausgeübt werden kann, wie es in der Ausbildung gelehrt wird und den Pflegeempfängern zusteht.
Durch den jetzigen Personalmangel wird die Pflege unter sehr schlechten Bedingungen von vielen Menschen ausgeführt, denen es zudem an sozialer Kompetenz, Fachwissen und Empathie fehlt.
Dies geht in erster Linie zu Lasten alternder, kranker Menschen, zu denen wir auch einmal gehören werden, in zweiter Linie zu Lasten der gesamten Arbeitnehmer und in dritter Linie auch zu Lasten der Arbeitgeber.
Diese oft vorhandene soziale Inkompetenz zieht sich durch alle anteiligen Fachbereiche, beginnend mit Heimleitern, Pflegedienstleitern, Wohnbereichsleitern, Praxisanleitern und allen anderen Beteiligten, bis hin zu den Hausmeistern, dem Küchenpersonal und den Reinigungskräften etc.
Mir macht dies große Angst vor dem Älter werden!
Ich hoffe, dass ich niemals abhängig sein werde von Menschen, die nicht zu mir passen, die ich mir nicht selber aussuchen kann oder die vielleicht sogar nicht gut mit mir umgehen werden.
Mit diesem Buch möchte ich aufrütteln und fordere von allen, die auch nur im Entferntesten etwas mit Pflegeempfängern zu tun haben mehr Verantwortung zu übernehmen.
Verantwortung für sich selbst, die Pflegeempfänger und die eigenen Teamkollegen.
Die reinste Form des Wahnsinns ist es,
alles beim Alten zu lassen
und gleichzeitig zu hoffen,
dass sich etwas ändert!
Albert Einstein