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O je, o je, sie bringt es nicht, o weh, o weh, die Unterschicht

Erwin aus der Unterschicht

liebt die Oberklasse nicht.

Doch vom Chef die Tochter

sah er gern und mocht er

Wenn unsere tollklasse gebildeten, überaus feingeist- und feinwaschmitteligen und tiptop hochkulturellen Mittel- und Oberschichtler diesen Vierzeiler namens »Erwin« von F.W. Bernstein gelesen hätten, eine weitere nutzlose, aufgesetzte Feuilleton-Debatte wäre der Welt erspart geblieben. Weil aber der Berufsdebatteur als solcher gar nichts zu wissen braucht, um konjunkturell mitquakeln zu können, musste man sich das Geningel um die furchtbar kulturlose, üble und quasi aus Gammelmenschen zusammengetackerte Unterschicht auch noch anhören.

Was soll das Gezeter, wovon lenkt es ab? Dass Menschen, die ihre Kinder Kevin nennen, mit ihnen nichts Gutes vorhaben, liegt auf der Hand, das ist im Namen mit drin. Kevin heißen müssen bedeutet: Dich liebt keiner, deine Eltern jedenfalls lieben dich nicht. Das ist unschön, aber völlig offensichtlich und muss also nicht debattiert werden. Der grassierende Kevinismus (beziehungsweise Marvin- und Justinismus) könnte leicht standesbeamtlich durch ein generelles Verbot von Produkt- und Markennamen für Kinder unterbunden werden. No Xavier, no Cry.

Es gibt durchaus ein reales Unterschichtproblem: die längst abgesackten, verwrackten Reste von Ober- und Mittelbau. Der Fisch stinkt nun mal vom Kopfe. Petra Gerster c/o ZDF kündigt die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises an und honigkuchelt grienend einen vom Pferd namens »Qualitätsfernsehn«. Als »bester Fernsehfilm« wird der durchhaltedeutsche Schmachtfetzen »Dresden« ausgezeichnet. Wer bei solchen Produktionen und Laudatien mitmischt, möge seine Beschwerden über Unterschicht und Unterschichtfernsehn bitte für sich behalten.

Auch die Gala-Veranstaltung »50 Jahre Bravo« zeigte, dass gegen die krebsartig wuchernde Medialunterschicht die gute alte »Aktion Sühnezeichen« nicht mehr greift. Ein stark behandlungsbedürftiger Junge namens Bill, Angestellter einer Krankheit namens Tokio Hotel, drückte die ihm aufgezwungene Mischung aus Puber­täts­eiter und Jugendgreisenhaftigkeit in Kameras und Mikrophone: »Ich fand Nena immer komplett geil.« Die komplett schlichte Sängerin nahm in dafür in den Arm und küsste ihn. Gegen beide und alle, die derartiges mögen, hülfe, wenn überhaupt, nur die Aktion Schürhaken. Dass der branchengefeierte Tim Renner den Cockerspaniel Nena in der Zeit allen Ernstes als Bundeskanzlerin vorschlug, sagt alles über die Selbstbeweihräucherungsvokabeln Qualitätsjour­­nalismus und Qualitätszeitung.

Womit man ganz unten gelandet ist, bei Gerhard Schröder auf dem Titelbild des Spiegel in der 43. Kalenderwoche 2006. Was war das? Vollgummi? Leder? Gesicht gewordene Charakteraufweichung? Letzteres setzte voraus, dass jemals ein Charakter vorhanden gewesen wäre. Was Gerhard Schröder als Gesicht trägt, habe ich als Jugendlicher beim Schlagballwerfen gut 40 Meter weit weggeschmissen. 4000 Kilometer wären eine weit angenehmere Entfernung von dieser putinistischen Gestalt, die alles verkörpert, was an Unterschicht und Aufsteigerei abstoßend war und ist. Nähme Gerhard Schröder noch die Plage Michael Schumacher mit in die Pipeline zur ewigen Ruh, das Proleten- und Unterschichtsgewürge hätte zumindest Pause – bis zur nächsten Sendung mit Kerner.

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?

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