Читать книгу Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen? - Wiglaf Droste - Страница 5

Оглавление

Salat ist sinnlos, knackt aber

WENN ES STIMMT, dass Sprache eine Waffe ist, dann wäre Sprachkritik eine Kritik der Waffen mit ihren eigenen Mitteln. Die sprachlichen Waffenarsenale einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen, lohnt immer – selbst dann, wenn es modern ist, das zu tun. Die Beschwerde darüber, dass Angehörige des Proletariats sich mitunter einer eingeschränkten, groben Sprache bedienen, ist allerdings nicht eben sensationell.

Interessanter ist doch die Sprache derjenigen, die sie als berufliches Handwerkszeug benötigen und entsprechend pflegen und in Schuss halten sollten. Schließlich sprechen sie öffentlich, im Fernsehn, im Radio, oder sie schreiben öffentlich, in der Zeitung.

Wie der Medienmensch spricht, so denkt er auch, und das gibt zu denken. »Stark eingebrochen ist die Kauflust«, sagte eine Nachrichtensprecherin in den ARD-Tagesthemen. Ich stutzte und staunte: Was die Kauflust alles kann – sogar einbrechen. Wie muss man sich das vorstellen? Brach die Kauflust beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen See ein? Oder, ganz anders, nächtens in eine Villa, wo sie dann das Silber klaute?

So lange es Journalismus und Journalisten gibt, mediale Breittretungsorgane, so lange wird es Sprachkritik geben. Koalitionen werden »fit gemacht«, es wimmelt von »Top-Themen«, eine Reform hat »Eckpunkte«, in denen Kreis und Quadrat zu einer Einheit verschmolzen werden, die geometrisch interessant aussehen könnte. Manche sagen sogar: »Ich kenne jede Ecke des Erdballs« – und fühlen doch nichts.

»Zeitnah« werden Entscheidungen getroffen, ganze »Zeitfenster« werden aufgerissen. Würfe man einen Pflasterstein in ein Zeitfenster hinein, und es klirrte nicht – wäre das Zeitfenster dann geöffnet? Oder ist es schlichtweg nicht existent? Sondern eine Erfindung aus dem Hause Wichtig? Zeitnahe Zeitfenster haben und ergeben keinen Sinn, aber das müssen sie auch nicht, denn sie sollen, im Gegenteil, »Sinn machen«.

Sinn machen klingt wie Pípí machen – und genau so infantilisiert ist die Welt, die sich hinter dieser Blähsprache verbirgt. »Das macht Sinn« – wer so spricht, will sich aufpumpen und bedeutend machen, der will »einen Distinktionsgewinn erzielen«, wie das in Feuilletonsprech heißt.

In dieser Welt wird simple Reklame zu einer Johannes-B-Kernerschen »wichtigen Produktinformation«, kurze Entfernungen sind »fußläufig«, wahrscheinlich wie die sprichwörtliche fuß­läufige Hündin. Äußerungen sind »grenz­wertig« und Sachverhalte »gewöhnungsbedürftig«, ob­wohl doch das handelnde Subjekt der Gewöh­nung bedarf, nicht das passive Objekt.

Wer solchen Radebrech kultiviert, »verschriftet« auch seine Beiträge in »Meetings«, vergrößert seine »Relevanz«, schreibt ein »Impulspapier« und will sich »optimieren«, wenigstens »ein Stück weit«, jedenfalls so lange, bis er dann »Sinn macht«.

Wie beispielsweise Tom Buhrow. In den Tages­themen dampfquakelt das ARD-Ankermänn­chen routiniert umnachtet drauflos: »Hier ist der Knackpunkt.« Ah ja, der Knackpunkt – allein, was wäre ein Knackpunkt? So etwas wie ein Eckpunkt, nur dass er eben auch noch knackt? Ist der Knackpunkt dem »Knackfaktor« verwandt, den die Lebensmittelbranchenwerbung für grüne Äpfel ersann? Oder dem Salat, der komplett gehaltlos sein darf, wenn er nur immer »knackig« ist?

Knackiger Salat ist sinnlos – nährstoff- und geschmacksfrei, aber knackig. Denn knacken muss es, unbedingt; das Wichtigste am Essen ist offenbar nicht der Geschmack, sondern das Geräusch, der »Sound«, der vom »Sounddesigner« kommt – ein möglichst lautes Krachen und Knacken im Mund. Dazu trinkt man importiertes Mineralwasser – im Angeberplural »Mineralwässer« – oder ein »fassfrisches« Bier, selbstverständlich »Premium« beziehungsweise wie im besonders schweren Fall Warsteiner, sogar »Pre­mium Verum«, denn Premium heißen ist die vornehmste Pflicht aller Gülle, und »fassfrisch« muss sie auch sein, aber hallo. Wer soll sich davon angesprochen fühlen wenn nicht ein Köter: »Hasso fassfrisch!« Hasso trank ein Premium / Bumms, da fiel der Hasso um.

Wenn man den fußläufigen, zeitnahen, eck- und knackpunktenden, fassfrischen Sinnmachern so genau zuhört, wie die sich das niemals wünschen dürften, möchte man hinterher ein altes Lied anstimmen: Die Gedanken sind Brei, wer kann sie erahnen…

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?

Подняться наверх