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Pfefferminz mit Sibiriengeschmack

DER 13. AUGUST IST BILLY-WILDER-TAG: Man muss »Eins, Zwei Drei« kucken. Die tragenden Säulen des deutschen Humors heißen »Lachen ist gesund«, »Spaß muss sein« und »Hier hört der Spaß auf«. Dieses dunstige, morastige Terrain gilt es unbedingt zu meiden. Besser lernt man bei den aus Deutschland entronnenen Komödienmeistern Ernst Lubitsch und Billy Wilder, dass nichts ist, was zu sein es scheint, schon gar nicht das sogenannte Gute.

Als Billy Wilder 1961 seine rasante Komödie »Eins, Zwei, Drei« drehte, war das Brandenburger Tor noch offen. Als aber der Film in die Kinos kam, war die Berliner Mauer frisch errichtet. Das deutsche Publikum tat, wozu es fähig ist, wenn es mit Humor, also mit heucheleifreier, rücksichtsloser Klarsicht konfrontiert wird: Es nahm übel. Der Film verschwand und kam erst 24 Jahre später wieder ins Kino. So lange dauerte es, bis Deutsche bereit waren, die komischen Aspekte ihres Nationalgeteiltseins überhaupt wahrzunehmen. Allerdings blieb die Ernstnehmerfraktion, die in der Existenz zweier deutscher Staaten ausschließlich eine Tragödie und eine Katastrophe sehen wollte, stets in der Mehrheit.

»Eins, Zwei, Drei« beginnt mit einer Einordnung der historischen Bedeutung dessen, was in Westdeutschland als Schandnabel des Universums galt. Die Welt aber ist erheblich größer: Am 13. August 1961 fand in Washington ein Base­ballspiel der Yankees gegen die Senators statt. D a s war ein Ereignis, aber doch nicht der kleine Mauerbau.

Auch nach geschätzten hundertmal Ankucken ist »Eins, Zwei, Drei« ein Geysir der hellen Freude und eine Lektion in Sachen Tempo, Timing und Dialogwitz. Was für ein Ideenreichtum, was für eine verschwenderische Liebe zum Detail – mit dem, was Billy Wilder hier an Einfällen verbriet, müssen unsere neuen gesamtdeutschen Komödien sonst locker 50 Jahre lang auskommen.

Billy Wilder bewahrt Haltung und schlägt sich keinem Lager zu; sein Film beleuchtet die Peinlichkeiten auf allen Seiten. Und davon gibt es, zur Freude des Betrachters, jede Menge. Ausnahmslos alle Hauptbeteiligten lügen und betrügen, um ihre Ziele zu erreichen; unsympathisch werden sie dadurch nicht. Die Welt ist ein Irrenhaus; wer sich darin behaupten will, muss das wissen und entsprechend handeln.

Die Ostdeutschen »marschieren, um gegen das Marschieren zu demonstrieren«, eine 17jährige Amerikanerin in Westberlin urteilt: »Die Umstürz­ler können’s am besten, gar kein Vergleich!« Ihre ältere Gastgeberin seufzt: »Und ich dachte, wir wären nur in der Raketentechnik zurück!« Der Gatte, Chef der Westberliner Filia­le von Coca Cola, muss jeden Morgen seinen deutschen Angestellten das Gehorcheraufspringen untersagen und tut es so drastisch wie verzweifelt: »Sitzen machen!« Einen ständig die Hacken zusammenknallenden Untergebenen mit selbstverständlich abgestrittener Mitläufervergangenheit lässt Wilder dennoch den großen Satz sagen: »Die Herren Kommunisten sind eingetroffen.« Ein junger ostdeutscher Parteigänger rettet eine Amerikanerin vor der Verhaftung, weil sie »eine typisch bourgeoise Schmarotzerin« und »die verfaulte Frucht einer korrupten Zivilisation« sei. Die 17jährige aus Georgia ist hingerissen: »Natürlich habe ich mich gleich in ihn verliebt.« Und sieht selbstverständlich auch ein, dass ihre reichen Eltern leider liquidiert werden müssen.

Die wollen erstmal mit dem Flugzeug in Berlin landen – was aber nur gelingen kann, »wenn diese Dreckskommunisten es nicht abschießen!« Kapitalismus ist »ein toter Hering im Mondenschein: er glänzt, aber er stinkt«; »Russland ist da zum Weglaufen, nicht zum Hinfahren«, denn im Kommunismus droht jedem Selbstdenker schließlich die Haft bei Väterchen Frost, »und das einzige, woran er sich wärmen kann, ist der heiße Atem der Kosaken.« Bestürzend Ähnliches gilt auch für die Gegenseite: »Atlanta ist Sibi­rien mit Pfefferminzgeschmack.« Kurz: Es ist alles ganz und gar wahr. Kein richtiges Leben gibt es im falschen, keinen Ort, nirgends. Wir sind verloren und müssen uns einen Reim darauf machen: Wir sind geboren. Billy Wilder lehrt uns, wie komisch das sein kann.

Harmlos oder ein Spielen auf Rumhängepatt ist »Eins, Zwei, Drei« also nicht. Einen Mann mit Trenchcoat und schneidender Stimme hört man fragen: »Glauben Sie etwa, Sie können einen deutschen Journalisten bestechen?« Die lakonische Antwort lautet: »Ich hab‘s noch nicht versucht.« Der Pressemann, der sich so aufspielt, wird kurz und unaufgeregt als SS-Ober­sturmbannführer enttarnt, der dann ganz klein­laut seine bezahlte Arbeit als PR-Schranze macht. Sounds like Spiegel-Spirit.

Es gibt auch andere gute Gründe, aber allein für Billy Wilders Komödie »Eins, Zwei, Drei« hat sich die deutsche Teilung unbedingt gelohnt. Beim nächsten Mal möge der Versuch bitte erfolgreicher sein.

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?

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