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Halt irgendwie oder so

Das Wattegebrabbel

WER OHREN AM KOPF HAT und von ihnen auch dezidiert Gebrauch macht, fühlt sich oft wie ein Gast auf terra incognita: Babylon-Gebabbel, Geschrei, Gerammel und Geschnassel, rabimmel, rabammel, rabumm. Das alte Kommunika­tions­modell »Senden – empfangen werden – die Rück­meldung empfangen – zurücksenden und auf diese Weise in klarer Verbindung bleiben« ist längst außer Kraft. Alle senden gleichzeitig, und vor allem senden sie bei voller Lautstärke. Alles jabbelt, brüllet, sabbelt, und niemand hört zu. Empfänger dieses Tohuwabohus sind die Trom­melfelle unschuldiger Zufallshörer, also zum Bei­spiel meine. Ich muss mir das alles anhören.

Aber auch das scheinbar empfindungsarme Pub­likum zeigt Wirkung. Die Reaktion auf das Vollgeballert- und Vollgeknattertwerden ist Reserviertheit; man hält sich zurück und legt sich seinerseits nicht mehr fest. So entsteht das wachsweiche Wattegebrabbel, der Jargon der Unverbindlichkeit. Und der klingt so: »Dann sind wir da halt irgendwie hingefahren und haben da halt was gegessen und dann war halt irgendwann Schluss oder so und dann...« Man wird zum moribunden, ins stille Erdreich flüchtenden Murmeltier von diesem »Halt irgendwie halt oder so«-Sprachbrei – der dem Kopfbrei entspricht, weil die sprachliche Idiotie nun einmal immer analog zur gedanklichen sich vollzieht.

Wer das Füll- und Nullwort »halt« auf seine Mitmenschheit ausgießt, dem soll jedesmal mit einem entschiedenen »Stop!« begegnet und geantwortet werden. Wer »halt« sät, soll »Stop!« ernten, klar und entschieden »Stop!« Das wirkt sofort, Sie dürfen mir glauben, ich habe es ausprobiert: »Stop!« Gleichfalls mit Hohn belegt wird die Nichtssagerfloskel »oder so« – »oder so« ist wie der alternative Herrenzopf am Kopf eines Mannes. Wer Zopf trägt, muss auch Zopf sprechen, anders geht es offenbar nicht, halt irgendwie oder so, vielleicht...

Die da so vage bleiben und sprechen, haben auch »Bauchgefühle«, sagen entsprechend »von daher« oder, noch geistferner, »also von daher« beziehungsweise schweizerisch »also von dem her«. Sagen möchte die Adelsfamilie derer von daher eigentlich »deshalb«, »darum« oder »deswegen«, aber das wäre ja zu konkret und also zu hart, und so heißt es: »also von daher...« Die professionelle Variante im journalistischen Leitartikel klingt dicker, ist aber gleich mager: »Freilich« sagt der Journalist, / der in Wörterfüllnot ist. Mindestens ebenso gern wie »freilich« nimmt er »gewiss«. Achten Sie einmal darauf, wie viele öffentlich-rechtliche Gewissträger es gibt.

Wer dann noch immer nicht genug hat vom öffentlichen Nullundnichtig, der höre einmal zu, wie oft am Tage er die Zwangsformulierung »nach dem Motto« erdulden muss. Denn die ganze labbrige »Ich sag mal irgendwie oder so von daher«-Sprachmarmelade gehorcht dem Motto »nach dem Motto«.

Sie hörten die Ziehung der Mottozahlen.

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?

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