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Die Elster, Skinhead der Lüfte

HEISERE, KAPUTTSTIMMIGE SCHREIE zerreißen die morgendliche Stille. Unfreiwillig erwacht der Schläfer, von hässlich ratschendem Kä-Kä-Käk roh geweckt. Draußen, im Hinterhofbaum, zetert die Elster, und auch vorn, von der Straße her, kreischt die schwarz-weiße Pest. Es ist Elster­alarm.

Wie das Auge der Lump unter den Sinnesorganen ist, oberflächlich, bestechlich und flüchtig, so ist die Elster die SA der Vogelwelt. Allein auf Dummheit und Brutalität setzt die Elster, mehr hat sie nicht zu bieten. Die Elster ist der Skinhead unter den Vögeln. Ihr einziges Ziel ist Monokultur, das Umbringen und Vertreiben von allem, was nicht Elster ist. Schwarz-weiß ist die Elster – wie ein Springerstiefel, in den ein weißer Schnürsenkel eingezogen wurde, um die miesestmögliche aller Gesinnung zu zeigen, den Wahn von der weißen Herrenrasse. So ein Drecksvogel ist die Elster.

Auf die Blumen am Balkon wirft sich die Elster, zerhackt sie mit scharfem Schnabel. Ihr Hass gilt allem Anderen, allem Schönen. Die zarte Blaumeise greift sie an und all die zaubrisch tirilierenden Sängerinnen und Sänger der Vogelwelt. Elster kann nur krächzen und knarren, also soll niemand singen dürfen. Todesschwadronen schickt die Elster aus, die Nester anderer, anmutiger Vögel zu zerstören, die Gelege zu vernichten und die Jungvögel abzuschlachten. Doch kein UN-Blauhelmeinsatz rettet die Opfer der Elster. Der Rest der Welt sieht gleichgültig zu und schutzbehauptet feige, ihm seien die Hände gebunden. Auch unsere Turmfalken sind matt und heuchlerisch geworden und gebieten der Elster nicht Einhalt. Das Bewohnen von Kirchen hat sie ihres Charakters beraubt.

Die Beweislast gegen die Elster ist erdrü­ckend. Elster hört Böhse Onkelz und singt entsprechend, Elster liest Junge Freiheit und spricht auch so. Elster zetert ständig, das Volk der Elstern stürbe aus. Das ist leider überhaupt nicht wahr. Hinter der Deckung dieser Lüge vermehrt sich die Elster rasend und wandelt blühende Gärten in Steppen und Wüsteneien. Es ist an der Zeit, der Elster in den ausgestreckten rechten Flügel zu fallen. Der Nazivogel braucht einen vor den Latz. Schnell, dringend und unmissverständlich.

Sage keiner, es gönge nicht. Das medizinballgroße Elsternnest vor dem Fenster ist mit einem Besen schnell aus dem Baum gehauen. Auch Freunde der Luftpistole können gute Werke tun. Kanonier Klink, Elster auf neun Uhr! Dschuff!, hat die Elster final eine hängen. Der Schütze hängt das Viech an einer Kralle kopfüber in den Baum; das martialische, archaische Bild zeigt Wirkung, der Todesvogel ist seinen Kollegen ein deutlicher Wink zum Beidrehen und Wegsein.

Meist bringt der Luftpistolenbeschuss die Elster nicht einmal um, aber bei Wiederholung zeigt die medizinische Bleianwendung Folgen: Sich die blauen Flecken reibend, verzieht sich das zänkische Elsternehepaar. Das Leben kehrt zurück, die Singvögel trauen sich wieder nach Hause, sogar Zaunkönige, und nisten und singen, dass es eine Lust ist. Die kleinen gelbroten Schnäblein sperren sie auf, als wären sie von Nikolaus Heidelbach gemalt. Tränen der Freude dürfen wir vergießen über soviel Zartheit der Schöpfung.

Und sie beschützen, gegen marodierende Elster-Kameradschaften. »Dies wetze scharf dein Schwert, verwandle Gram in Zorn; erschlaffe nicht dein Herz, entflamm es!«, heißt es in Shakespeares Macbeth. Ich will den Dichter beim Wort nehmen. Elster ist eklig, Elster ist überall. Der Krieg gegen die Nazi-Elster und ihr Gebrüll ist hiermit erklärt.

Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?

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