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Wichtige Stichwörter des Jahrzehnts
ОглавлениеInsert
Der Begriff insert/Insert ist leider auf den ersten Blick etwas unscharf, da es eine ursprünglich englischsprachige Bedeutung gibt, die vom traditionellen deutschen Sprachgebrauch im Filmkontext stark abweicht. Im Englischen bezeichnet insert den komplementär dem master shot gegenübergestellten shot im Continuity-Stil. Das bedeutet, dass eine größere Einstellung (master shot) durch kleinere Auflösungen in Binnenframes (inserts) untergliedert wird. In einem Gespräch dreier Figuren würden z. B. erst alle drei im Gespräch zu sehen sein (master shot in Totaler oder Halbtotaler), dann eine der Figuren das Wort ergreifen (Insert, halbnah oder nah), die andere Figur antworten (Insert, halbnah oder nah) und dann wieder das Gesamtgespräch gezeigt werden (master shot). Der deutschsprachige Gebrauch von Insert bezeichnet etwas völlig anderes, nämlich ein Synonym von Texttafeln oder Zwischentiteln. Diese werden im Stummfilm häufig genutzt, um situative Veränderungen des Ortes oder der Zeit zu kennzeichnen („Zehn Jahre später…“) oder Dialoge abzubilden. Sie können auch einen Kommentar der Erzählinstanz enthalten. Manchmal weisen sie stilisierte Textbausteine wie Zeitungsartikel, Romanauszüge, handschriftliche Briefe oder Gedichte auf, seltener indessen Liedtexte, damit das Publikum mitsingen kann.
Im Englischen heißen diese Inserts wiederum intertitle oder title card und, um die Verwirrung komplett zu machen, nannten die Zeitgenoss:innen der Stummfilmzeit sie in den USA häufig subtitles, was in der Tonfilmzeit wiederum Untertitel meint. Der vermutlich erste Film mit solchen Inserts ist die britische Produktion Our New General Servant von Robert William Paul aus dem Jahre 1898. Sowohl Inserts als auch Inserts werden in den 1900er-Jahren allmählich zur etablierten Norm.
Film als Kollektivgut
Lorenz Engell bemerkt im Jahre 1992 in seinem Buch Sinn und Industrie die Veränderung in der Organisation der Filmproduktion, die Ende des 19. Jahrhunderts bereits zaghaft anfängt, jedoch Ende der 1900er-Jahre als abgeschlossen gelten kann: „Zwischen 1905 und 1910 […] hatte sich die Organisation der Filmproduktion völlig verändert. […] Lumière, Méliès und die Schule von Brighton […] arbeiteten im Grunde mit handwerklichen Verfahren. Sie waren zugleich Drehbuchautoren, Regisseure, Produzenten und oft auch Kameraleute, Requisiteure und sogar Darsteller in einer Person. Arbeitsteilung war unbekannt; jeder mußte alles machen. […] Auch den Vertrieb der Filme übernahmen die Filmemacher selbst, d.h. den Verkauf der Kopien an die Schausteller. Manche […] übernahmen sogar noch selbst Filmvorführungen oder betrieben, wie Méliès, ein eigenes Filmtheater.
Im Zuge der Etablierung ortsfester Filmtheater und Ladenkinos ab 1905 steigt aber der Bedarf an immer neuen und vor allem immer längeren Filmen so stark an, daß die vergleichsweise unökonomische handwerkliche Produktionsweise, die Werkstattproduktion, den Bedarf nicht mehr decken kann. Zwischen 1905 und 1910 entsteht also die industrielle, arbeitsteilige und zunehmend kapitalisierte Form der Filmproduktion, wie wir sie heute kennen. Dieser Wandel vom Filmhandwerk weg zur Filmindustrie, von der Werkstatt zur Fabrik, findet zuerst in Frankreich statt“ (Engell 1992, 62).
Überlappender Schnitt
Bevor die gängigen Verfahren der Anschlussmontage und des alternierenden Schnitts etabliert sind, ist eine Zeit lang eine aus heutiger Sicht ungewöhnliche und äußerst kurzlebige Praxis zu beobachten, die als überlappender Schnitt bezeichnet wird und in späteren Jahren allenfalls in manchen Avantgarde- und Experimentalfilmen noch zum Einsatz kommt. Roberta Pearson bringt das folgendermaßen auf den Punkt: „Eine der seltsamsten Schnittmethoden, die in dieser Periode [1902/03–1907] benutzt wurde, war der überlappende Schnitt, der aus dem Wunsch der Filmemacher entstand, den profilmischen Raum zu erhalten und wichtige Ereignisse dadurch zu betonen, daß man sie zweimal zeigte“ (Pearson 1998, 20).