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So treu wie Troilus
ОглавлениеMitten im trojanischen Krieg verliebt sich der junge Trojaner Troilus in Kressida. Eigentlich stünde der Liebe der beiden nichts im Wege, denn Kressida ist ebenfalls Trojanerin. Doch ihr Vater, der Seher Calchas, ist zu den Griechen übergelaufen. Er veranlasst, dass seine Tochter gegen einen trojanischen Kriegsgefangenen ausgetauscht wird, sodass sie ihm ins Lager der Griechen nachfolgen kann. Der Austausch findet unmittelbar nach der ersten und einzigen Liebesnacht zwischen Troilus und Kressida statt. Troilus ist nicht nur extrem eifersüchtig auf den Griechen Diomedes, der Kressida überführt, sondern ist auch sehr überzeugt davon, dass sie ihm untreu werden wird – so sehr, dass man sich fragt, wie viel Anteil sein Misstrauen daran hat, dass Kressida ihm später tatsächlich untreu wird. Troilus ist schon vor der ersten Liebesnacht mit Kressida sehr mit der zukünftigen Entwicklung, mit seinen Erwartungen und wie sie sich wohl in der Realität erfüllen, beschäftigt.
TROILUS
Mir schwindelt; rings im Kreis dreht mich Erwartung.
Die Wonn’ in meiner Ahndung ist so süß,
Daß sie den Sinn verzückt. Wie wird mir sein,
Wenn nun der durst’ge Gaumen wirklich schmeckt
Der Liebe lautern Nektar? Tod, so fürcht’ ich,
Vernichtung, Ohnmacht, oder Lust zu sein,
Zu tief eindringend, zu entzückend süß
Für meinen gröb’ren Sinn Empfänglichkeit.
Dies fürcht’ ich sehr, und fürchte außerdem,
Daß im Genuß mir Unterscheidung schwindet,
Wie in der Schlacht, wenn Scharen, wild sich drängend,
Den fliehnden Feind bestürmen. [...]
TROILUS
Die Furcht macht Teufel aus Engeln; sie sieht nie richtig. [...] Das ist das Ungeheure in der Liebe, meine Teure, daß der Wille unendlich ist, und die Ausführung beschränkt; daß das Verlangen grenzenlos ist, und die Tat ein Sklav’ der Beschränkung.
KRESSIDA
Man sagt, jeder Liebehaber schwöre mehr zu vollbringen, als ihm möglich ist, und behalte dennoch Kräfte, die er nie in Anwendung bringt; er gelobe mehr als Zehn auszuführen, und bringe kaum den zehnten Teil von dem, was Einer vermöchte, zu Stande. Wer die Stimme eines Löwen, und das Tun eines Hasen hat, ist der nicht ein Ungeheuer?
TROILUS
Gibt es solche? Wir sind nicht von dieser Art. Lobt uns nach bestandener Prüfung und schätzt uns nach Taten: unser Haupt müsse unbedeckt bleiben, bis Ruhm es krönt. Keine Vollkommenheit, die noch erst erreicht werden soll, werde in der Gegenwart gepriesen: wir wollen das Verdienst nicht vor seiner Geburt taufen. Und ist es geboren, so soll seine Bezeichnung demütig sein. Wenig Worte, und feste Treue! Troilus wird für Kressida ein solcher sein, daß, was Bosheit ihm schlimmstes nachsagen mag, ein Spott über seine Treue sei; und was Wahrheit am wahrsten sprechen kann, nicht wahrer als Troilus. [...]
KRESSIDA
Sag ich zu viel, so spielt ihr den Tyrannen.
Ich lieb’ euch nun; doch nicht bis jetzt so viel,
Daß ich’s nicht zähmen kann – doch nein, ich lüge!
Mein Sehnen war, wie ein verzogenes Kind,
Der Mutter Zucht entwachsen. O wir Ärmsten!
Was plaudr’ ich da? Wer bleibt uns wohl getreu,
Wenn wir uns selbst so unverschwiegen sind?
So sehr ich liebte, warb ich nicht um euch,
Und doch fürwahr wünscht’ ich ein Mann zu sein,
Oder, daß wir der Männer Vorrecht hätten,
Zuerst zu sprechen. Liebster, heiß mich still sein!
Sonst im Entzücken red’ ich ganz gewiß,
Was mich dereinst gereut. O sieh, dein Schweigen
So schlau verstummend, lockt aus meiner Schwachheit
Die innersten Gedanken. Schließ den Mund mir! [...]
Vielleicht mein Prinz, zeig ich mehr List als Liebe,
Und sprach getrost ein frei Geständnis aus,
Mir euer Herz zu fang’n. Doch ihr seid weise,
Oder liebt nicht: denn weise sein und lieben
Vermag kein Mensch; nur Götter können’s üben.
TROILUS
O daß ich glaubt’, es könne je ein Weib
(Und wenn sie’s kann, glaub’ ich’s zuerst von euch)
Für ewig nähren Liebesflamm und Glut,
In Kraft und Tugend ihre Treu bewahren,
Die Schönheit überdauernd durch ein Herz,
Das frisch erblüht, ob auch das Blut uns altert! [...]
KRESSIDA
Den Wettkampf nehm ich an.
TROILUS
O hold’ Gefecht,
Wenn Recht um Sieg und Vorrang ficht mit Recht!
Treuliebende in Zukunft werden schwören,
Und ihre Treu mit Troilus versiegeln:
Und wenn dem Vers voll Schwür und schwülstigen Bildern
Ein Gleichnis fehlt, der oft gebrauchten müde,
Als – treu wie Stahl, wie Sonnenschein dem Tag,
Pflanzen dem Mond, das Täubchen seinem Täuber,
Dem Zentrum Erde, Eisen dem Magnet,
Dann, dann nach so viel Vergleichungen der Treu,
Wird als der Treue höchstes Musterbild
»So treu wie Troilus« den Vers noch krönen.
Und weihn das Lied.
KRESSIDA
Prophetisch sei dein Wort!
Werd ich dir falsch, untreu nur um ein Haar,
Wenn Zeit gealtert und sich selbst vergaß,
Wenn Regen Trojas Mauern aufgelöst,
Blindes Vergessen Städte eingeschlungen,
Und mächt’ge Reiche spurlos sind zermalmt
Ins staub’ge Nichts: auch dann noch mög’ Erinnerung,
Spricht man von falschen ungetreuen Mädchen,
Schmäh’n meine Falschheit: sagen sie, so falsch
Wie Luft, wie Wasser, Wind und lock’rer Sand,
Wie Fuchs dem Lamm, wie Wolf dem jungen Kalb,
Panther dem Reh, Stiefmutter ihrem Sohn,
Ja, schließ es dann, und treff’ ins Herz der Falschheit:
»So falsch wie Kressida!«
(III, 2)
Troilus erfährt von Kressidas Untreue, als er im griechischen Lager in Begleitung von Ulysses und dem Spötter Thersites beobachtet, wie Kressida sich mit Diomedes unterhält.
ULYSSES
Gleich freundlich sagt, mein Prinz, in welchem Ruf
Hielt Troja diese Schöne? Weint ihr dort
Kein Liebster nach? [...]
TROILUS
Sie liebt’ und ward geliebt, und wird’s noch heute,
Doch neid’schem Glück ward Liebe stets zur Beute.
(IV, 5)
KRESSIDA
Ach Troilus,
Noch blickt mein eines Auge nach dir hin,
Das andre wandte sich, so wie mein Sinn.
Wir armen Frau’n, wir dürfen’s nicht verhehlen,
Des Augs Verirrung lenkt zugleich die Seelen:
Was Irrtum führt, muß irr’n: so folgt denn, ach!
Vom Blick betört, verfällt die Seel’ in Schmach.
THERSITES
Das sind untrüglich folgerechte Sätze;
Noch richt’ger: meine Seele ward zur Metze.
ULYSSES
So wär’s denn aus!
TROILUS
Ja, aus!
ULYSSES
Wozu noch bleiben?
TROILUS
Um mir’s im Geist recht tief noch einzuprägen,
Silbe für Silbe, was ich hier gehört.
Doch sag ich, wie die beiden hier gehandelt,
Werd ich das Wahre kündend dann nicht lügen?
Denn immer noch wohnt mir ein Glaub’ im Herzen,
Ein Hoffen also fest und unverwüstlich,
Das leugnet, was mir Aug’ und Ohr bezeugt;
Als wenn die Sinne, uns zum Trug erschaffen,
Nur als Verleumder tätig hier gewirkt.
War’s Kressida? [...]
Um aller Frauen Ehre glaubt es nicht!
Denkt, daß wir Mütter hatten, gebt nicht Recht
Den rohen Läst’rern, die auch ohne Grund
Die Frau’n erniedern – jedes Weib zu messen
Nach Kressida; eher denkt, sie war es nicht! [...]
Hat Schönheit Seele, dann war sie es nicht. [...]
So war sie Kressida, und war es nicht! [...]
Ein Himmelsband schließt mich an Kressida;
Beweis, Beweis, fest wie der Himmel selbst;
Das Himmelsband ist mürb, erschlafft und los;
Ein andrer Knoten, den fünf Finger knüpfen,
Schlingt jetzt die Trümmer ihrer Lieb’ und Treu,
Den Abhub, Nachlaß, Rest und ekle Brocken
Der abgestand’nen Lieb um Diomed.
(V, 2)