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Einstimmung, Übereinstimmung und Wechselseitigkeit

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Dies ist der Trieb zum Mitgefühl und zur Nachahmung. O eine treffliche Einrichtung unserer geistigen Natur, die das erste Erziehungsgeschäft für wirklich gute Eltern so leicht, so simpel macht!

(Joachim Heinrich CampeCampe, Joachim Heinrich 1785)

Das Verständniß war da vor der Mittheilung.

(Hermann Steinthal 1881)

Menschliches Leben, auch schon tierisches, ist ausdrucksvoll: Es teilt sich mit. Der Urgrund allen Verstehens ist genetisch vorgegeben. Es sind Gefühle wie Freude, Wut und Ärger, Ekel und Abscheu, Traurigkeit, Angst, Überraschung und die damit verbundenen Ausdrucksbewegungen wie Lächeln oder Weinen. Wir haben sie mit allen Menschen gemeinsam, so auch die Mutter mit ihrem Kind: den Ausdruck der Augen, die Mimik der Brauen, der Lider, der Nase, des Mundes. Am Ausgangspunkt herrscht eine Art »prästabilierter Harmonie«. Bestimmte Sprechmelodien wie ein tröstender, beruhigender Ton sind für den Säugling keine Geräusche unter vielen anderen, sondern werden von Anfang an gefühlsmäßig richtig verstanden, brauchen also nicht erst erlernt werden.1 Ursprüngliches Sprechen heißt Übereinstimmen, nicht: Sich-Auseinandersetzen. Noch vor dem Verständnis der Laute und Worte versteht das Baby unmittelbar den emotionalen Grundton, vernimmt die liebevolle Zuwendung der Mutter im Zugesprochenen. Es ist die emotionale Aufladung der Wörter, die das Kind zuerst vernimmt und aufhorchen lässt.

So erlernen wir das Sprechen unter starker Beteiligung der Affekte. Die Mutter versucht nämlich, die »Seelensituationseelisches Einssein« (wie es MauthnerMauthner, Fritz so eindrucksvoll formulierte) für sich und ihr Kind gemeinschaftlich zu machen. Das Baby erfährt den liebevollen Zuspruch von jemandem, der zurück geliebt werden will. Die gemeinsame »Seelensituation« im BlickkontaktBlickkontakt, dreieiniger (referentieller) ist das erste Moment; gemeinsame Aufmerksamkeit das zweite. Der Mutter gelingt es, den flüchtigen Blick des Säuglings zu halten. Bei den RoutinenRoutinen des Wickelns, Waschens und Anziehens usw. merkt sie, wie sehr das Kind bei der Sache ist, und versucht, es bei der Stange zu halten, seinen Blick zu führen und Szenen der gemeinsamen Aufmerksamkeit zu gestalten. Wo schaut es hin? Ah, der Vorhang bauscht sich im Sommerwind. Es schaut nach oben: Na klar, die Sonne malt Muster vom bewegten Wasser der Badewanne an die Decke. Die Mutter spricht dabei und bereitet eine wesentliche Funktion des Sprechens vor: die Kunst der wechselseitigen Bewußtseinssteuerung, die Herstellung von Intersubjektivität. Lateinisch communicatio ist wörtlich das Gemeinsam-Machen des Neuen.

Alledem liegt die große NachahmungskunstNachahmung des Menschen zugrunde, die sich schon bei wenige Tage alten Babys zeigt. Sie können offenbar mimische Gesten wie einen O-Mund, einen E-Mund, A-Mund, Zunge-Herausstrecken, Augenblinzeln, Kopfbewegungen, Stirnrunzeln, Fingerbewegungen imitieren. Sie können also visuelle Muster in motorische überführen.2

Was kann sich daraus entwickeln? Beispiel: Die Mutter streckt dem Baby die Zunge heraus und wird nachgemacht. Daraus kann ein Spiel der Wechselseitigkeit entstehen. Unterbricht die Mutter das Spiel, kann das Kind die Initiative übernehmen. Es dirigiert auf diese Weise seine Mutter und freut sich über den Erfolg. Wenn also Eltern auf bestimmte kindliche Signale regelmäßig eine bestimmte Antwort geben, hat es das Kind in der Hand, diese Antwort auszulösen, indem es sein Signal gibt oder nicht: Es erfährt, wie man durch eigenes Handeln sein Gegenüber beeinflussen kann.

Nachahmen ist also ein Stück Kommunikation. Wir signalisieren:

 Ich bin aufmerksam.

 Ich achte auf das, was du tust.

 Ich zeige dir, wie ich dich verstanden habe.

Verstandenwerden ist gleich Angenommenwerden. Die Mutter spricht das Kind an. Das Kind brabbelt los. Die Mutter wertet dies als gültige Antwort. Somit reagiert das Baby »kontingent« – situations- und partnerbezogen, aber doch prinzipiell offen, so oder auch anders. Es plappert nicht mehr einfach drauflos, sondern lernt, auf das Gegenüber zu achten, und »spricht« sozusagen in die Pausen hinein. Zugleich meldet die Mutter dem Baby zurück, wie sie seinen Beitrag verstanden hat, etwa als lustig oder eher ungnädig. Es entsteht eine Wechselseitigkeit, ein Tausch der Gefühle, der signalisiert: Du bist wie ich, ich bin wie du. Das Kind lächelt und erwartet, daß du zurücklächelst. Es streckt die Zunge heraus und wartet darauf, daß du es ihm gleich tust. Du rollst ihm den Ball zu, den rollt es zurück. Später wird es sprechen und dir deine Wörter zurückrollen.

Babys lernen sprechen, indem sie bedingungslos vertrauen. Am Anfang unseres Lebens ist »liebende Kommunikation« (JaspersJaspers, Karl).

Wie Kinder sprechen lernen

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