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Ein Startvorteil mit Babyzeichensprache?

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»Soll ich ei machen?« Das Kind wird gestreichelt. Dann soll es selber streicheln: »Mach mal ›ei, Mama‹!« Laut und Geste werden konstant miteinander verbunden, Sprache und Aktion aufeinander abgestimmt. Babys achten auf unsere Mundbilder und versuchen, die wahrgenommenen Lippenbewegungen mit dem Gehörten abzugleichen. Damit schärfen sie das Hören und zugleich ihre eigene Artikulationen. Also machen wir weiter: »Hoppe, hoppe Reiter … Dann macht der Reiter plumps.« Auf »plumps« wird das auf den Knien der Eltern reitende Kindchen regelmäßig ein Stück fallengelassen. Es zieht sich bald in Erwartung des »plumps« schon selbst nach unten.

Das sind anfangs reine Dressurakte:

ei, ei

bitte, bitte / patsche, patsche

winke winke machen

pssst!

gib Händchen

Das Kind befolgt die Aufforderungen ebenso willig, wie es auf Fragen gestisch reagiert: Wie groß bist du? Wo ist die Nase? Wo ist der Mund? Hier eine Tagebuchnotiz der ScupinsScupin, Ernst und Gertrud:

Dem Kind wurde das bitte, bitte beigebracht; anfangs geschah diese Geste gänzlich bedeutungslos und war lediglich Nachahmung des vorgemachten Händeklatschens. Doch bald erlangte die Bewegung die Bedeutung von bitte, als nämlich jedesmal prompt die Belohnung in Form einer wohlschmeckenden Näscherei erfolgte. Jetzt ist das Kind schon so dressiert, dass es jedes Mal die Hände zusammenschlägt, wenn sich jemand nur dem Büfett nähert, aber es bittet auch, wenn es getragen sein will. Fünf Monate später – Bubi ist inzwischen eineinhalb – sagt er auch bitte.1

Zwei kalifornische Psychologinnen meinen, es lohne sich, gezielt über ausgeklügelte Gesten die Kommunikation mit den Kindern zu fördern. Die beiden entwickelten ein Repertoire von ca. 50 Zeichen, die sie mit Kindern ab 11 Monaten ausprobierten. Die »Zeichen-Kinder« lernten schneller sprechen und hatten einen größeren Wortschatz als eine Vergleichsgruppe, die nicht so betont und ausgiebig mit Gesten und Zeichen spielte. Noch als Achtjährige sollten die mit extra Gesten aufgewachsenen Kinder bei Intelligenztests besser abschneiden!2

Aber sind es wirklich spezielle Handzeichen, die den Spracherwerb angeblich vorantreiben, oder ist es nur das Mehr an Aufmerksamkeit der nach Anleitung gestikulierenden Mütter, worauf es hier ankommt? Die bisherigen Studien halten die Effekte nicht auseinander, und Skepsis ist angebracht bei dem Versuch, in extra eingerichteten Trainingsprogrammen zum BabysigningBabysigning sein Kind fit zu machen und auf die intellektuelle Überholspur zu stellen. Die tollen Befunde der Kalifornierinnen konnten nicht bestätigt werden.3

Brauchen denn hörende Kinder normierte Gebärden? Es tun auch die natürliche Gestik und die sich aus den jeweiligen Interaktionen familienintern entwickelnden Zeichen ihren Dienst. Treiben wir also mit den Kleinkindern allerhand gestischen Schabernack und lassen wir uns etwas mehr einfallen als üblich. Es macht doch Spaß, unser kommunikativ-spielerisches Repertoire ein wenig zu erweitern, z.B. bei »heiß« regelmäßig einen Pustemund zu machen, »nein, nein, nein« mit wedelndem Zeigefinger zu unterstützen, oder bei »psst« den Zeigefinger auf die Lippen zu legen.

Vergessen wir auch nicht die eigenen Traditionen aus der Kinderstube, die Sing- Tanz- und Fingerspiele unserer Großmütter:

Zehn kleine Zappelmänner….

Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen…

Insofern jedes einzelne Kind in seinem eigenen Lernduktus geachtet wird, mag die in extra Kursen mit anderen geteilte Situation und die Sonderportion an Aufmerksamkeit eine positive Erfahrung bleiben, doch Entwicklungsvorsprünge sind auf solche Art nicht zu erzwingen.


Olivia macht ihr Zeichen für bisou / Küsschen, das sie auf die Backe bekommt.

Wie Kinder sprechen lernen

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