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Ständiger Wechsel in der Regieführung

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Selbstthätigkeit – o merkt euch diese für die ganze Erziehung so überaus wichtige Wahrheit! – Selbstthätigkeit allein übt, stärkt und entwickelt die geistigen wie die körperlichen Kräfte des Kindes.

(Joachim Heinrich CampeCampe, Joachim Heinrich 1785)

Eine Spielsituation, die viele Mütter inszenieren, ist das Vorzeigen, das anschließende Verschwindenlassen: Ja, wo ist denn jetzt das Häschen? und Wiederhervorzaubern eines Gegenstandes. Das emphatische Da isses! wird vom Kind mit einem Jauchzer quittiert. Das Spiel ist beendet und kann von neuem anfangen. Im Laufe der Zeit ergeben sich charakteristische Veränderungen, die sich am Lernfortschritt des Kindes orientieren und schließlich in die Übergabe des Taktstocks an das Kind einmünden. Wieder wird die grundgescheite elterliche Pädagogik erkennbar.

BrunerBruner, Jerome S. hat detailgenau dokumentiert, wie Mütter ihren Kindern zunehmend mehr Spiel- und später Sprechanteile überlassen und bereit sind, die Dirigentenrolle an sie abzutreten.1 Er spricht vom hand-over-principlehand-over-principle. Etwa so:

 die Mutter führt ein Spielchen ein

 das Kind macht nach

 das Kind macht mit

 das Kind ergreift selbst die Initiative und führt Regie

Der Drang der Kinder zur Selbständigkeit, dem die Mütter so klug nachgeben, ist natürlich nicht auf das Sprechenlernen beschränkt. Ich erinnere mich, wie Gisa über eine Mauerkrone lief und irgendwann meine helfende Hand fortstieß: »Gis leine« (Gisa kann das alleine). Ebenso Bubi: Als die Mutter ihn füttern wollte, nahm er ihr den Löffel aus der Hand: »Nein, Bubi leine«, und versuchte wirklich leidlich geschickt, allein zu essen.2

Andere Kinder gebrauchen ähnliche Formeln:

Kann helber! (= selber)

Helber machen! Auch machen wollen!

Nein, ich!

Can manage!

Mareike (1;11) sagt in einem besonderen Tonfall Mama!, um auszudrücken: Laß das; ich mach das.3

Bubi (3;2):

Beim Blättern im Bilderbuch wünscht Bubi jetzt meistens ungestört zu sein und fragt nur noch selten nach der Bedeutung der Bilder; er legt sich ihren Sinn lieber selber aus, die Gestalten werden lebendig, er füttert die abgebildeten Tiere und unterhält sich drollig mit Personen und Tieren; dabei schlägt er zu unserem Ergötzen immer einen recht gönnerhaften Ton an.4

Wie eng gehen soziales und sprachliches Lernen zusammen! Bubi weiß, daß es ganz bei ihm liegt, ob oder wieviel er seine Tiere »füttert«, und er beherrscht auch schon den passenden »gönnerhaften« Ton.

Das Prinzip der RollenübergabeRollenübergabe, Prinzip der R. ist in der Pädagogik als das Prinzip des selbsttätigen, eigenverantwortlichen Lernens hinlänglich bekannt, verwandt auch mit dem Grundsatz des learning by doing. Von einem amerikanischen Sprachpädagogen stammt der Ratschlag: Teach, then test, then get out of the way. Zeig, wie’s geht; schau, ob du verstanden worden bist; danach nimm dich zurück. Ein Zyklus, der stets mit dem Rückzug des Lehrers endet. Dann heißt es: Now it’s up to you! – Du bist jetzt dran! Auf dich kommt’s jetzt an!

So kann die Schule der Natur manches abgucken. Jedenfalls ist jede Sprachlehrmethode auch daran zu messen, ob und wie sie diesen Rollenwechsel regelmäßig einplant und herbeiführt. »Übrigens ist mir alles verhaßt, was mich bloß belehrt, ohne meine Tätigkeit zu vermehren oder unmittelbar zu beleben«, bekannte GoetheGoethe, Johann Wolfgang von. Führen und Wachsenlassen gehören zusammen. So bekommen wir Kinder, die sich ihr Können selbst erschließen, sich aktiv Ziele setzen und später bereit und fähig sind, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Wie Kinder sprechen lernen

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