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26. März 1991
ОглавлениеTraf mich mit Jens-Uwe Heuer, Jahrgang 1927, Akademiemitglied, Jurist, jetzt Bundestagsabgeordneter der PDS. Wie in alten Zeiten war das Treffen am Ausgang des Bahnhofs Friedrichstraße verabredet worden. Heuer hat ein vorzügliches Buch über Demokratie geschrieben, das Ende 1989, also nach dem (bzw. mitten im) Umbruch, herausgekommen ist. Das Vorwort datiert vom Mai 89, und das Buch hatte seit 87 fertig beim Verlag gelegen. Es dokumentiert, dass in der Schlussphase der DDR ein ganz neuer Theorietyp herangereift war, der nach Übergang in die Praxis verlangte. Heuer ist ein Wissenschaftler, den es in die Politik verschlagen hat. Er arbeitet mit einem Kollegen an einem Buch über die letzte (freigewählte) Volkskammer. Er zeigt, wie strategisch verhindert worden ist, dass sich die DDR vor dem Anschluss noch als Rechtsstaat rekonstruieren konnte. Sie musste unterhalb der Ebene juristischer Normalität bleiben, um als Konkursmasse behandelt werden zu können. Aufgrund veralteter Unterlagen mache ich einen peinlichen Fehler: gewinne Heuer für den Wörterbuchartikel »Demokratie«, erst später merkend, dass dieser nicht nur vergeben, sondern sogar schon geschrieben ist.
Die Krise zwingt die Regierung zu einem Strategiewechsel, ja sogar teilweise zu einem ideologischen Paradigmenwechsel. Dies ist der Moment der Opposition.