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1.6 Mathematik zur Bildung und Unterhaltung

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Alle Hochkulturen waren nicht nur Handelszentren, sondern auch Zentren des Wissens. Mit zunehmender Etablierung des Ausbildungsbetriebes verfeinerten sich die Lehrmethoden, wie man das im Schulbetrieb zu allen Zeiten bis heute beobachten kann. Der Lehrstoff wurde, ausgehend von der Weitergabe unmittelbar anwendungsbezogenen und für die direkte Anwendung vorgesehenen praktischen Wissens um eine Allgemeinbildung ergänzt, die die Schüler befähigen sollte, gegenwärtige und besonders zukünftige Aufgaben innovativ zu bewältigen.

Mathematik ist ein unverzichtbarer Teil des Fundaments jeder wirklichen Bildung. In einem sumerischen Lehrgedicht aus der Zeit um 2000 v. Chr. heißt es über den Lehrer:

„Du lässt Weisheit über ihn [den Schüler] kommen, lehrst ihn die Feinheiten der Tafelschreibkunst, der Rechentafeln, des Rechnens und Abrechnens Lösungen erklärst du ihm, der Divisionen (?) verschleierte Fragen lässt du ihm aufgehen.“ [Falkenstein, S. 129]

Aber wie ein Fundament allein noch kein vollkommenes Gebäude ausmacht, so musste die Mathematik eingebettet werden in ein umfassendes Bildungskonzept. Falkenstein betont [Ebd. S. 132]:

„Die Schule hat sich keineswegs damit begnügt, dem ‚Sohn des Tafelhauses’ diejenigen Kenntnisse zu vermitteln, die ihm etwa die Aufzeichnungen der üblichen wirtschaftlichen Transaktionen, der amtlichen Buchführung und der einfachen Korrespondenz ermöglichten. Sie ist keine Fachschule mit einem engbegrenzten Ausbildungsstoff; vielmehr gibt sie dem Schüler das gesamte Gut der geistigen Überlieferung an die Hand.“

Nach Hoyrup entwickelten die altbabylonischen Schreiber

„eine Ideologie des Schreiberhumanismus, dessen Bildungsideal nebst genauen Kenntnissen der toten sumerischen Sprache und vielem anderem über das berufsmäßig Notwendige hinaus auch gute Kenntnisse der Mathematik forderte.“ [in Scholz, S. 16]

Lehrer haben immer das Bestreben gehabt, ihren Stoff unterhaltsam aufzubereiten, um die Arbeit für sich und ihre Schüler angenehmer und am Ende effektiver zu gestalten. Beispiele dafür sind Zahlenrätsel, die bis in die heutige Zeit verbreitet und beliebt sind. Aber auch „ernstere“ Beispiele mit einem möglicherweise höheren Lerneffekt, wie etwa die Nummer 79 im Papyrus Rhind, dessen Verbreitung über Jahrtausende im gesamten Abendland davon Zeugnis gibt, dass Unterhaltungsmathematik keineswegs purer Zeitvertreib ist, sondern ein beliebter, vor allem aber wichtiger Teil des Schulunterrichtes. Die Aufgabe lautet sinngemäß (vgl. S. 56):

„In 7 Häusern sind je 7 Katzen, jede frisst 7 Mäuse, von denen jede 7 Ähren gefressen hat, jede Ähre gibt 7 Scheffel Korn. Wie lautet die Summe von allem?“

Ähnlich aus dem alten China die Aufgabe 14 in Buch VI der „Neun Bücher“:

„Jetzt war ein Hase zuerst 100 Schritt gelaufen. Ein Hund verfolgte ihn auf 250 Schritt. Er erreichte ihn nicht um 30 Schritt und blieb stehen. Frage: Wie viel hätte der Hund, wenn er nicht stehengeblieben wäre, weiter laufen müssen, um ihn zu erreichen?“

Ein durch alle Zeiten beliebtes mathematisches „Spiel“ ist die Herstellung von magischen Quadraten, einem schachbrettartigen Feld mit n mal n Feldern, in die die Zahlen von 1 bis n2 so einzutragen sind, dass alle Spalten- und Zeilensummen und die Summen der beiden Diagonalen gleich sind. Das älteste Exemplar scheint aus China zu stammen, es ist das einzig mögliche magische Quadrat mit 3 mal 3 Feldern, es hat die „magische Summe“ 15 (s. Abb. 5). Es ranken sich manche Legenden um dieses, Lo Shu genannte Quadrat, die bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurückweisen und mit religiösen, auch magischen Vorstellungen verbunden sind. Die ältesten bildlichen Darstellungen sind wohl „nur“ auf einige Jahrhunderte v. Chr. zu datieren. Jedenfalls soll es sich um das älteste mathematische Zeugnis Chinas handeln.


Abb. 5: Das Lo-Shu-Diagramm (nach [Gericke 1984, S. 170]).

Die Inder liebten es, ihre Aufgaben in Versen abzufassen. So lautete zum Beispiel eine Aufgabe, die wir durch die Gleichung 1/5x + 1/3x + 3(1/3 – 1/5)x + 1 = x ausdrücken würden, in der poetischen Sprache der Inder:

„Von einem Schwarm Bienen lässt 1/5 sich auf einer Kandamblüte, 1/3 auf der Silindhablume nieder. Der dreifache Unterschied der beiden Zahlen flog nach den Blüten eines Kutaja, eine Biene blieb übrig, welche in der Luft hin und her schwebte, gleichzeitig angezogen durch den lieblichen Duft der Jasmine und eines Pandamus. Sage mir, reizendes Weib, die Anzahl der Bienen.“

In die gleiche Kategorie fällt eine Sammlung von 45 Aufgaben, die ganz überwiegend der griechischen Antike entstammt; wir kommen darauf in Abschnitt 7.6 zurück.

Die Mathematik im Altertum

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