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§ 68 StGB: Voraussetzungen der Führungsaufsicht
Оглавление(1) Hat jemand wegen einer Straftat, bei der das Gesetz Führungsaufsicht besonders vorsieht, zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verwirkt, so kann das Gericht neben der Strafe Führungsaufsicht anordnen, wenn die Gefahr besteht, daß er weitere Straftaten begehen wird.
(2) Die Vorschriften über die Führungsaufsicht kraft Gesetzes (§§ 67b, 67c, 67d Abs. 2 bis 6 und § 68f) bleiben unberührt.
Voraussetzung für eine Führungsaufsicht ist die Gefahr, dass der*die Straftäter*in weitere Straftaten begehen wird (§ 68 Abs. 1 StGB). Im Gegensatz zur Bedingung für die Aussetzung einer Strafe zur Bewährung geht der Gesetzgeber bei Verhängung der Führungsaufsicht also von einer ungünstigen Sozialprognose aus. Eine Führungsaufsicht wir insbesondere angeordnet
• bei Vollverbüßung einer Haftstrafe von mindestens zwei Jahren (§ 68f StGB),
• bei Entlassenen aus der Sicherungsverwahrung (§ 67d Abs. 3 StGB),
• bei Beendigung der Maßregel wegen Ablauf der Höchstfrist (§ 67d Abs. 4 StGB).
Gemäß § 68a Abs. 1 StGB wird der verurteilten Person für die Dauer der Führungsaufsicht vom Gericht nicht nur ein*e Bewährungshelfer*in bestellt, sondern sie untersteht auch einer Aufsichtsstelle. Der*Die Bewährungshelfer*in und die Aufsichtsstelle stehen »im Einvernehmen miteinander der verurteilten Person helfend und betreuend zur Seite« (§ 68a Abs. 2 StGB; Herv. nicht i. O.). Zudem überwacht die Aufsichtsstelle »im Einvernehmen mit dem Gericht und mit Unterstützung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers das Verhalten der verurteilten Person und die Erfüllung der Weisungen« (§ 68a Abs. 3 StGB).
Die Führungsaussicht soll also entsprechenden Straftäter*innen
»vor allem nach Verbüßung der Strafhaft oder dem Ende einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sowie einer Entziehungsanstalt auch eine Unterstützung für den Übergang in die Freiheit geben. Damit soll sie nicht nur einen Beitrag zur Resozialisierung leisten, sondern auch mit erweiterten Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten Straftaten verhindern, relevante negative Sozialentwicklungen rechtzeitig feststellen und erforderliche Maßnahmen ergreifen« (Kawamura-Reindl & Scheider 2015, 176).
Dabei wird – wie bereits im Kontext der Bewährungshilfe – das Spannungsverhältnis von Hilfe und Kontrolle deutlich. Analog zur Bewährungshilfe kann das Gericht der verurteilten Person Weisungen erteilen (§ 68b StGB), wobei diese bei den unter Führungsaussicht stehenden Proband*innen aufgrund der negativen Sozialprognose zum Teil einschneidender ausfallen bzw. einen erweiterten Kontroll- und Überwachungscharakter haben (vgl. Kawamura-Reindl & Scheider 2015, 176). Solche Weisungen können für eine verurteilte Person u. a. sein:
• den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle zu verlassen (§ 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB),
• sich nicht an bestimmten Orten aufzuhalten, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können (§ 68b Abs. 1 Nr. 2 StGB),
• zu der verletzten Person oder bestimmten Personen oder Personen einer bestimmten Gruppe, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten können, keinen Kontakt aufzunehmen, mit ihnen nicht zu verkehren, sie nicht zu beschäftigen, auszubilden oder zu beherbergen (§ 68b Abs. 1 Nr. 3 StGB),
• sich zu bestimmten Zeiten bei der Aufsichtsstelle, einer bestimmten Dienststelle oder der Bewährungshelferin oder dem Bewährungshelfer zu melden (§ 68b Abs. 1 Nr. 7 StGB).
• keine alkoholischen Getränke oder andere berauschende Mittel zu sich zu nehmen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird, und sich Alkohol- oder Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind (§ 68b Abs. 1 Nr.10 StGB).
Darüber hinaus kann das Gericht den*die Proband*in anweisen, sich zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Abständen bei einer*einem Ärztin*Arzt, einem*einer Psychotherapeut*in oder einer forensischen Ambulanz vorzustellen (§ 68b Abs. 1 Nr. 11 StGB).
Einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte stellt die Weisung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung dar (auch unter den Begriffen »elektronische Fußfessel«, »elektronisch überwachter Hausarrest« diskutiert; vgl. Kawamura-Reindl & Schneider 2015, 332), bei der die jeweiligen Proband*innen die für eine elektronische Überwachung ihres Aufenthaltsortes erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen haben (§ 68b Abs. 1 Nr. 12 StGB). Die elektronische Überwachung im Rahmen der Führungsaufsicht ist gemäß § 68b Abs. 1 Satz 3 StGB jedoch nur möglich, wenn
»1. die Führungsaufsicht auf Grund der vollständigen Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren oder auf Grund einer erledigten Maßregel eingetreten ist,
2. die Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe oder die Unterbringung wegen einer oder mehrerer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art verhängt oder angeordnet wurde,
3. die Gefahr besteht, dass die verurteilte Person weitere Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art begehen wird, und
4. die Weisung erforderlich erscheint, um die verurteilte Person durch die Möglichkeit der Datenverwendung nach § 463a Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, insbesondere durch die Überwachung der Erfüllung einer nach Satz 1 Nummer 1 oder 2 auferlegten Weisung, von der Begehung weiterer Straftaten der in § 66 Absatz 3 Satz 1 genannten Art abzuhalten.«
Für die elektronische Aufenthaltsüberwachung
»kommen vor allem verurteilte Sexual- und Gewaltstraftäter in Betracht, die von Orten ferngehalten werden sollen, an denen sich Kinder oder Tatopfer aufhalten. Obwohl es sich um eine begrenzte Zahl angeordneter elektronischer Überwachungsmaßnahmen handelt (seit 2014 etwas über 70 ständig Überwachte), bedeutet die Anordnung der Weisung eine neue Qualität der Eingriffsintensität« (Grosser 2018b, 220f.).
Hinzuweisen ist noch auf ein besonders ›scharfes Schwert‹ der Führungsaufsicht. Es ist verankert im § 145a StGB, wo es heißt:
»Wer während der Führungsaufsicht gegen eine bestimmte Weisung der in § 68b Absatz 1 bezeichneten Art verstößt und dadurch den Zweck der Maßregel gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Die Tat wird nur auf Antrag der Aufsichtsstelle verfolgt.«
Als Teil der Führungsaufsichtsstelle haben Sozialarbeiter*innen die Pflicht zur Berichterstattung und auch die Möglichkeit, bei Weisungsverstößen (was wohlgemerkt keine neue Straftat beinhalten muss) eine Haftstrafe zu beantragen.
Der gesetzliche Rahmen für Bewährungshilfe und Führungsaufsicht lässt sich demnach so zusammenfassen:
Die beiden ambulanten Sozialen Dienste der Justiz sind im Auftrag des Gerichts einer verurteilten Person zugeordnet, um dieser einerseits bei einer straffreien Lebensführung zu helfen, sie andererseits aber auch zu überwachen, um mögliche Rückfallrisiken zu erkennen.