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Japan


Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

Der rotwangige Schwarzbär Kumamon ist das populärste Maskottchen des Landes und durfte sogar vor dem Kaiserpaar tanzen. Der Rummel um die niedlichen yuru-kyara (entspannte Figuren) im Comic-Stil kennt kaum Grenzen. Firmen, Behörden und Regionen ringen mit den bunten Figuren um Aufmerksamkeit.

Fläche: 377.930 Quadratkilometer, so groß wie Deutschland und Slowenien zusammen
Einwohner: 126.045.000, eineinhalb Mal soviel wie Deutschland

Bei Oes

Japan ist ein wunderbares Land mit wundervollen Menschen. Zwei durfte ich kennen und schätzen lernen. Zum Abschied schenkte mir das Ehepaar Oe einen selbst gefalteten Papierkranich und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Hiroshima loves peace“. Drei Tage lang war ich ihr Gast. Ich habe das moderne Tokio gesehen und das alte Kyoto, Hightech und Teezeremonie, Geishas und Karaoke … – interessant, fremd, schön. Vor allem in Erinnerung geblieben sind mir aber die Oes und ihr Hiroshima. In einen japanischen Privathaushalt eingeladen zu sein, habe ich als intimeres Miteinander erlebt als irgendwo anders. Alles war so ordentlich, so putzig, so lieb. Alles sollte perfekt sein und war es auch.

Kenzaburo Oe, der japanische Literatur-Nobelpreisträger, oft als Gewissen der Nation bezeichnet und (nur) Namensvetter meiner Gastgeber, hat diese japanische Eigenheit, alles so gut, so schön, so perfekt wie möglich zu machen, in Beziehung zu den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki gestellt. In seinem Buch „Hiroshima notes“ schreibt er: Von der ersten Minute nach dem Atom-Blitz an haben die noch mit dem Leben davon Gekommenen daran gearbeitet „diese Hölle wieder so menschenfreundlich wie sie nur können zu machen“. Sie haben die Toten begraben, den Todkranken ein würdiges Sterben ermöglicht, die Verwundeten gepflegt, die Brände gelöscht, den Schutt weggeräumt … Oe sagt, das haben die Menschen von Hiroshima zuerst für sich selbst gemacht. Gleichzeitig haben sie „aber damit auch die Belastung für die Gewissen derer erleichtert, die die Atombombe geworfen haben“. Oe ist überzeugt: Die Menschen von Hiroshima haben in die Hölle eine Ausgangstür gebaut.

Ich durfte in Hiroshima eine Überlebende treffen. Als die Bombe detonierte, war sie 15 Jahre alt. Der Lichtstrahl sei im ersten Moment schön gewesen, sagte sie. Erst dann tat sich der Blick in die Hölle auf: Die Gesichter der Menschen sind geschwollen und es war nichts Menschliches mehr an ihnen zu erkennen. Ihre Mutter beugte sich schützend über sie. Als sie nach zwanzig Jahren Leiden an den Folgen dieses Tages starb, hörte die Tochter die Glasscherben, die ihre Mutter abgefangen hatte, in der Urne scheppern – und beschloss, als Überlebende vor Besuchern Zeugnis zu geben.


Origami Kranich

Dann stand ich mit „meinen“ Oes im Museum vor einem steinernen Hauseingang, auf dem noch der Schatten eines Menschen zu erkennen war. Der saß dort am Morgen des 6. August 1945, bis ihn die Bombe auslöschte. Dieser Schatten symbolisiert für mich die schiere Gewalt von Atombomben. Und deswegen habe ich es im ersten Moment hilflos, sinnlos, lächerlich empfunden, dass man in Hiroshima mit Origami-Papierkranichen, auch wenn es Zigtausende sind und es immer mehr werden, gegen eine derartige Macht anzukämpfen versucht. Mittlerweile denke ich anders. Das verdanke ich meinen Oes in Hiroshima, die mir drei Tage lang gezeigt haben, was der Dichter so beschreibt: „Weich ist stärker als hart. Wasser ist stärker als Fels. Liebe ist stärker als Gewalt.“


Friedenspark und Gedenkstätte in Hiroshima

360° um die Welt

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