Читать книгу COLLEGIUM. - Wolfgang Priedl - Страница 12

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Lucas saß auf seinem Sitzplatz, vertieft in die Bordbroschüre. Er zog seine Mundwinkel nach oben, als er seinen Chef auf sich zu humpeln sah.

»Se … Servus. Darf ich dir helfen«, grüßte Perez stotternd, sprang auf, schnappte sich Peters Koffer und wuchtete ihn in die Ablage. »Wo willst du sitzen?«

»Ich setze mich in die Mitte. Sei nett und hilf Sarah.«

Holzinger ließ sich stöhnend wie ein Greis auf den mittleren Sitzplatz fallen.

Noch bevor der Flieger zur Startbahn rollte, waren sie in ihren Small Talk vertieft.

Lucas erzählte, dass er in nur drei Stunden seine Habseligkeiten in sechs Kartons verpackt hatte. Am schwierigsten gestaltete sich das Verstauen seines geliebten Computers. Die Spedition markierte diese Kiste mit einem roten Verpackungsband, auf dem das Wort ›FRAGILE‹ und ein Trinkglas aufgedruckt waren.

Lucas ergänzte mit einem dicken Filzstift: ›VORSICHT: MEIN LEBEN!‹

»Übrigens, ich habe vorhin mit Richard Tomacic telefoniert. Sein Obergeschoss steht nach wie vor leer. Wenn du willst, kannst du bei ihm einziehen.«

»Da … Das ist ein tolles Angebot.«

»Er lässt dir jedoch ausrichten, dass er über keinen Glasfaseranschluss für das Internet verfügt.«

»Strea … Streaming ist zwar nicht meine Welt, aber für Suchläufe in umfangreichen Datenbanken könnte es ebenfalls zu wenig sein – Schick mir bitte seine Nummer.«

Die Triebwerke heulten auf. Die Beschleunigung des Flugzeuges drückte sie in die Sitze. Bei 280 km/h hob der Flieger ab und zog polternd das Fahrwerk ein.

»Lucas, hör zu, ich informiere dich kurz über unseren ersten Auftrag.« Peter holte tief Luft. »Am kommenden Wochenende veranstaltet der Economy-Club einen Kongress in Laxenburg bei Wien. Wir sind mit der Personenschutzabteilung für die Sicherheit der Besucher verantwortlich. Prinzipiell ein Routinejob …«

»E … Economy-Club?«

»Der EC ist ein Verband von Wirtschaftsbossen aus der ganzen Welt. Von Wirtschaftsprognosen über Trendforschung bis hin zu Netzwerkbildung.«

»Ve … Verstehe.«

Peter blätterte in den Unterlagen. »Aber: Vor einem halben Jahr verschwand im Mittelmeer ein Vorstandsmitglied des Clubs bei einem Segeltörn. Seine verlassene Jacht fand man unversehrt zwischen Korsika und Mallorca im Meer treibend. Ihn hat man bis heute nicht gefunden. – Vor zwei Monaten kam ein weiterer in Deutschland bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der Wagen hat sich bei hohem Tempo auf der Autobahn aus unerfindlichen Gründen überschlagen. Nachdem beide diesem ›Economy-Club‹ angehörten und sich die mysteriösen Unfälle in zwei verschiedenen Ländern der Europäischen Union ereignet haben, ist der Fall bei der Europol gelandet. Sonst ergaben sich keine Gemeinsamkeiten, aus denen sich eine brauchbare Theorie ableiten ließe …«

Holzinger schloss die Luftdüse, die ihm ins Gesicht blies.

»… Jetzt kommt`s: Deine Aufgabe ist es, die Teilnehmer zu durchleuchten. Vielleicht finden wir neue Anhaltspunkte. Wenn nicht, gehen die Fälle zurück an die örtlichen Behörden. Schau dir die Lebensumstände der Mitglieder an. Inoffiziell vermutet man, dass es sich bei beiden Unfällen um keine Zufälle handelt. Ich nehme an, dass du nichts Neues entdecken wirst, aber man weiß nie ...«

Lucas hatte aufmerksam zugehört, kratzte sich am Bart, lüftete seine New-York-Yankee-Kappe und zog sie tiefer in die Stirn. Tausend Fragen lagen ihm auf der Zunge.

»Du ... Du sprichst von einem Routinejob. Wie kreativ darf ich meine Recherche anlegen?«

Holzinger erahnte sofort den Hintergedanken des IT-Spezialisten. »Routinejob! – Halte dich an die gesetzlichen Vorgaben. Kein Hacken!«, erstickte er mit harschem Unterton Lucas' aufkeimende Einwände. »Lass die Kirche im Dorf. Analysiere die Akten, aber handle keinesfalls eigenmächtig. Haben wir uns verstanden?«

»Vo … Von wem bekomme ich die gesammelten Unterlagen? Und vor allem: Auf welche Datenbanken werde ich autorisierten Zugriff haben?«, lotete er indigniert die Grenzen aus. »Nur auf die der Behörden oder auch auf die der Unternehmen?«

»Ein Großteil der Protokolle liegt bereits auf dem Server in Wien.« Peter kratzte sich an seinem Bart. »Die Freigaben erhältst du morgen in der Früh. Man hat mir versprochen, dass wir uneingeschränkten Zugriff auf alle relevanten Daten haben. Von den Firmen haben wir keine Erlaubnis, unser Material mit dem ihren zu vergleichen. Ich benötige deinen Bericht sobald wie möglich.«

»O … Okay, Chef.« Lucas schüttelte den Kopf und schob die Nickelbrille zur Nasenwurzel hinauf. »Habe kapiert – Nachtarbeit.« Die Enttäuschung war ihm ins Gesicht geschrieben.

»Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: Morgen um zehn Uhr ist das Meeting mit dem Vorstand des Clubs angesetzt: Voss, Morrison und Costa. Seid bitte pünktlich ...« Peter beugte sich vor und massierte sein Knie. Er verzog sein Gesicht. Mit beiden Händen hob er seinen Oberschenkel an, um den Kniewinkel zu verringern.

»Schmerzen?«, erkundigte sich Sarah.

»Es geht …« Holzinger atmete tief ein. »… Wenn ich das Bein längere Zeit nicht bewege, dann pocht es unaufhörlich. Das nervt.«

»Was sagt dein Physiotherapeut?«

»Der ist zufrieden«, presste Peter mit leidender Stimme hervor. »Er meint, meine Fortschritte sind größer als bei manch anderen mit der gleichen Verletzung. Die Chance lebt, dass ich das Knie bald wieder vollends abbiegen kann. Bis dahin wird mich der Gehstock begleiten.«

Mutes sah ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen von der Seite an und klopfte ihm fürsorglich auf den Oberschenkel.

»Wie ich dich kenne, wirst du den Stock bald nicht mehr benötigen.«

»Ich arbeite daran. Wie erwähnt, alles wird besser – im Anschluss an die OP.«

Sarah wechselte das Thema und erkundigte sich, wie sich ihr Chef den genauen Zeitplan für die nächsten Tage vorstellte.

»Keine Sorge, die Konferenz findet am Donnerstag und Freitag statt.« Peter lächelte. »Die Chancen stehen gut, dass du das komplette Weekend mit deiner Familie verbringen wirst.« Er hatte die Hintergedanken seiner Mitarbeiterin erraten und tätschelte ihre Hand.

»Klingt gut …« Sie wandte sich nickend dem Fenster zu.

Fasziniert verfolgte sie die bizarre Jagd der Nebelschwaden, die mit enormer Geschwindigkeit über die beleuchtete Tragfläche hinwegschossen. Die unentwegten Turbulenzen versetzten dem Flugzeug harte Stöße. Der Flug glich einer Busfahrt entlang desolater Gemeindestraßen.

Der Gong riss sie aus den Gedanken. Der Kapitän teilte seinen Passagieren mit, dass sie soeben Linz überflogen haben.

»… wir landen planmäßig in 25 Minuten. Das Wetter in Wien: Die Außentemperatur beträgt minus 1°, es ist bedeckt mit leichtem Schneegriesel«, tönte es aus den Lautsprechern.

»Gut, dass du unsere Flüge umbuchen konntest. Jetzt sind wir vier Stunden früher als geplant in Wien«, bemerkte Sarah rhetorisch und starrte weiter in die Dunkelheit hinaus.

COLLEGIUM.

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