Читать книгу COLLEGIUM. - Wolfgang Priedl - Страница 7
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ОглавлениеAls wollte er sich eine Rüstung anlegen, schlüpfte er in sein Sakko und überkreuzte die Arme vor der Brust.
Wutschnaubend stieß sie die Schlafzimmertür auf.
»Ich habe endlich den Beweis!«, schrie sie und hob provozierend das Kinn in seine Richtung.
»Guten Morgen, geliebte Gemahlin …«, begrüßte er seine Frau süffisant. »Sind wir schon so weit, dass wir uns nicht einmal mehr grüßen?«
»Deine Grüße kannst du dir in den Arsch schieben!«, schnaubte sie. »Endlich habe ich den Beweis!«
Sie wedelte mit einem Stück Papier über ihrem Kopf; ein Parkticket zwischen die Finger geklemmt, ihren Arm bedrohlich erhoben.
Angriffslustig.
Mit schmalen Lippen stapfte sie auf ihn zu und fuchtelte mit der Karte unter seiner Nase.
Klug nahm deutlich den leisen Luftzug wahr. Er trat instinktiv einen Schritt zurück. Ihm fehlte plötzlich die nötige Distanz zu der tobenden Furie.
»Ich sage nur ›Bergic OHG‹! Klingelt es?«
»Sagt mir nichts«, erwiderte er beherrscht und hielt ihrem eiskalten Blick stand.
»Feige Drecksau«, spie sie ihm entgegen.
»Mathilde! …« Klug schüttelte abschätzig den Kopf. »… Wer oder was ist Bergic? … Ein Parkticket?«
»Blöd stellen – das kannst du. Vollidiot! Hältst du mich für so vertrottelt? – Bergic ist ein Puff, solltest du es vergessen haben!«
Klugs funkelnde Blicke trafen Mathilde.
»Woher willst du wissen, dass ich im Puff war? Du hältst eine Parkkarte in den Fingern – und kein Foto.«
»Ich brauche kein Foto.« Sie stampfte hart mit dem Fuß auf.
»Deine Amex-Abrechnung genügt. Und diese Quittung hier …« Sie wedelt erneut energisch mit dem Schein vor seiner Nase. »… ist der Beweis, dass du stundenlang vor dem Puff geparkt hast. War sicherlich eine gewaltige Orgie. 4821 Euro! Du verficktes Dreckschwein!«
»Du öffnest meine Post?« Klug zog die Oberlippe nach oben.
»Bei einem Menschen wie dir bleibt einem nichts anderes übrig! – Du zwingst einen dazu!« Sie schnappte nach Luft. »Du wärst heute ein Niemand, ein Nichts, hätte ich nicht ein Vermögen in unsere Ehe gebracht …«
»… und ich habe es verzehnfacht«, schnitt er ihr barsch das Wort ab. »Dir wäre es innerhalb kürzester Zeit zwischen den Fingern zerronnen. – Und zu deiner Information: Das war geschäftlich. Ein Barbesuch mit unseren chinesischen Investoren.«
»Dass ich nicht lache. Einen Barbesuch nennst du das?! Du warst in einem Puff! Ihr habt die Puppen tanzen lassen und herumgefickt.« Erneut hämmerte Mathilde den Absatz ihrer High-Heel-Sandaletten in den Holzboden und hinterließ tiefe Abdrücke. Mit jedem Tritt lockerte sich ihr Gürtel ein Stück mehr. Die Schöße ihres Bademantels klafften einen Spalt breit auf.
Ungewollt erhaschte Klug einen Blick auf ihre nackte Brust. Er verdrehte die Augen.
»Vielleicht graust es dir vor mir! Du bist das Allerletzte«, spuckte sie Gift und Galle, schloss den Mantel und fixierte ihn mit dem Gürtel. »Hau ab zu deinem französischen Flittchen …«
In ihren Mundwinkel sammelte sich Schaum, wie bei einem tollwütigen Köter. Sie trommelte mit den Fäusten gegen seinen Brustkorb, ihre Miene zu einer Fratze verzogen. Ihre Finger krallten sich in das Revers seines Sakkos. Sie beutelte ihn mit aller Kraft.
Angeekelt wandte Klug sein Gesicht zur Seite. Er legte seine Hände mit eisernem Griff um ihre Handgelenke, drehte die Arme unsanft nach außen und stieß sie von sich.
Sie wollte sich erneut auf ihn stürzen, als er einen Schlag andeutete.
Mathilde hielt inne und zischte: »Das wagst du nie, du feige Drecksau!«
Abscheu hatte sich in ihm breitgemacht. Die Grenzen der Contenance waren überschritten. Er wollte keine Sekunde länger in einem Raum verweilen, mit einem Menschen, der sich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Flucht erschien ihm als die einzige brauchbare Lösung.
Doch Mathilde versperrte ihm den Weg.
Er zögerte nicht, packte sie am Oberarm, um sie zur Seite zu schieben.
Reflexartig griff sie nach seinem Revers und zerrte ihn zurück. Mit einem harten Schlag befreite er sich von ihren Händen am Sakkoaufschlag.
»Der feine Gockel wird handgreiflich«, fauchte sie ihn mit blau verfärbten Lippen an. »Das ist dein Ding. Auf Wehrlose einschlagen, das kannst du!«
»Du weißt nicht, wie es ist, wenn ich richtig zuschlage«, drohte er ihr mit einem Anflug von einem Lächeln.
»Dann schlag doch richtig zu, du feige Sau«, stichelte sie weiter und streckte ihm auffordernd die Wange entgegen.
Klugs Lider zuckten.
Im nächsten Augenblick schnellte seine flache Hand vor, wie eine Viper, die ihren tödlichen Biss setzt, und traf ihre Wange mit voller Wucht.
Sie strauchelte, stolperte durch das Zimmer, verlor eine Sandalette und stürzte auf die harten Dielen. Mit schmerzverzerrter Miene kam sie vor der Schlafzimmertür zu liegen.
»Jetzt mach ich dich endgültig fertig«, zischte sie ihm kaum vernehmlich entgegen. Mit angezogenen Knien krümmte sie sich am Boden und massierte ihren dröhnenden Schädel.
Unbeholfen richtete sie sich auf. Ein Blutstropfen aus ihrer Nase heftete sich an die Oberlippe. Sie leckte ihn ab und betastete ihren Nasenrücken. Das Rot auf ihren Fingern ließ sie ihren Mann anstarren, als könnte sie ihn mit ihren Blicken in die Knie zwingen. Purer Hass drückte ihre Augen weit aus den Höhlen.
»Du hast soeben dein Todesurteil unterschrieben. Ich bring dich um! Das schwör ich dir«, presste sie hinter der vorgehaltenen Hand hervor. »Verschwinde aus meinem Leben!«, kreischte sie hysterisch, rappelte sich auf und warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der keiner weiteren Erklärung bedurfte.
Sie angelte sich ihren Schuh, knallte die Tür zu und humpelte auf einer Sandalette die Wendeltreppe hinunter.
Gerhard Klug stand mit offenem Mund da und starrte auf die Tür. Erschrocken über sich selbst. Noch nie in seinem Leben hatte er die Hand gegen eine Frau erhoben, geschweige denn geschlagen. Die drückende Stille, die ihn umgab, wurde nur durch Mathildes fernes, unrhythmisches Humpeln auf der Metalltreppe unterbrochen. Er schüttelte vor Grauen den Kopf.
Langsam löste sich die Anspannung. Er atmete geräuschvoll aus, als müsse er sich von einem Albtraum erholen.
Tausend Gedanken quälten ihn.
Es war nicht leicht, in dem Tohuwabohu Ordnung zu schaffen. Schließlich griff er nach seinem Smartphone und öffnete die Terminkalender-App:
- Montag – Dienstag: Dependance Paris
- Mittwoch – Sonntag: Olbia / Sardinien
Paris und das Treffen mit seinen Freunden auf Sardinien versprachen Abwechslung und Erholung.
»Diese Woche gefällt mir«, flüsterte er.
Er entschloss sich, noch am selben Tag nach Paris zu fliegen. Jedenfalls eine bessere Alternative, als in diesem Haus zu bleiben.
Die Koffer waren schnell gepackt. Als er sie über die Wendeltreppe schleppte, hielt er ständig nach Mathilde Ausschau. Behutsam setzte er jeden Schritt, um kein Geräusch zu verursachen.