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Die Passagiere drängten durch die mit beißendem Kerosingeruch durchsetzte Kabinenluft zu den Notrutschen. Die Flugbegleiterin half ihnen beim Sprung aus der Unglücksmaschine. Lucas schob die Baseballkappe zwischen die Zähne und presste seinen Rucksack mit dem Laptop an die Brust. Als er an der Reihe war, bedeutete ihm die Stewardesse, dass er mit dem Gepäckstück nicht auf die Rutsche springen dürfte. »Kein Gepäck!«, schrie sie ihm entgegen.

Lucas ignorierte ihre Anweisung. Er griff nach dem Backpack, drehte sich reflexartig zur Seite, schleuderte den Rucksack aus dem Flugzeug und sprang hinterher.

Vor dem Ende der Notrutsche hatte er ihn bereits eingeholt. Er schnappte sich den Ranzen, hüpfte auf den Rasen, schwang ihn auf die Schulter und sprintete vom Flieger weg. Die Hitze in seinem Nacken verlieh ihm zusätzliche Kräfte, trieb ihn voran. Die Luft flirrte vor seinen Augen und zeichnete kaleidoskopartige Muster in das hohe Gras.

Eine blau gleißende Positionsleuchte wies ihm den Weg zum nächsten Taxiway, auf dem unzählige Einsatzfahrzeuge zum Unfallort rasten. Kaum hatte er das Betonband erreicht, blieb er stehen, beugte sich vor und stützte die Arme auf seine Knie. Niemand war ihm gefolgt. Er keuchte und drehte den Kopf zum Flugzeug. Ein Löschwagen verließ die Piste, pflügte durch das Gras, an einer Menschengruppe vorüber, die viel früher als er ihre Flucht abgebrochen hatte.

Lucas hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er schnappte nach Luft, als wäre er minutenlang unter Wasser getaucht. Hustete, um die Kerosindämpfe aus seiner Lunge zu schleudern. Langsam richtete er sich auf.

In diesem Augenblick schossen hinter dem Flugzeug haushohe Flammen gegen den Himmel und trieben einen schwarzen Rauchpilz vor sich her. Sekunden später eine Explosion. Die Druckwelle warf ihn unsanft zu Boden. Trümmer prasselten neben ihm nieder. Als ob sie ihn beschützen hätte können, zog er seine Jacke über den Kopf.

Nach einer Weile hob er zögerlich den Kragen ein wenig an und lugte zur Unglücksmaschine.

Tosend knickte das Fahrwerk ein. Dort, wo er vor einigen Sekunden Menschen gesehen hatte, herrschte mit einem Schlag gähnende Leere, als wären sie vom Erdboden verschluckt worden.

Noch immer regnete es Feuerzungen vom Himmel, die zischend am Grün landeten und es an zahlreichen Stellen in Brand setzten.

Lucas rappelte sich auf, rüttelte an seiner Jacke und überprüfte, ob ihn brennende Tropfen getroffen hatten. Instinktiv trat er einige Glutnester aus. Langsam konnte er wieder klare Gedanken fassen. Fahrig schob er seine Brille zurück zur Nasenwurzel, kniff die Augen zusammen und spähte nach der Personengruppe, die sich vorhin als Silhouette vor dem lodernden Flugzeug abgezeichnet hatte. Vereinzelt waren wieder Schatten zu erkennen. Waren es seine Kollegen, die sich dort über den Schnee schleppten? Wenn nicht, wo waren sie?

Das Pfeifen in seinem Ohr schmerzte und überlagerte die Martinshörner der Einsatzfahrzeuge, die aus allen Richtungen zum Unfallort jagten. Ein Retter rief nach ihm, aber Lucas hörte ihn nicht. Als sich eine Hand auf seine Schulter legte, fuhr er erschrocken herum.

»Laufen Sie zu dem Bus, der bringt Sie in Sicherheit«, schrie der Bursche in der leuchtend gelben Jacke. »Zum Bus, schnell!«

Lucas musterte ihn entgeistert. Die Lippen des Mannes bewegten sich, aber er hörte seine Stimme nicht. Aus den Gesten erriet er, was er von ihm verlangte. Perez schaute zum Kleinbus und drehte sich anschließend in Richtung des Flugzeuges. »Ich muss meinen Kollegen helfen«, befahl ihm eine innere Stimme, doch der eiserne Griff an seiner Schulter ließ ihm keine Wahl. Man schob ihn unmissverständlich zu einem VW-Bus, in dem sich bereits Passagiere wie Ölsardinen aneinanderdrückten.

Der Fahrer hielt sich nicht an die asphaltierten Pisten. Er fuhr den kürzesten Weg, nahm Abkürzungen und rumpelte über die Wiesen. Einige der Fahrgäste stöhnten vor Schmerz laut auf.

COLLEGIUM.

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