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Eubulos und Demosthenes
ОглавлениеZwei Staatsmänner ragen dabei heraus, die Athens Finanzen seit den fünfziger Jahren wieder reorganisierten. Zunächst Eubulos, der von 354 bis 346 zu den Verwaltern der Kasse der Schaugelder zählte, und dann Lykurg, der als ho epi tei dioikései von 338 bis 325 agierte und nach dem eine ganze Ära benannt wurde.14 Demosthenes, der selbst Leiter (árchon) dieser Kasse wurde,15 begann seine Laufbahn unter, mit und gegen Eubulos; seine akmé, der Höhepunkt seines politischen Wirkens, fällt in etwa in die Zeit zwischen Eubulos und Lykurg. Das Verhältnis des Demosthenes zu ersterem lässt sich nicht leicht beschreiben, die Quellen lassen zu viele Fragen offen. Wer größeren Einfluss auf die athenische Politik gewinnen wollte, kam seit Mitte der fünfziger Jahre nicht an Eubulos vorbei. Dieser hatte sich damals eine gewisse Machtstellung verschafft, da offenbar er es war, der die Schaugelder-Kasse initiierte oder zumindest bei ihrer Schaffung beteiligt war. Plutarchs Meinung, sie gehe auf Perikles zurück, ist längst widerlegt.16 Unter der Ägide des Eubulos wurden zum ersten Mal Schaugelder für Theaterbesuche an das Volk ausgezahlt. Später wurde Geld nicht nur für den Besuch der Dramen-Aufführungen verteilt, sondern auch an anderen Festtagen entrichtet.17 Die Kasse, das theorikón, verwaltete ein Kollegium, das vermutlich vierjährlich durch Handabstimmung gewählt wurde und jeweils von den einen Großen Panathenaien bis zu den nächsten amtierte.18 Die Auszahlung der Schaugelder blieb nicht dessen einzige Aufgabe, wenn auch unter dem Aspekt, sich Popularität zu verschaffen, die attraktivste. Die Mitgliedschaft in dem Ausschuss für die Theorika brachte nicht nur Ansehen im Volk, sie bedeutete Macht. Wenn Überschüsse im Jahreshaushalt erzielt wurden, so flossen diese in Kriegszeiten zwar in die Kriegskasse (stratiotikón), in Friedenszeiten jedoch an das theorikón.19 Ein eigenes Gesetz verbot eine Umwidmung der Gelder.20
Die Mitglieder beteiligten sich in Anwesenheit des Rates mit den Verkäufern (polétai) an der Verpachtung von Staatsland, Minenkonzessionen und Steuereinnahmen.21 Dem Redner Aischines zufolge,22 der die Befugnisse der Kommission aber vielleicht etwas überbetont, vereinigte diese in der Zeit des Eubulos auf sich auch die Ämter des antigrapheús (Gegenschreiber), eines Finanzfunktionärs, der die Einnahmen der Stadt kontrollierte und zehnmal im Jahr darüber Bericht erstattete, und die der Apodekten, einem zehnköpfigen Gremium, das die eingenommenen Gelder weiter verteilte. Die Kasse finanzierte Schiffswerften, den Bau von Arsenalen und Straßen.23 Sofern Aischines Glauben verdient, hätte die Behörde und damit Eubulos Ende der fünfziger und Anfang der vierziger Jahre „nahezu die gesamte Verwaltung des Staates“ in ihrer beziehungsweise seiner Hand gehabt.
Eubulos’ erstes Ziel, für das er sicherlich die Unterstützung anderer Vermögender besaß, war es, die durch den Bundesgenossenkrieg zerrütteten Finanzen Athens zu sanieren. Kriege und Interventionspolitik waren teuer, und im 4. Jahrhundert durch den Einsatz von Söldnern noch teurer geworden als zur Zeit eines Themistokles oder Kimon, sodass Athen sich nun mit Einmischungen in die Belange anderer Staaten zurückhielt, abgesehen von Territorien, in denen wie auf Euboia zentrale Interessen der Stadt auf dem Spiel standen. Von einer isolationistischen Politik kann dennoch nicht gesprochen werden, allenfalls von einer vorsichtigen.
Eine Alternative dazu gab es Ende der fünfziger Jahre nicht, und so lässt sich zunächst schwer erkennen, wer Parteigänger des Eubulos war und wer nicht. Demosthenes’ erste Reden waren, wie gesagt, tastende Versuche, eine Linie und ein Thema zu finden. Wer sich einen Namen machen wollte, musste zu gegebener Zeit zustimmen und zu anderer Zeit provozieren. Es scheint, dass Demosthenes dies – soweit es Eubulos betraf – genau in dieser Reihenfolge tat. Das erste Zeugnis einer Gegnerschaft zu Eubulos ist jedenfalls auffallend spät, es stammt aus der Rede gegen Meidias, die ins Jahr 347 zu datieren ist. Demosthenes weist darin jegliche Schuld an dem Dissens von sich und schiebt sie auf eine von Eubulos zu verantwortende Verhaltensänderung. Er spricht – der Text ist allerdings korrupt – von einer persönlichen Feindschaft, doch trägt auch diese ganz offenkundig politische Züge.24 Vorausgegangen war Demosthenes’ Forderung nach Abschaffung oder Umwidmung der Schaugelder. Das war im Jahre 349/8 in der Zeit der olynthischen Krise, und diese könnte zum Bruch beigetragen haben.