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Wir lagen auf dem Moos bei unserem Treffpunkt im Wald. Cleopatra machte es sich in einer Ecke bequem, neben ihr Caruso. Hannibal und Diogenes hatten sich einen Platz rechts von mir gewählt. Die Nachricht, dass in unserer Nähe ein Verbrechen begangen worden war, drückte auf die Stimmung.

»Eigentlich war dieses Ergebnis zu erwarten«, sagte Hannibal, »zu viele Ungereimtheiten. Denkt nur an die leeren Taschen und Matteos persönliche Sachen, die fehlten.«

»Also hat sich die Diskussion, die du beobachtet hast, zu einem Streit entwickelt. Und der Streit führte zum Mord.« Cleopatra seufzte. »Zu schade, dass du den anderen nicht erkennen konntest. Sonst wüssten wir jetzt, wer der Mörder ist.«

»Es ist noch gar nicht ausgemacht, dass der Täter ein Mann ist«, warf Hannibal ein.

Caruso hob den Kopf. »Gehen wir jetzt auf Verbrecherjagd?«

»Das ist Sache der Polizei. Die wird den Schuldigen schon finden.« Cleopatra setzte sich auf.

»Genau genommen wissen wir überhaupt nichts.« Diogenes schaute in die Runde. »Wie der Schweinephilosoph Vestalus in seinem berühmten Epos ›Die Sau als Wille und Vorstellung‹ sang: ›Freue dich über die Eicheln in deinem Hain und versuche nicht, die Eiche zu verstehend‹«

Ich unterbrach Diogenes. »Wir sollten wirklich die Ermittlungen abwarten. Wir können ohnehin nichts ausrichten. Das ist Menschensache.« Ich sprang auf. »Und Matteo wird davon auch nicht wieder lebendig.«

Irgendwo knackte ein Zweig. Ein Specht hämmerte gegen einen Stamm, der Schlag hallte rhythmisch durch den Wald. Der Wind trug die Verwesungsspur eines Fuchskadavers herüber. In der Nähe mussten Pfifferlinge wachsen, ihr Aroma schwängerte die Luft, überlagert von der Würze des Fichtenharzes.

»Du glaubst, dieser Commissario findet den Mörder? Da kann ich nur lachen.« Hannibal war ebenfalls aufgestanden. »Der findet nicht einmal seine Zehen im Bett.«

»Er hat zumindest Erfahrung mit gewaltsamen Todesfällen und weiß, was da zu tun ist, Monsieur«, entgegnete Cleopatra.

»Jeder Mensch hat Erfahrung damit, jeder. ›Es ist der Weg, auf dem die Menschheit wandelt‹, wie Vestalus sagt.« Diogenes hob die Schnauze und atmete tief ein. »Seit Jahrtausenden giert diese Spezies nach Gewalt. Nur so konnten sie sich in der Frühzeit gegen andere friedliebende Rassen wie die Schweine durchsetzen. Aber da Gewalt zu den Menschen gehört wie die Stummelnasen zu ihren Gesichtern, gingen sie aus Langeweile bald dazu über, sich zu bekriegen. Deshalb schlagen sich die Menschen die Schädel ein, wieder und immer wieder. Mich wundert nur, dass sie sich nicht schon längst gegenseitig ausgerottet haben. Aber das kommt wahrscheinlich noch.«

»Ich finde, du bist es Matteo schuldig, die Umstände seines Ablebens zu klären«, sagte Hannibal zu mir, »sich auf die Menschen mit ihren begrenzten intellektuellen Fähigkeiten zu verlassen — da kann man gleich hoffen, dass zu Weihnachten Trüffel auf den Bäumen wachsen.«

»Genau — zeigen wir den Menschen, wie man einen Verbrecher fängt.« Caruso hielt es nicht mehr auf dem Boden. »Ich könnte gleich damit ...«

»Du wirst gar nichts, mon petit praliné.« Cleopatra stellte sich vor Caruso. »Das ist nur was für Erwachsene.«

»Erwachsene. Nur was für Erwachsene. Immer nur die Erwachsenen.« Caruso imitierte Cleopatras Tonfall. »Puh! Ich bin groß genug. Außerdem kann ich gute Ideen beisteuern.«

»Welche denn?«

»Äh, nun ... Mir wird schon noch rechtzeitig was einfallen. So wie mir bisher immer was eingefallen ist.«

»Das ist ja gerade das Heikle — deine Einfälle. Und ihre Folgen.«

Hannibal konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Lasst den Kleinen. Er hat recht — wir sollten unsere eigenen Recherchen anstellen und das nicht anderen überlassen.«

»Selbst wenn nichts dabei herauskommt, haben wir wenigstens das Gefühl, noch etwas für Matteo getan zu haben.« Ich nickte. »Nie würde ich es mir verzeihen, wenn der Täter ungestraft davonkäme. Das beleidigt meinen Sinn für Gerechtigkeit. Auf die Menschen können wir nicht zählen. Und auf den Commissario noch weniger.«

»Dann lasst uns anfangen. Wie ein Weiser sagt: ›Nutze den Wind, wenn er von hinten kommt. ‹«

»Sagt das Vestalus?«

»Nein, ich.«

Auch wenn wir noch keinen Plan hatten, der Entschluss war gefasst. Das setzte neue Energien frei, beseitigte die Lethargie, die sich wie Mehltau über mich gelegt hatte. Wir werden etwas tun. Für Gerechtigkeit sorgen. Für Matteo. Meinen Freund. Noch immer spürte ich die Trauer, wenn ich an ihn dachte, aber das war nicht mehr das alles beherrschende Gefühl. Ich konnte nun auch nach vorn schauen. Es wäre doch gelacht, wenn unser Schweineverstand nicht ausreichen würde, den Fall aufzuklären. Unsere analytischen Fähigkeiten sind einfach besser als die der Menschen. Ambrosius beispielsweise, einer meiner Vorfahren, setzte im sechzehnten Jahrhundert den spanischen Schachgroßmeister Ruy López de Segura in einem legendären Turnier in nur elf Zügen matt — ein Rekord, den Spieler in den Jahrhunderten danach nie wieder erreichten. Die Jury erkannte Ambrosius' Sieg jedoch nicht an, weil er sich angeblich auf der Toilette mit seinem Freund Nektario unerlaubt beraten hatte. Was Unsinn ist, denn Nektario schlief auf dem Klo nur seinen Rausch aus. Ruy López, tief beeindruckt, übernahm Ambrosius' Eröffnungszüge und machte sie unter eigenem Namen als Spanische Eröffnung populär.

Als der vertraute Geruch der Gobetti-Wiese in meiner Nase kitzelte, machte ich einen Abstecher in den Gemüsegarten, um mir einige Tomaten als Vorspeise zu gönnen. Was es wohl zum Abendessen gab? Ich blieb in der Mitte meines Raums stehen, inhalierte für einen Moment die Luft meiner gewohnten Umgebung. Seltsam. Ich inhalierte nochmals. Sehr seltsam. Etwas stimmte hier nicht. Es war jemand in meinem Zimmer gewesen. Ein Mensch. Meine Nase überprüfte jede Seite des Raums. Ich war mir sicher: Paolo war hier gewesen. Das allein wäre nichts Auffälliges, schließlich brachte er mir mein Essen. Aber die Konzentration der Geruchsmoleküle deutete darauf hin, dass er länger hier gewesen war als sonst üblich. Er musste sich sogar länger mit meiner Samtcouch beschäftigt haben, der Schweiß seiner Hände haftete noch an dem Stoff. Mir fiel auf, dass der Perserteppich neben den Sofafüßen Flecken hatte. Beim genaueren Hinsehen entdeckte ich die Abdrücke, die die Kanten des Sofas auf dem Teppich hinterlassen hatten. Jemand, wahrscheinlich Paolo, hatte die Couch verrückt und nicht wieder exakt an die gleiche Stelle zurückgeschoben. Mein Perser wies an den Kanten Wellen auf, als hätte jemand den Teppich umgeschlagen und nur nachlässig wieder in die ursprüngliche Position gebracht. Auch mein japanisches Bänkchen stand mehrere Zentimeter von seiner normalen Position entfernt. Paolo war hier gewesen und hatte etwas gesucht. Was glaubte er denn, hier zu finden? Matteos Geld? Lachhaft. Die Schatzkarte? Albern. Wenn mein Partner sie in diesem Raum versteckt hätte, hätte ich sie längst entdeckt. Matteo hätte die Karte nicht einfach irgendwo hineingestopft, in die Falten meines Sofas etwa, oder unter den Teppich, dazu war das Pergament viel zu wertvoll. Ich bezweifelte, dass es überhaupt im Haus zu finden war. Matteo mit seinem Hang zu skurrilen Ideen hatte sich sicher ein ausgefalleneres Versteck einfallen lassen.

Das Wasser in der ersten Keramikschale roch abgestanden, mindestens schon vor acht Stunden eingefüllt. In den beiden anderen Schalen lagen — Rübenstücke. Schon wieder Rüben. Natürlich roh. Gammelten schon seit Stunden vor sich hin. Hatte Paolo vergessen, meine Schalen frisch aufzufüllen? Wusste er nicht, dass ich kein altes Essen mochte? Sollte ich jetzt Putzwasser trinken? Was dachte er sich eigentlich? Ich bezweifelte langsam, dass er sich überhaupt besondere Gedanken um mein Wohlergehen machte.

»Du nimmst die linke Seite, ich die rechte«, hörte ich Paolo in der Küche sagen.

Ich machte mich mit einem Protestgrunzen bemerkbar, schnappte zweimal mit dem Mund, um auf meine unakzeptable Speisensituation hinzuweisen.

»Ah, das Schweinchen, mein Porcellino.« Eleonora lächelte mir zu. Oder bildete ich mir das nur ein?

»Porcellino? Du rufst den Eber mit Kosenamen? Porcellino. Dein Freund, was?« Häme dampfte aus Paolos Stimme. »Du wirst schon genauso seltsam wie Matteo.«

»Ich mag eben Schweinchen. Sind einzigartige Tiere. Was regst du dich so auf?«

»Beginn mit dem Suchen. Das ist jetzt wichtiger.« Paolo kam auf mich zu: »Sonderbehandlung gibt's nicht länger, Schwein. Die Zeiten sind vorbei. Jetzt bin ich der Chef im Hause. Capisci?« Dann schlug er mit einem Schwung die Tür zu. Geklapper von Tellern drang durch das Holz.

»Konzentriere dich auf Schubladen und Gefäße. Alles, wo Geldbündel oder die Karte versteckt sein könnten.« Paolo hob den Deckel der Kaffeekanne hoch und blickte hinein. Danach nahm er sich zwei Blumenvasen vor.

»Das Ganze ist doch Schwachsinn«, sagte Eleonora. »Mir kommt das vor wie Leichenfledderei.« Sie knallte die Schublade zu und setzte sich an den Küchentisch. »Ich muss ständig an Matteo denken. Ich kann nicht in seinen Sachen herumkramen.«

»Such weiter. Das Geld muss da sein. Was auf Matteos Konten liegt, ist lächerlich. Er hat die ganzen Jahre Unsummen verdient. Wo ist das ganze Geld? Und wo die Schatzkarte?« Paolos Schläfen pochten, sein Gesicht war rot angelaufen. »Wir brauchen das Geld!«

»Verhungern müssen wir nicht, keine Sorge.« In Eleonoras Augen lag Trotz. »Und rede nicht in diesem Ton mit mir.«

Paolo baute sich vor seiner Frau auf. »Ich rede, wie es mir passt. Wir brauchen Matteos Vermögen, weil wir kein festes Einkommen haben. Das musst du doch begreifen.«

»Dann geh endlich arbeiten!«

Tartufo

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