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AUF EINEN GRAND CRU IN DIE BOUTIQUE

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Der Faker gibt ein Versprechen an sich selbst und den Markt. Anders als der Hochstapler will er das, was er zunächst vortäuscht, irgendwann tatsächlich sein. Die Sprache ist dabei stets ein wesentliches Hilfsmittel. Der junge Arzt, der zwar noch keine Erfahrung als Operateur besitzt, aber bereits das Arztdeutsch beherrscht, darf mit einem Vertrauensbonus kalkulieren. Ebenso der junge Anwalt, der so perfekt Juristendeutsch parliert, als sei er zweisprachig aufgewachsen. Sprache verspricht. Das gilt besonders für die Welt des gehobenen Konsums. Der „Geltungskonsum“ (englisch: „Conspicuous Consumption“) lebt von demonstrativer Verschwendung – so zumindest nach der klassischen Definition von Thorstein Veblen in seiner „Theorie der feinen Leute“ von 1899. Wer es sich leisten kann, der macht das Übermaß zu seinem Markenzeichen. Das Nutzlose, das Übertriebene und das Überkandidelte werden hergezeigt und ausgestellt, um sozialen Status zu markieren. Kein Mensch braucht 740 PS, um durch dichten Berufsverkehr zum Shoppen in Richtung Maximilianstraße, Bond Street oder Rodeo Drive zu rollen. Der Lamborghini Aventador hat sie trotzdem.

Wer in der Welt des Geltungskonsums eine Marke oder ein Produkt etablieren will, sollte die Sprache dieser Welt beherrschen. So gehen Kunden der Marke Nespresso nicht etwa in ein Kaffeegeschäft, sondern statten der „Nespresso Boutique“ einen Besuch ab. Dort bietet der Nestlé-Konzern ihnen keine Kaffeesorten an, sondern „Grands Crus“. Ganz so, als handele es sich um edelste Weine aus den besten Lagen. Wer länger als zehn Jahre Nespresso-Kunde ist, wird von den Schweizern (die dem gemeinen Volk die unsägliche Brühe „Nescafé“ verkaufen) neuerdings zum „Ambassador“ der Marke ernannt. Bei der Lufthansa und ihren Töchtern Austrian und Swiss werden Sie durch fleißiges Fliegen erst zum „Senator“ und schließlich zum „Hon Circle Member“ geadelt. Der BMW-Fahrer mit „Connected Drive“ erreicht per Knopfdruck im Auto nicht etwa ein Callcenter, das ihm in allen Lebenslagen assistieren kann, sondern den „Concierge-Service“. Ich will mit alledem sagen: Eine Kärntner Uhrenmarke Jacques Lemans zu nennen, ist auch nicht peinlicher oder depperter als das, was in der Welt des gehobenen Konsums alle machen. Und es war und ist auch nicht weniger erfolgreich.

Interessant ist in diesem Zusammenhang das Phänomen der Gewöhnung an eine ursprünglich auffällige Sprache. „Adresse“, „Dekoration“ oder „Expertise“ zum Beispiel nimmt heute praktisch niemand mehr als Lehnwörter aus dem Französischen, geschweige denn als gehobene Ausdrucksweise wahr. Als für Deutschlands Arbeitslose die „Jobcenter“ geschaffen wurden, galt das nicht wenigen als Ausdruck sprachlicher Idiotie. Heute wird das Wort „Jobcenter“ in Deutschland mit großer Selbstverständlichkeit verwendet und kaum noch hinterfragt. Obwohl es im Jobcenter eigentlich kaum Jobs gibt, sondern meist Sozialhilfe. Die „Boutique“ wiederum ist, ebenfalls durch Gewöhnung, in der Wahrnehmung längst nicht mehr so exklusiv wie in den Anfangstagen dieser Entlehnung aus dem Französischen. Im Grunde war die „Boutique“ bereits gesunkenes Kulturgut, als Loriot seinen „Lottogewinner“ in dem gleichnamigen Sketch die Eröffnung einer Herrenboutique in Wuppertal (sehr deutsch und sehr falsch „Buttikke“ ausgesprochen) ankündigen ließ. Und kaum noch jemand weiß, dass die ur-amerikanische Automarke Cadillac eigentlich französisch ausgesprochen werden müsste. Also das „ll“ wie ein „j“. Schließlich ist sie benannt nach dem Franzosen Antoine Laumet de La Mothe, Sieur de Cadillac, der 1701 die Stadt Detroit (damals gesprochen wie de troit) gründete. Insofern braucht es einem nicht unbedingt als etwas Besonderes aufzufallen, dass eine Kärnter Uhrenmarke Jacques Lemans heißt. Die meisten Kunden in Villach, Dubai oder Shanghai dürften sich längst daran gewöhnt haben.

Art of Fake.

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