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Franz von Moor

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Die Nacht war plötzlich voller Nadelstiche und riss Franz ohne Gnade aus seiner Ohnmacht.

Ein fahler Lichtschimmer umhüllte ihn. Kaum konnte er die sprichwörtliche Hand vor Augen sehen. Er fröstelte.

Wo war er? Sein Schädel brummte und schmerzte bei dem Versuch sich zu erinnern. Benommen kniff er die Augen zusammen.

Keine gute Idee. Die Haut seines Gesichtes schien wie eine zum Zerreißen gespannte Verpackungsfolie über Muskeln und Knochen gespannt worden zu sein. Und offensichtlich hatte man mit der Folie sparen müssen, denn die saß höllisch straff.

Er stöhnte leise auf und versuchte sich wieder zu entspannen. Langsam wurde sein Blick klarer. Umrisse schälten sich aus der Dunkelheit. Gewölbe artige Bögen, unverputztes feucht schimmerndes Mauerwerk und einzelne kleine Rinnsale, die sich überall wie silberne Schlangen nach unten wanden und in einem unterirdischen Bach mündeten. Jetzt war auch das leise Rieseln und Plätschern zu hören.

Die Kanalisation. Er war in der Frankfurter Kanalisation gelandet.

Eine Wolke übel riechenden, stechenden Gestanks fraß sich ohne Vorwarnung in seine Nase und nahm ihm den Atem. Er zuckte zusammen, als hätte man ihm eine unsichtbare Faust in den Magen gerammt, krümmte sich und erbrach sich auf den nackten Betonfußboden. Sein Körper schüttelte sich in Krämpfen, bis nichts mehr da war, dessen er sich hätte entledigen können. Er zitterte. Und er kam sich so erbärmlich vor, so erniedrigt. Nur gut, dass ihn hier unten keiner sehen konnte.

Das war wirklich gut.

Er hatte Glück gehabt. Großes Glück. Als er im 16ten Stock wieder zu sich gekommen war, hatte er kaum noch die Hand vor Augen gesehen. Der Rauch brannte jetzt noch in seinen Lungen und ein Hustenanfall schüttelte seinen vor Schmerzen tauben Körper, dass er am liebsten laut aufgeschrieen hätte. Gut, dass er den versteckten Zugang hinter seinem begehbaren Kleiderschrank auch im Schlaf gefunden hätte.

Ein hohes schrilles Fiepen, hin und wieder unterbrochen von einem leisen Rascheln und ein bohrender Schmerz im großen Zeh seines linken Beines holten ihn aus seinem Tagtraum. Irgendetwas zerrte an seinem Bein. Er blickte an seiner zerrissenen, angesengten Jeans hinunter auf seine nackten zerschundenen Füße. Was er dort sah, raubte ihm fast den Verstand. Eine hässliche zerzauste Ratte mit matt schimmerndem Fell schlug ihre spitzen, gelben Zähne immer wieder in das unbedeckte Fleisch seiner Zehen, die schon jetzt wie das Ergebnis einer Fleischwolforgie aussahen.

Franz schrie entsetzt auf und versuchte die Ratte abzuschütteln. Aber das störrische Tier ließ nicht ab von der leicht angesengten Leckerei, die einmal ein menschlicher Fuß gewesen war. Franz sprang panisch auf, denn erst jetzt begriff er, dass die Ratte noch ein paar Freunde und Verwandte mitgebracht hatte.

Flüssige Lava schoss durch seine Adern. Von einer Sekunde zur anderen schien die Zeit stehen geblieben zu sein.

Er folg durch den Raum, konnte aber nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sich seine Füße dabei bewegten. Die Erde schien er nicht mehr zu berühren. Der Boden wölbte sich vielmehr wie in einem fiebrigen Rhythmus seinen Füßen entgegen und versetzte ihn in eine Art vorwärtsdrängenden Schwebezustand.

Unendlich langsam glitt er auf diesem wogenden Teppich in die Dunkelheit, bar jeglichen Empfindens. Ein unendliches engelgleiches Schweben. Glückshormone durchfluteten sein müdes Hirn. Allmachtsfantasien. Nur immer weiter, weiter, immer weiter nach oben, dachte er.

Und dann, mit einem Schlag, war alles wieder vorbei. Er spürte jeden erbärmlich mühsamen Schritt und erkannte entsetzt, dass er durch ein Meer aus Leibern watete. Sich windender, zähnefletschender Rattenleiber, die mit ihren spitzen Zähnen nach seinen Füßen schnappten.

Sein Atem rasselte, schnürte ihm den Brustkorb zu und die Wunde in seiner Schulter sandte pulsierende Schmerzwellen durch seinen Körper. Ihm wurde schwarz vor Augen, soweit das in der Dunkelheit noch möglich war. Beinahe wäre er wieder in die bittersüße Ohnmacht zurück geglitten. Es kostete ihn seine gesamte Kraft, das zu verhindern.

Dann sah er es. Erst nur ein Flackern, dann immer deutlicher. Ein Licht am Ende des Tunnels. Tränen der Erleichterung schossen ihm in die Augen, raubten ihm die Sicht. Er mobilisierte seine letzten Reserven und taumelte weiter, dem Licht entgegen.

Occupys Soldaten

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