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Das Innere der Zelle

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Die Zelle hatte eine Größe von 5x2 Metern. Ausgestattet mit einer Edelstahlkloschüssel von einer Ästhetik, wie man sie schlimmer nur bei der Bahn fand, einer Pritsche und zwei Überwachungskameras. Außen an der massiven Stahltür hingen laminierte DinA4 Bögen mit der Aufschrift:

„Zutritt nur ohne Waffe.“ Und: „Handys und Feuerzeuge abgeben.“

Mit dem Rücken zur Zellentür saß Nummer 7 im Schneidersitz auf ihrer spartanischen Schlafstätte. Vor ihr lag ein abgegriffenes, altes Kinderbuch. Der Struwwelpeter. Jemand hatte sich auf der Vorderseite eine Notiz gemacht.

Paulinchen, 11:30 Uhr. OSX.

Nr. 7 starrte auf das vergitterte kleine Rechteck, das ihr einen kleinen Ausschnitt vom strahlend blauen Himmel gewährte. Ein zufälliger Beobachter hätte dieses friedliche Bild für eine Momentaufnahme aus einem Kloster und sie für eine geschundene Managerin auf der Suche nach Kontemplation halten können.

„Nr. 7, treten Sie von der Tür zurück. Stellen Sie sich mit dem Gesicht zum Fenster. Die Hände auf den Rücken.“

Die Stimmen wechselten, die Kommandos waren stets die gleichen.

Was für grausam sprachverstümmelte Geschöpfe.

Wieder einmal würde man sie in eines dieser aseptischen Verhörzimmer bringen. Wieder einmal würde man sie mit allem Nachdruck befragen. Und wie bisher würde sie sich auf ihr Zeugnis-verweigerungsrecht berufen. Sie hatte sich auf eine Insel in den Tiefen ihrer Seele zurückgezogen. Hatte den empfindenden Teil ihres Bewusstseins dort zurückgelassen und war mit der logischen Hülle zurückgekehrte um die Zeit bis zu ihrer inneren Wiedergeburt zu überbrücken. Dieses Ritual gab ihr die Möglichkeit handlungsfähig zu bleiben, begann sie aber auch zu ermüden. Ihr war klar, dass sie mit diesen Spiegelfechtereien kostbare Zeit verschwendete. Zeit, die Karl das Leben kosten konnte. Ihre Gedanken kreisten geradezu manisch um ihren Verlobten.

Wo war er? Lebte er überhaupt noch?

Immer wieder führten sie ihre Gedankenspiralen an diesen einen, alles entscheidenden Punkt.

Lebte Karl noch?!

Sie hätte vor Wut laut aufheulen können. – Ja, sie war wütend, trotz allem. Wütend auf ihn. Dieser Überfall auf Franz war nicht nur eine in hohem Maße infantile, sondern auch kriminelle Idee gewesen. Diese Denkzettelnummer würde sie ihm nie verzeihen können, das wusste sie. Gleichzeitig quälten sie Schuldgefühle, weil sie es nicht geschafft hatte, Karl diesen Irrsinn auszureden und mit ihrem plötzlichen Auftauchen das tödliche Chaos erst ausgelöst hatte.

Gut gemeint ist der Tod von gut gemacht.

So wörtlich hatte sich dieser Spruch wohl noch nie genommen. Tränen liefen ihr über die von der Heilsalbe seidenmatt glänzenden Wangen.

Wie immer spürte sie den Luftzug im Nacken, als die schwere Stahltür geöffnet wurde. Sie war gut vorbereitet und hatte ihre Reflexe unter Kontrolle. Jahrelange Meditationspraxis hatte sie bewahrt, an erniedrigenden Situationen wie dieser zu zerbrechen. Sie spürte den kalten Stahl der Handschellen ihre Handgelenke umschließen und zog sich zurück auf ihre Insel.

„Umdrehen“, befahl die Stimme knapp. Sie gehorchte. Sie war jetzt ganz ruhig. Karibisch klares Wasser umspülte ihre nackten Zehen. Mitleid mit dem sehr einfach gestrickten Geschöpf hinter ihr überflutete ihr Bewusstsein. Wie wenig diese Menschen wohl von dem sie umgebenden Leben wahrnahmen?

Es sieht doch jeder nur was er versteht. – Karl...?!

Die Beamtin führte sie hinaus auf den Flur. Ein Putzmann zog pfeifend seine Bahn. Nr. 7 stutzte. Irgendwie kam er ihr vertraut vor.

Langsam wirst Du paranoid, meine Liebe.

Sie schüttelte sich, als könnte sie damit dieses absurde Gefühl loswerden, gerade so wie eine Katze ihre Flöhe.

Die Beamtin drängte sie weiter und sie wäre beinahe gestolpert, als der Putzmann sich kurz aufrichtet und ihre Blicke sich trafen.

Occupys Soldaten

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