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Sorgenvolle Heimkehr

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Die Flugverbindung führte über Houston und Frankfurt nach München. Zwei Tage waren sie unterwegs gewesen. Die Maschine war pünktlich gelandet. Der Chauffeur, der seit vielen Jahren fast schon zur Familie gehörte, holte sie am Flughafen ab.

- Wie geht es Vater?, erkundigte sich Hinrich.

- Eigentlich ganz gut, sagte der Fahrer etwas zögerlich, aber die Verantwortung für die Firma belastet ihn sehr. Ich fahre ihn – wie seit fast dreißig Jahren – noch immer jeden Tag ins Büro, aber man merkt ihm an, dass er alt wird. Er ist nicht mehr der sichere Fels in der Brandung. Das Beste wäre, er würde mit der Arbeit aufhören, aber er kann sich nicht trennen.

Der Wagen hielt vor der Einfahrt zur Sämann-Villa am Starnberger See. Sie wurden von ihrem Vater und seiner Schwester am Eingang erwartet. Er stützte sich auf einen Stock, sie hielt ihn fürsorglich am Arm. Er löste sich von ihr und ging seinen Kindern ein paar zögerliche Schritte entgegen, umarmte seine Tochter und reichte seinem Sohn flüchtig die Hand:

- Wie schön, dass ihr wieder da seid. Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, weil ihr so spät gekommen seid, und so viele Flüge ausgefallen sind. Aber nun seid ihr da, kommt herein. Möchtet ihr eine Tasse Kaffee oder lieber einen Tee trinken?

Ingrid gab ihrer Nichte einen Kuss und nickte ihrem Neffen zu: Kommt erst einmal herein. Wir treffen uns in der großen Halle am Kamin.

- Ihr werdet müde sein von dem langen Flug. Wollt ihr euch erst etwas ausruhen und die Beine hochlegen?

- Nein, dazu habe ich jetzt nicht die Ruhe, sagte Julia. Ich will mich nur ein wenig frisch machen und komme gleich zu euch. Gern nehme ich eine Tasse Kaffee.

Hinrich hatte sich zurückgezogen. Er hatte gesagt, dass er erst einmal einen Blick auf seinen Schreibtisch werfen müsse. Tatsächlich erwartete er nichts von Bedeutung, aber er wollte für einen Augenblick allein sein, wollte auch seinem Vater und Ingrid nicht Rede und Antwort stehen. Aber sein Vater war gar nicht anwesend.

- Wolfgang lässt sich entschuldigen, sagte Ingrid. Er fühlt sich noch ziemlich schwach. Eure Ankunft hat ihn ziemlich aufgeregt. Er wollte sich etwas hinlegen.

- Wie geht es ihm?, erkundigte sich Julia beunruhigt.

- Ingrid schenkte Kaffee in kleine Porzellantassen: Es geht so einigermaßen, aber er ist ziemlich schwach auf den Beinen. Er ist ständig in Behandlung, aber es geht nicht richtig voran. Ich mache mir Sorgen. Er sollte sich mehr schonen und nicht mehr täglich ins Büro gehen. Aber er kann nicht loslassen.

- Er sollte einen Nachfolger suchen, sagte Julia.

- Das will er nicht. Er meint, er müsste die Firma erst wieder auf das richtige Gleis führen.

- Das könnte auch ein anderer tun, warf Julia ein.

- Ingrid blickte aus dem Fenster: Vielleicht. Aber er lässt sich nichts sagen.

- Er ändert sich nicht.

- Ingrid lenkte ab: Wie kommt ihr mit den klinischen Tests voran?

- Viel zu langsam und sehr mühsam.

- Die Berichte, die ich bei meinem letzten Besuch von Claude bekommen habe deuten darauf hin, dass die Ursache der Krankheit wahrscheinlich an der Zuckerverarbeitung und möglicherweise auch an den Pestiziden zur Schädlingsbekämpfung liegt. Stimmt das? Habt ihr inzwischen die wirkliche Ursache der Niereninsuffizienz herausgefunden?

- Julia zögerte mit der Antwort: Nein, noch nicht. Aber wir sind zufällig auf eine interessante Entdeckung gestoßen.

- Nämlich?

- Es gibt viele unterschiedliche Dahlienarten bei uns. Einige Pflanzen produzieren Inulin, eine Substanz, die den Menschen bei Verdauungsstörungen hilft. Die Azteken kannten ihre heilsame Wirkung und die anderer ätherischen Öle. Die Azteken haben den Kranken die geriebenen Knollen zum Verzehr gegeben. Das hat ihnen geholfen, ihre Darmflora zu stabilisieren.

- Ich glaube, davon gehört zu haben. Und was bedeutet das für eure Arbeit?

- Vielleicht sehr viel. Ich bin mir noch nicht so sicher. Diese Entdeckung hat uns auf eine neue Spur gebracht, der wir nun nachgehen. Wir müssen wieder die heilsamen Kräfte der Natur nutzen: Es sieht so aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Zuckergewinnung und der Nieren-Krankheit besteht. Es scheint zu einer Verdauungsstörung zu kommen. Über den genauen Wirkungszusammenhang tappen wir noch im Dunkeln.

- Das wäre sensationell, wenn ihr da auf eine neue Idee gekommen wäret. Daraus könnten neue Produkte entstehen. Ein großer Markt!

- Wir müssten mehr über die Ess- und Lebensgewohnheiten der dortigen Menschen erfahren, aber die Inhaber der Plantage unterdrücken alle sachdienlichen Informationen.

- Warum?, es läge doch in ihrem Interesse.

- Eigentlich ja, aber sie fürchten eine Klagewelle der Geschädigten. Sie würden Sterbegeld fordern. Das wollen sie verhindern. Irgendwann wird die volle Wahrheit ans Tageslicht kommen. Wir werden ihnen helfen, Gerechtigkeit zu erlangen, so hoffe ich wenigstens.

- Sei vorsichtig. Es ist nicht günstig, die mächtigen Konzerne zum Feind zu haben. Sie stecken alle mit der Drogenmaffia unter einer Decke. Man hört hier so einiges. Sie schrecken vor nichts zurück. Es soll wiederholt zu Morden gekommen sein, wenn ihnen jemand in die Quere kommt.

- Wir passen sehr gut auf und fahren nie allein übers Land. Wir haben viele Freunde in der Bevölkerung. Einige betrachten uns fast als ihre vom Himmel gesandten Retter. Sie warnen uns, wenn uns Gefahr droht.

- Du hast mir ein Bild von einem jungen Mann geschickt, sagte Ingrid. Er sieht wirklich gut aus. Offenbar unternehmt ihr viel gemeinsam und macht Ausflüge an die Pazifikküste.

- Ja, das ist Michel. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Er ist ein verlässlicher Mann. Er ist für die Organisation, Durchführung und Überwachung der klinischen Tests zuständig. Er macht die statistischen Auswertungen.

-Verfasst er die Testberichte?

- Ja, das ist seine Aufgabe. Natürlich hat er Hilfskräfte zu seiner Verfügung.

- Kontrollierst du seine Berichte?

- Meistens. Nicht immer habe ich die Zeit. Michel macht das weitgehend allein.

- Ingrid zögerte einen Augenblick, als sei sie sich nicht sicher, ob sie das Thema weiter besprechen sollte: Ein Mitarbeiter sagte mir neulich, dass eure Berichte nicht immer vollständig seien. Es fehle die zeitnahe Dokumentation der an die Probanden verabreichten Substanzen und der medizinischen Befunde.

- Ich kann mich nicht um alles kümmern. Aber ich werde mir die Berichte künftig genauer ansehen.

- Das solltest du unbedingt tun, denn bei meinem letzten Besuch erhielt ich eine Mitteilung, dass es besonders während der letzten Tests zu mehreren Todesfällen gekommen sein soll.

- Ja, das stimmt, wir hatten in der Tat einige Todesfälle zu beklagen, aber Geburt und Sterben ist dort allgegenwärtig. Es regt sich niemand darüber auf.

In diesem Augenblick kam der Patriarch herein, der offenbar die letzten Sätze gehört hatte, und setzte sich in seinen gewohnten Sessel mit der hohen Rückenlehne.

- Ich vernehme, ihr seid mitten an einem kritischen Punkt angelangt. Offenbar geht es um die außergewöhnlich hohe Sterberate bei euren klinischen Test. Ingrid hat mir das neulich angedeutet. Du solltest das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es kann hier zu einer offiziellen Untersuchung kommen, und dann hängen auch wir mitten drin, denn die Medikamente stammen ausschließlich von uns, soweit ich weiß.

- Das ist so. Wir beziehen die Substanzen nur aus unserem Münchner Werk.

- Hinrich wird dir gesagt haben, dass wir seit ein paar Wochen Probleme in der Abfüllstation haben. Einige Automaten sind durch einen Brand in der Lager- und Versandhalle ausgefallen.

- Er hat mir davon nur kurz berichtet, dass es zu Schwierigkeiten in der Produktion gekommen sei. Die Belieferung der Kunden sei aber nicht ernsthaft gestört. Mehr weiß ich nicht.

- So einfach ist es nicht, sagte Wolfgang sichtlich irritiert. Im Gegenteil: Wir haben erhebliche Lieferprobleme. Wir warten noch auf die neuen Automaten. Die haben lange Lieferzeiten. Hinrich lässt das alles viel zu lange schleifen. Er setzt sich nicht energisch genug für die Firma ein. Er beschäftigt sich viel zu sehr mit anderen Dingen.

- Julia fühlte sich verunsichert. Hoffentlich ist es nicht zu Fehlchargen gekommen. Wir vertrauen auf die einwandfreie Qualität der gelieferten Substanzen. Wir haben keine Möglichkeiten, alle Lieferungen lückenlos zu untersuchen.

- Ich wünschte, dass du hier bei uns bliebest, sagte Wolfgang. Hier warten große Aufgaben auf dich. Wir brauchen dich hier dringend. Die Probleme wachsen mir über den Kopf. Ich bin zu alt für die Leitung der Firmengruppe und brauche dringend einen Nachfolger. So ein Mann ist schwer zu finden. Es muss eine erfahrene und vertrauenswürdige Person sein, die mit der Branche vertraut ist. Du kennst dich aus, und ich habe Vertrauen zu dir.

- Du hast Hinrich hier zu deiner Verfügung. In Nicaragua ist keiner, der mich ersetzen kann. Die Menschen vertrauen mir. Sie brauchen mich.

- Auch hier wirst du gebraucht.

- Ihr werdet schon den richtigen Nachfolger finden, sagte sie, als sie sich erhob: Ich will mich noch etwas zurechtmachen.

Sie verabschiedete sich und zog sich in ihr Zimmer im oberen Stockwerk zurück. Irgendwo hörte sie Hinrich Klavier spielen. Die Töne schienen aus seinem Zimmer zu kommen. Offenbar probte er den langsamen Satz aus dem Doppelkonzert von Brahms.

Sie war beunruhigt über die Tatsache, dass ihr Vater über die unerklärlichen Todesfälle bei den Tests Bescheid wusste. Wie war die Information dorthin gelangt? Offenbar hatte Ingrid geredet. Julia hatte versucht, die Information in den eigenen Reihen zu halten, aber jetzt war es heraus: Ihr Vater wusste Bescheid, das war ihr nicht recht. Sie hätte Ingrid dazu befragen können. Sie brauchte Klarheit, was gespielt wurde. Sie hätte sie zur Rede stellen müssen, aber nicht jetzt. Jetzt wollte sie keinen Konflikt mit ihrer Tante und vor allem nicht mit ihrem Vater kurz vor seinem Geburtstag. Im Augenblick hatten sie Wichtigeres zu tun.

- Störe ich dich beim Üben?, fragte sie als sie Hinrichs Zimmer betrat.

- Nein, komm nur herein. Es ist mir sehr recht, dass du kommst. Wir müssen uns noch abstimmen. Setze dich etwas zu mir.

Julia hatte ihr Cello aus dem Kasten genommen und stimmte ihr Instrument mit Hilfe einiger Akkorde, die Hinrich auf dem Klavier anschlug. Enttäuscht stellte sie fest, dass ihr Instrument total verstimmt war.

- Es ist jedes Mal so, wenn du von einer Reise zurückkehrst. Das kennst du doch und du wirst dein Instrument schon wieder richtig stimmen.

Julia strich noch ein paar Saiten und lehnte ihr Instrument lustlos an den Flügel: Hinrich, bevor wir anfangen, möchte ich noch etwas geklärt wissen, das mich belastet.

- Was ist es? Er ahnte, dass etwas Wichtiges kommen würde.

- Es geht um die Häufung der Todesfälle bei unserer letzten Testserie. Wir hatten bereits über die möglichen Ursachen gesprochen. Was mich wundert ist, dass unser Vater darüber informiert war. Offenbar hat ihm seine Schwester davon berichtet. Ich weiß nicht, von wem sie die Nachricht hat. Vielleicht hat jemand bei ihrem Besuch in meinem Institut davon berichtet. Wusstest du auch davon?

- Nein, ich habe nur etwas davon läuten gehört. Ich wollte mich da nicht reinhängen. Das betrifft mich nur am Rande.

- Vielleicht nicht, jedenfalls nicht bis wir die wahre Ursache kennen. Hast du Nachforschungen angestellt, ob die Beschriftung, die Verpackung und der Versand der Medikamente ordnungsgemäß erfolgt sind?

- Ja, habe ich, antwortete Hinrich, aber seine Stimme verriet Unsicherheit. Sie hatte eine schwärende Wunde berührt. Es saß ein eiternder Stachel tief in seinem Fleisch.

- Und zu welchen Ergebnissen hat das geführt? Sie wollte die ganze Wahrheit wissen.

- Ich bin die Versandlisten durchgegangen, es scheint alles in Ordnung zu sein. Die Placebos waren mit der korrekten Nummer auf der Verpackung gekennzeichnet. Hier bei uns gibt es keine Unregelmäßigkeiten. Wir haben die alten Sortier- und Verpackungsmaschinen aus der Werkstatt hervorgeholt. Sie sind neu justiert und geprüft worden. Das Problem muss bei euch liegen.

- Hast du wirklich alles sorgfältig geprüft?, erkundigte sie sich nachdrücklich. Ihre Stimme verriet, dass sie genervt war. Irgendeiner sagte nicht die volle Wahrheit.

- Ja. Ich werde zur Klärung nicht mehr viel beitragen können. Du musst die Ursache bei euch suchen oder bei Ingrid. Vielleicht ist es nur eine zufällige Koinzidenz von verschiedenen Faktoren, die nichts mit den Tests zu tun haben.

- Sie war über den Vorwurf ihres Bruders verärgert und antwortete nicht.

Mürrisch holte sie ihr Instrument, strich ein paar Saiten und korrigierte den Ton. Sie versuchte sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren.

- Ich denke, bevor wir anfangen, sollten wir uns über die Tempi verständigen.

- Ach herrjeh, die Tempi! Immer wieder die Tempi!

- Was ist damit? Das muss doch geklärt sein, bevor wir mit den Proben beginnen.

Hinrich holte zu einer längeren Rede aus, denn das Thema war ihm wichtig:

- Ich habe mich mit meinem Lehrer mit der Tempo-Diskussion bei Pablo Casals, dem hervorragenden Brahms-Interpreten, befasst. Er hatte einmal gesagt: Die Tempi werden bei Brahms sehr oft missverstanden. Als Beispiel wählte er das Finale des Doppelkonzerts. Er wies darauf hin, dass Brahms dieses Werk nicht in Schlägen von Vierteln, sondern von Achteln auffasste, mit der entsprechenden Verminderung des tatsächlichen Tempos. Für uns würde es gewöhnlich Andante sein, für Brahms ist es Vivace non troppo, weil er in Achteln zählte. Darum wird Brahms sehr oft – nahezu immer – zu schnell gespielt. Das auf die einzelnen Achtel aufmerksam gemachte Ohr hat nun trotz der verminderten Geschwindigkeit den Eindruck von Schnelligkeit. Das hat einen anderen Charakter, das ist das Brahms-Tempo. Daher ist es nicht notwendig, die ausdrucksvolle Melodie im Mittelteil langsamer zu spielen.

- Julia reagierte etwas frostig: Wir werden es versuchen. Du weißt, wie wenig ich die Streite über Tempo-Annahmen mag, und wie sehr für mich das innere Maß der Bewegung entscheidet. Da kann ich keine Kompromisse machen.

- Er versuchte, die Schärfe aus der Unterhaltung zu nehmen: Du hast vollkommen recht, aber wir beide sind äußerst unterschiedliche Menschen mit ganz anderen Gefühlswelten, und wir müssen uns gegenseitig auf einander einstellen, damit ein harmonisches Ganzes entsteht.

- Wir sind in der Tat so unterschiedlich, dass man kaum glauben kann, dass wir von den gleichen Eltern stammen, aber wir werden uns beim Spiel auf einander einstellen.

Sie probierten ein paar Takte aus dem langsamen Satz:

- Die Harmonie in unserem Vortrag ist unsere Hauptaufgabe, sagte sie. Ich denke, ich werde mich deiner musikalischen Auffassung anpassen, du bist sicher der Begabtere unter uns Beiden.

Auch sie war erkennbar um Entspannung der verkrampften Atmosphäre bemüht.

- Ich weiß nicht, wer von uns beiden der Begabterer ist, bemerkte er.

- Die Unterschiede in unserer Auffassung von der inneren Kraft des Werkes können dazu dienen, den ungeheuren Reichtum der Musik auszudrücken. Wir müssen uns nur einig sein, sagte sie.

- Genau das ist der Punkt. Wir wollen sehen, wie es uns gelingt, den inneren Spannungsbogen zu zeigen sagte er. Und letztlich kommt es auf die Atmosphäre beim Vortrag an. Da bin ich sehr empfindsam.

Die Geschwister begannen mit den Proben und wiederholten die kritischen Stellen wieder und wieder. Hinrich ließ seine Geige in herrlichen Klängen jubeln. Während des Spiels schien er in einer anderen Welt zu leben.

- Sie sagte mit aufrichtiger Bewunderung: Du bist in der Zwischenzeit viel weiter gekommen, verglichen mit dem, was ich vor einem halben Jahr von dir gehört habe. Du musst viel geübt haben.

- Habe ich auch, aber ich muss es heimlich tun, weil Vater mein Spiel nicht hören will. Er meint, ich vernachlässige meine Arbeit.

- Und, ist es so? Hat er recht?

- Hinrich antwortete ausweichend: Es kommt drauf an, von welchem Standpunkt man es betrachtet. Jedes Ding hat zwei Seiten. Vater lebt nur für die Firma. Die Firma ist für ihn sein Ein und Alles, wie du weißt. Ich arbeite, um zu leben. Ich versuche, mein inneres Streben nach dem richtigen Klang mit den Notwendigkeiten des Berufs in Einklang zu bringen. Das ist nicht immer leicht, denn Vater verlangt meinen ungeteilten Einsatz. Für mich ist das anders. Die Firma dient mir dazu, meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

- Das geht uns beiden so.

- Ja, aber mit Unterschieden. Du weißt, dass ich ziemlich anspruchsvoll bin, vor allem, was die Musik betrifft. Ich gehe oft auf Reisen, besuche Konzerte in New York, San Francisco, Paris oder London. Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Klang. Das ist mir wichtig und kostet viel Geld. Ich muss es verdienen. Dividenden zahlen wir schon lange nicht mehr, denn seit Jahren machen wir keine Gewinne. Von den Zinsen meiner Kapitalanlagen kann ich nicht leben. Mein Gehalt ist ziemlich bescheiden. Es reicht kaum zum angemessenen Leben.

- Steht es denn so schlecht um die Firma? Das wusste ich nicht. Ich dachte immer, es läuft alles einigermaßen vor dem Winde.

- Leider nicht. Die Geschäfte laufen seit einiger Zeit schlecht. Sehr schlecht sogar. Unsere Wettbewerber mit günstigeren Standorten im Ausland machen uns das Leben schwer. Uns fehlen neue Medikamente, die bessere Margen bringen.

- Julia verstand den kritischen Hinweis: Tag für Tag bemühe ich mich, forsche und teste. Mehr kann ich wirklich nicht tun. Aber das war auch die vergangenen Jahre nicht anders. Was ist neu daran?

- Stimmt, aber früher konnten unsere Wettbewerber im Ausland die geforderte Qualität nicht halten. Jetzt aber liefern die Maschinenbauer ihre Maschinen sowohl an uns als auch an unsere Wettbewerber in Indien und in Japan. Auch China ist stark im Kommen. Jetzt kommt dazu noch Osteuropa. Das macht es für uns nicht leichter.

- Lass uns jetzt nicht mehr davon reden. Wir haben später noch Zeit. Zuerst müssen wir unser Konzert erfolgreich über die Bühne bringen. Anschließend sprechen wir in Ruhe miteinander. Jetzt kann ich mich nicht darauf konzentrieren.

Das Doppelkonzert

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