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Aufstieg zum Vulkan

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Julia hatte ihren Bruder aufgesucht und zu einem vertraulichen Gespräch gebeten. Es ging um das leidige Thema der fehlenden Wirkstoffe. Sie hoffte, in einer persönlichen Aussprache die dringend benötigten Lieferungen beschleunigen zu können. Sie wollte ihm auf die Notlage ihrer Patienten aufmerksam machen.

Während eines Spaziergangs am See mit Blick auf die Berge hatte Julia ihren Bruder gefragt, ob er sie nicht nach Nicaragua begleiten wollte. Der Anblick erinnerte sie an den Nicaragua See: Bei uns ist es auch so schön, aber wir haben viel besseres Wetter, sagte sie. Er müsse es selbst sehen und könne sich dort auch einen Eindruck von Ihrer Arbeit machen, und außerdem würde ihm die Abwechslung gut tun. Sie könnten dort auch in Ruhe den Geburtstag ihres Vaters besprechen. Hinrich war einverstanden, ihm stand ohnedies der Sinn nach etwas Abstand von der Familie und den Problemen in der Firma.

Schnell waren die Sachen gepackt. Flüchtig verabschiedeten sie sich von ihrem Vater, dem sie alles Gute und vor allem Gesundheit wünschten. Sie flogen von Frankfurt nach Managua, Sandino International Airport. Sie wurden von Michel, Julias engstem Vertrauten, in der Ankunftshalle am Gepäckband erwartet. Überschwänglich nach südamerikanischer Art, begrüßten sie sich. Julia machte ihn mit ihrem Bruder bekannt.

Die Männer verstauten das Gepäck in seinem Toyota RAV4 Executive. Michel fuhr zur pazifischen Küstenebene nach Chichigalpa rund 120 Kilometer nordwestlich von Managua zur Zuckerrohrplantage, wo sich Julias Institut befand. Sie fuhren durch endlose Zuckerrohr- und Kaffeefelder.

- Während der Fahrt gab Julia ein paar Hinweise zur Geschichte der Plantage: Die Plantage gehört seit vielen Jahren einem US-amerikanischen Konzern: Sugar Estate Limited. Sie besitzen mehrere Plantagen in der Region und auch in anderen Ländern. Früher gehörte sie einem der Zuckerbarone, die auf Kosten ihrer Sklaven sehr reich wurden. Die Sklaventreiber wurden im 19. Jahrhundert nach der Revolution aus dem Land vertrieben. Die Firma stellt mehrere Arten von Zucker her. Aber im Wesentlichen wird der braune Saft des Zuckerrohrs zu Rum gebrannt und unter verschiedenen Marken in alle Welt verkauft. Damit wird das große Geld verdient. Leider bleibt davon nur wenig hier im Land, weil die Gruppe ihren Firmensitz aus steuerlichen Gründen auf die Bahamas verlegt hat.

- Arbeitest du für die Firma?

- Nein nicht direkt, aber ich habe mein Forschungsinstitut auf ihrem Gelände. Insofern haben wir viele Berührungspunkte. Schließlich ist die Firma für die Erhaltung der Gebäude und Anlagen zuständig. Letztlich gehört ihr alles. Außerdem versuche ich, ihre Arbeitskräfte gesund zu machen. Dafür zeigen sie sich wenig erkenntlich. Sie sind sehr knauserig mit dem Geld. Die Verantwortlichen lassen sich nur selten hier sehen. Wahrscheinlich haben sie Angst vor der Bevölkerung. Sie haben einen Aufseher hier vor Ort, der die Menschen zur Arbeit antreibt. Das ist es dann auch.

- Ich sehe fast keine Menschen. Wo sind sie? Auf den Feldern bei der Ernte?

- Julia erklärte: Nein, die Erntezeit ist vorbei. Die Arbeiter leben irgendwo in der Stadt oder im Umland. In früheren Jahrhunderten wurde die Ernte fast ausschließlich von schlecht bezahlten Sklaven aus Afrika geleistet. Sie starben früh an Entkräftung und Krankheiten. Grundlegend hat sich die Situation nicht verändert. Die Lebenserwartung der Arbeiter beträgt auch heute noch kaum vierzig Jahre. Krankheiten entstehen durch Erschöpfung, schlechte Ernährung, Pestizide und durch das ungesunde Klima. Häufiges Fieber und Nierenversagen breiteten sich wie eine Epidemie aus. Auch heute noch werden Kinder zur Arbeit eingesetzt, weil sie weniger Geld verlangen. Die Haupternte des Jahres fällt in die Monate April bis Juli. Sie ist jetzt schon fast vollständig eingebracht. Die Menschen leben von dem Ertrag ihrer Arbeit. Das reicht kaum aus zum Leben.

Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichten sie die Plantage. „Flor de Cana. Zutritt streng verboten“ stand auf dem Torbogen über der Einfahrt. Die Einfahrt war mit einer Schranke versperrt. Zäune aus Stacheldraht soweit man sehen konnte. Auf der rechten Seite ein Wachhäuschen. En bewaffneter Mann in Uniform trat heraus und grüßte die Ankommenden. Misstrauisch blickte er in den Wagen und konnte nichts Verdächtiges sehen.

- Michel grüßte lässig: Alles Okay.

Der Mann nahm Haltung an und salutierte. Die Schranke wurde geöffnet, sie fuhren durch endlose Zuckerrohrfelder weiter zum Dorf, das sie nach etwa einem Kilometer erreichten.

Ein Blütenmeer umgab das Dorf wie ein undurchdringlicher Schutzwall. Er verstellte den Blick für die harte Wirklichkeit, die sich dahinter verbarg: Arbeitslosigkeit, Armut, Drogen, Unterernährung und Krankheiten. Fast unbekleidete Kinder spielten auf der Straße. Sie führte zu einem Platz. An der Ecke ein flaches, langgestrecktes Gebäude.

- Das ist unser Forschungsinstitut, sagte Julia. Gleich daneben befindet sich das große Krankenhaus und gegenüber liegt die Schule. Dort gebe ich gelegentlich Musikunterricht für die Kinder, wenn ihre Lehrerin nicht da ist. Die Arbeit mit den Kindern macht mir viel Spaß. Sie ist ein gewisser Ausgleich für meine anstrengende Arbeit im Institut.

Ohne weiteren Aufenthalt fuhr Michael auf direktem Weg zu Julias Haus, damit sie sich etwas frischmachen und umziehen konnten. Sie bewohnte ein komfortables Haus, das vor der Jahrhundertwende einem Plantagenbesitzer, einem der reichen Zuckerbarone, gehört hatte.

Der Wagen hielt vor dem Eingang. Eine leicht verfallene Steintreppe führte zum Erdgeschoss. Die Villa hatte sicher einmal bessere Tage erlebt, als hier noch Feudalherren residierten. Michel winkte einem jungen Mann, der wortlos das Gepäck ins Haus trug. Es bot genügend Platz für ihren Gast, der ein geräumiges Gästezimmer mit separatem Bad erhielt. Sie verstauten provisorisch ihre Sachen, um genügend Zeit für die Besichtigung ihres Instituts zu haben.

Den kurzen Weg zum Institut fuhren sie mit Michels Wagen. Es war ein langgestreckter Flachbau, wohl etwa vor zwanzig Jahren errichtet. Sie gingen zunächst in ihr Arbeitszimmer, wo sie einen kurzen Blick auf einige Statistiken und Berichte warf. Julia schien mit den Berichten zufrieden zu sein.

Anschließend besuchten sie die Laboratorien: Weiß gekachelte Räume und Tische mit Wasseranschluss und unzähligen Phiolen, Regalen und Bunsenbrennern. Julia begrüßte ihre Mitarbeiter, die respektvollen Abstand wahrten. Sie erkundigte sich bei jedem einzelnen, den sie mit vollem Namen ansprach, wie es ihm ginge, was Frau und Kinder machten und wie die Arbeiten vorankämen. Hinrich konnte kein Wort verstehen, weil sie Spanisch sprachen, aber die Antworten schienen auf keine besonderen Probleme hinzudeuten.

Sie erklärte ihrem Bruder ihre Arbeit:

- Hier in diesen Räumen spielt sich unser tägliches Leben ab. In diesen Laboratorien machen wir die Tests und daneben unsere Forschungsarbeit. Die Berichte erstelle ich drüben in meinem Privatbüro, wo ich ungestört arbeiten kann. Dort könnten wir einen Kaffee trinken, wenn du willst. Oder etwas anderes, vielleicht einen Saft.

Sie gingen über den Gang in ihr Büro. Und setzten sich an den kleinen Besprechungstisch.

- Ich erfuhr neulich, sagte Hinrich und senkte die Stimme, damit ihn keiner hören könnte, dass ihr während der letzten Testphase eine größere Anzahl von Todesfällen gehabt haben sollt. Stimmt das und wurden inzwischen die Ursachen geklärt?

- Leider stimmt es. Bezüglich der Ursachen tappen wir noch immer vollkommen im Dunkeln. Möglich, dass es sich um die natürlichen, bis heute leider nicht gänzlich zu vermeidenden, Todesursachen handelt. Die Patienten sterben meistens an Nierenversagen. Aber wir wissen nicht genau, welches die Ursache der Krankheit ist, und warum die Medikamente nicht helfen. Viele unserer Patienten sind ziemlich schwach, wenn sie zu uns ins Krankenhaus kommen. Sie sind schlecht ernährt und von harter Arbeit ausgemergelt. Eines Tages hoffen wir mit Hilfe unseres neuen Wirkstoffs Vexalin die Krankheit wirkungsvoll bekämpfen zu können. Aber wir sind noch nicht so weit. Bis dahin wird der Tod wohl unser ständiger Begleiter sein.

Ein Leichenwagen fuhr am Fenster vorbei. Über Lautsprecher wurde die Beerdigung für den folgenden Tag angekündigt, übersetzte Julia und fuhr fort:

- Das ist hier so üblich. Sie laden alle Dorfbewohner zu der Beerdigung ein. Fast wöchentlich finden solche Feiern statt.

- Ich hoffe, sie waren nicht deine Patienten, und vor allem nicht an den Tests beteiligt.

- Leider waren sie es. Einige wenigstens. Das macht mir große Sorgen, weil wir die Ursachen nicht kennen.

- Ihr müsst sie unbedingt so schnell wie möglich herausfinden, forderte Hinrich, wobei seine Stimme den Ernst der Situation ausdrückte. Solche Häufungen von Todesfällen können sich schnell zu einem öffentlichen Skandal ausweiten.

- Wem sagst du das? Ich weiß es selbst. Wir arbeiten Tag und Nacht an der Erforschung.

- Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber die Sache kann zu einer offiziellen Untersuchung führen, bei der unter Umständen einige Fakten ans Tageslicht kommen können, die für uns alle sehr unangenehme Folgen haben können. Habt ihr die Testreihen sorgfältig dokumentiert?

- Ja, Michel ist sehr gewissenhaft, beteuerte Julia, aber sie war sich bezüglich seiner Mitarbeiter nicht sicher. Irgendein Problem mussten sie übersehen haben, aber welches? Sie wusste es nicht.

- Habt ihr Klimaanlagen in den Laboratorien?, wollte Hinrich wissen.

- Warum fragst du?

- Einige Medikamente vertragen das feuchtheiße Klima nicht. Die Wirkstoffe verändern sich bei unsachgemäßer Lagerung.

- Gehört dazu auch das Vexalin?

- Ja, wahrscheinlich das auch, aber wir wissen es noch nicht genau.

- Wer ist : „Wir“?.

- Die Prüfung der Wirkstoffe auf Umweltverträglichkeit fällt in den Zuständigkeitsbereich von Ingrid, wie du weißt. Nicht in meinen.

- Ich dachte, Lagerung und Versand wären dein Aufgabenbereich.

- Ist es auch. Aber nicht die Prüfung der Umweltverträglichkeit. Dazu habe ich nicht die Möglichkeiten. Nur Ingrid hat die entsprechenden Laboratorien im Krankenhaus, wie du weißt.

- Sie hat mir von den bestehenden Problemen nichts erzählt, obwohl sie vor einigen Wochen hier bei uns zu Besuch war.

- Ach, davon hat sie mir nichts gesagt. Das wusste ich nicht.

- Redet ihr denn nicht miteinander?

- Nur selten. Sie mag mich nicht besonders.

- Das ist nicht gut, für euch und vor allem nicht für die Firma.

- Ich kann es nicht ändern.

- Ihr müsst das Produkt gegen Wärme und Feuchtigkeit schützen, denn wir können uns hier nicht überall Klimaanlagen leisten. Nur hier in meinem Büro gibt es eine.

- Sonst nicht?

- Nein. Das können wir derzeit leider nicht ändern, weil uns die Mittel für die Installation einer Klimaanlage fehlen. Deshalb behelfen wir uns so, dass wir die chemischen Substanzen in abgedunkelten Räumen in der Mitte des Gebäudes analysieren. Dort haben wir auch das Labor, in dem wir die den Testpersonen entnommenen Blutproben entnehmen können. Bei der Untersuchung konzentrieren uns dabei vor allem auf die Nierenwerte, bestimmen den Gehalt an Magnesium, Kalium, Kalzium und Natrium. Das übliche eben. Das ist das Reich von Michel. Die statistische Auswertung der Daten erfolgt mit Hilfe eines Computerprogramms. Vor dem Bildschirm verbringt er den größten Teil seiner Zeit.

- Arbeitet ihr in Übereinstimmung mit den Richtlinien für Good Clinical Practise – GCP für die Durchführung der klinischen Tests an Menschen?, erkundigte sich Hinrich.

- Ja, wir sind ISO 14155 zertifiziert. Wir halten die dort genannten Vorschriften peinlich genau ein, so hoffe ich wenigstens. Ich kontrolliere selbst, wo immer es geht. Aber oft fehlt es mir an der notwendigen Zeit.

- Haben fremde Personen Zutritt zu diesem Gebäude?, wollte Hinrich wissen.

- Normalerweise nicht. Aber manchmal kommt es vor, wenn die Räume desinfiziert werden.

- Wie oft geschieht das?, erkundigte sich Hinrich, der an diesem Punkt besonders interessiert zu sein schien.

- Wir reinigen täglich Boden und Wände. Aber die wertvollen Apparaturen werden nur von dem dort beschäftigten medizinischen Personal gereinigt. Unsere Putzkräfte sind ganz einfache Frauen. Die lassen wir nicht an die empfindlichen Geräte. Dabei könnte viel zerstört werden. Das ist mir zu riskant.

- Das machen wir bei uns genauso, pflichtete ihr Hinrich bei. Die elektronischen Geräte dürfen nicht mit aggressiven Flüssigkeiten in Berührung kommen. Zudem könnten Einstellungen verändert werden, wenn unerfahrene Menschen damit in Kontakt treten.

- Im Prinzip arbeiten wir hier genauso wie in München. Wir haben die gleichen Vorschriften. Da gibt es keine Unterschiede.

- Aber es muss doch Unterschiede geben, denn wir haben bei uns nicht diese Häufung von Todesfällen, beharrte er.

- Wenn ich es wüsste, sagte Julia und hob etwas verzweifelt die Hände. Vielleicht liegt das Problem bei euch in der Produktion, in der Lagerhaltung oder im Versand? Wir beziehen ausschließlich die Substanzen aus unserem Münchener Werk.

- Ich kann mir nicht vorstellen, dass darin das Problem liegt. Zugegeben, wir nutzen seit einiger Zeit neben den alten Maschinen einen neuen Abfüllautomat, aber daran kann es nicht liegen.

- Aber warum bekommen wir nur so geringe Mengen von dem Wirkstoff? Wir können unsere Patienten nicht ausreichend mit dem Medikament versorgen. Unsere Sterblichkeitsrate bei unseren Patienten hier ist exorbitant hoch. Das kann so nicht weitergehen. Also: Was kannst du für uns tun?

- Im Augenblick sind mir die Hände gebunden. Wir brauchen unbedingt neue Maschinen, aber Vater bewilligt mir kein Geld für die notwendigen Investitionen.

- Was würdest du denn anders machen, wenn du an seinem Platz stündest?

- Ich verstehe zwar nichts von Finanzen, aber ich würde im Unternehmen andere Prioritäten setzen. Ich würde weniger Geld für repräsentative Gebäude, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit ausgeben und dafür mehr für Investitionen.

- Offenbar sieht Vater das anders?

- Darüber reden wir nicht miteinander. Er meint, dass ich ausschließlich für die Produktion zuständig sei. Außerdem glaubt er, dass ich mich nicht genügend für die Firma einsetze, aber das stimmt nicht. Vielmehr ist es so, dass er jetzt ziemlich schwach ist. Er geht nur noch für wenige Stunden ins Büro, dann muss er sich ausruhen und hinlegen. Die Firma ist derzeit nahezu ohne Führung.

- Was willst du tun, um das zu ändern?

- Im Augenblick kann ich nichts machen. Ich kann nur warten, bis er selbst zu der Einsicht kommt, dass er das Ruder aus der Hand geben muss.

- Letztlich wartest du also auf sein baldiges Ende?

- So kann man das nicht sagen. Aber ein Wechsel in der Unternehmensführung wäre überfällig.

- Möchtest du sein Nachfolger werden?

- Im Prinzip schon, aber er wird es nicht zulassen. Er hält nicht viel von mir. Bei dir wäre es anders. Du hast sein volles Vertrauen. Könntest du nicht in die Firmenleitung eintreten?, fragte er ohne große Hoffnung. Dann wären wir die augenblicklichen Schwierigkeiten los.

- Nein, meine Aufgabe ist hier. Ich bleibe in der Forschung und will mein kleines Unternehmen, wenn es erfolgreich ist, an die Börse bringen oder an einen großen Pharma-Konzern verkaufen. Dann wäre ich unabhängig, könnte meinen eigenen Weg gehen.

- Aber das ist noch ein weiter Weg. Erst brauchst du die Zulassung zu dem neuen Medikament.

- Das ist mir vollkommen klar, sagte sie. Vor allem brauchen wir Zeit. Damit sie uns nicht davonläuft, brauchen wir einen neuen Geschäftsführer für die Gruppe. Wenn du das Vertrauen von Ingrid hättest, dann könnten wir drei einen Gesellschafterbeschluß fassen und dich zu seinem Nachfolger wählen, denn wir Drei haben die Kapitalmehrheit. Wir müssten uns nur einig sein.

- Das würde ich gegen Vaters erklärten Willen nie machen. Das würde auch nicht gut gehen, sagte er und kauerte sich zusammengesunken auf seinem Stuhl.

- Ist dir nicht gut? Möchtest du dich hinlegen?

- Nein, sagte er. Ich sehe nur keinen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Wir brauchen Hilfe von außen.

- So schlecht ist unsere Lage gar nicht, gab sie zu Bedenken: Du müsstest das Vertrauen unseres Vaters und seiner Schwester gewinnen. Du müsstest an irgendeiner Stelle auf einen persönlichen Erfolg verweisen können. Du müsstest etwas ganz Spektakuläres tun, damit du Vaters Zustimmung zu deiner Nachfolge bekommst. Er muss Vertrauen zu dir gewinnen.

Hinrich schöpfte neuen Mut, indem er in sich hineinhorchte. Plötzlich eröffnete sich eine neue Perspektive für ihn: Er brauchte einen Erfolg. Das Glück musste ihm helfen oder das Schicksal. Er wollte sich etwas einfallen lassen und suchte Zeit zu gewinnen. Ich denke, sagte er und erhob sich mühsam als sei er ein alter Mann, wir sollten uns mit diesem kritischen Thema zu einem späteren Zeitpunkt eingehender befassen. Damit wollte er den Raum verlassen, um allein zu sein. Zudem spürte er den unerträglichen Druck, der auf ihm lastete.

- Sie aber hielt ihn zurück: Vergiss nicht, die Zeit drängt. Fast jeden Tag haben wir hier neue Opfer zu beklagen. Die Presse wird schon aufmerksam. Neulich schnüffelten hier ein paar Journalisten herum. Sie stellten den Angestellten viele unangenehme Fragen. Wir mussten sie mit Gewalt von der Plantage jagen. Darüber hat die regionale Presse ausführlich berichtet. Wir werden schon mit den alten Machthabern der Drogenkartelle in Verbindung gebracht.

- Hoffentlich greifen die überregionalen Zeitungen dies Thema nicht auf. Ich möchte nicht beim Frühstück in der Presse lesen, dass man dich gekidnappt oder gar erschossen hat.

- Das hoffe ich auch. Es ist nicht gut, wenn man erst einmal in die Schlagzeilen geraten ist.

- Irgendetwas bleibt immer hängen. Da kann man tun, was man will. Man hat einen Makel, der an einem klebt. Und den will ich nicht haben.

- Um abzulenken fragte sie ihn, ob er einen besonderen Wunsch für seinen restlichen Aufenthalt auf der Plantage habe, den sie ihm nach Möglichkeit erfüllen würde. Er sagte, dass er gerne Land und Leute kennenlernen würde, wenn das in der kurzen Zeit noch möglich wäre.

Sie griff zum Telefon und bat Michel zu sich:

- Kannst du kurzfristig eine Fahrt zum Pazifik oder vielleicht zum Lago di Nicaragua oder zum Cocibolca See organisieren?

Ohne sich lange zu besinnen sagte er, es sei kein Problem, sie müsse nur sagen, wann sie fahren wolle. Am bestem wäre es, wenn sie sich eine ganze Woche oder sogar zehn Tage Zeit nehmen würden. Die Fahrt sei ziemlich weit und auch beschwerlich, die Straßen seien schlecht und vielleicht wollten sie auch an einigen besonders schönen Stellen etwas verweilen oder sogar im Pazifik baden. Auch wäre eine Trekking-Tour entlang der Vulkankette sehr zu empfehlen. Dann könnten sie auch die historischen Städte der Spanier besichtigen. Er würde gern die Führung übernehmen.

- Sie beendete das Gespräch: Vielen Dank Michel, ich gebe dir noch Bescheid.

Ihr Bruder verstand den Wink und wollte den Raum verlassen:

- Das hört sich gut an, sagte er

- Nicht so eilig, sagte sie, setze dich noch einen Augenblick, wo willst du denn hin?

Er setzte sich wieder wie ein gehorsames Kind: Wann könnten wir fahren?

- Leider habe ich dazu keine Zeit. Aber du könntest allein mit ihm fahren, wenn du willst. Er kann dir sehr viel über sein Land erzählen. Er kennt sich gut aus.

- Ich will es mir überlegen. Das Angebot ist sehr verlockend.

- Julia wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Dann blickte sie aus dem Fenster: Ich würde dir gerne noch die Schule zeigen, wo ich Musik unterrichte. Dort ist auch unser neuer Festsaal. Kürzlich hatten wir eine Aufführung der Zauberflöte mit der Musik von Mozart. Das war ein voller Erfolg. Die Kinder waren mit Begeisterung bei der Sache, und ihren Eltern hat es auch gefallen.

- Wie bist du denn auf dieses Stück gekommen? Das ist doch für Kinder viel zu anspruchsvoll.

- Im Gegenteil: Das Werk ist besonders für Kinder geeignet, denn es entspricht ihrer Welt von Geistern, Dämonen und göttlichen Wesen. Und die Musik lässt sie zur inneren Ruhe kommen. Sie wirkt wie heilsame Medizin.

- Das glaube ich gern. Auch auf mich wirkt sie beruhigend und inspirierend zugleich.

Sie griff in eine Schublade und holte eine Mappe hervor:

- Schau dir das an. Ich zeige dir ein paar Bilder von der Aufführung. Dies Gebäude dort drüben ist unsere Schule mit dem Festsaal, den ich vor kurzem anbauen ließ. Dort haben wir die Aufführung gemacht. Es war mir wichtig, den Kindern zu zeigen, dass Forschen, Lehren und Lernen eng zusammen gehören. Die Kinder haben große Ehrfurcht vor uns Forschern. Wir scheinen ihnen manchmal wie höhere Wesen, fast wie Magier in einem Zauberreich oder eine Art Medizinmann. Einige möchten später auch Forscher oder Arzt werden, wenn sie mit der Schule fertig sind.

Das nächste Bild: Ein Blick in den Unterrichtsraum: Julia unterrichtete Musik in einer Klasse von neun bis zwölfjährigen Mädchen und Jungen. Sie hielt ihr Cello in der Hand. Ein einfacher Raum mit ein paar Schreibpulten für die Schüler mit Blick auf die Wandtafel. Davor ein etwas erhöhtes Podest, für die Lehrkraft. Meistens ein Engländer oder Amerikaner, wie Julia erläuterte. An diesem Tag vertrat sie ihre seit ein paar Wochen erkrankte Kollegin, erklärte sie. Durch die geöffneten Fenster mit Holz-Jalousien schien die spärlich abgedunkelte Sonne. Es war heiß und tropisch feucht in der Nähe der fruchtbaren Küstenebene nordwestlich von Managua. Ein ideales Klima für den Anbau von Zuckerrohr, aber für die Menschen ungesund zum Leben.

Sie trug einen leichten Rock und eine Bluse. Sie schrieb ein paar Worte an die Tafel: „Wir wollen leben und lernen, damit es uns künftig besser geht.“

- Die Kinder klatschten und riefen begeistert: „Ja, wir wollten leben!“, riefen sie.

- Das ist anrührend, sagte Hinrich.

- Ist es wirklich. Das ist unter den harten Lebensbedingungen wirklich nicht einfach, sagte Julia. Sie bekommen nur selten einen vernünftigen Unterricht.

- Kann ich mir vorstellen.

- Möchtest du ein Glas Wasser trinken oder etwas anderes?

- Danke. Sehr gerne nehme ich noch einen Saft, sagte Hinrich.

Es folgte ein weiteres Bild, welches das lebhafte Treiben auf der Straße zeigte. Offenbar war der Unterricht beendet.

Julia unterbrach ihren Bericht, um sich zu vergewissern, ob er ihren Ausführungen folgte. Sie tranken noch ein Glas Saft.

- Erzähl mir, wie es weiter gegangen ist, drängte Hinrich. Ich bin ganz gespannt.

- Du kennst das Libretto, fuhr Julia unbeirrt fort, aber wir haben es etwas verändert, ein bisschen vereinfacht, für Kinder verständlicher gemacht.

- Wie bist du denn auf dieses Werk gekommen?, wollte Hinrich wissen. Ist es nicht zu anspruchsvoll? Können die Kinder die komplizierte Handlung verstehen?

- Die Kinder lieben die Zauberwelt mit ihren Gefahren und Hoffnungen. Sie sehen uns Forscher in der Rolle der Zauberer und der Geister. Die Königin der Nacht ist mächtig und beherrscht die Unterwelt. Sie muss besiegt werden. In der Märchenwelt stehen sich das Gute und das Böse immer in einem stetigen Wettkampf um die Vorherrschaft gegenüber. Und am Schluss siegt das Gute. So wollen es die Kinder. In der Zauberflöte ist es im Prinzip auch so, aber ich muss gestehen, dass das Libretto voller Ungereimtheiten steckt.

- Mich hat die Königin der Nacht immer fasziniert, erklärte Hinrich, denn sie ist eine in sich widersprüchliche Erscheinung, wahrscheinlich ist sie gerade so wie wir alle. Sie vereinigt die Weisheit und gleichfalls die Tücken der Finsternis in einer Person.

- Und auch bei Sarastro ist es ähnlich. Zuerst denken wir, er sei böse, weil er Pamina geraubt hat, dann aber erkennen wir in ihm den der Hüter der Weisheit. Er prüft, wer in den Kreis der Erwählten im Tempel der Weisheit aufgenommen wird. Und am Ende reicht er der Königin der Finsternis die Hand zur Versöhnung. Darum geht es mir, ich möchte die Versöhnung zwischen dem Guten und dem Bösen und möchte der Wahrheit zum Sieg verhelfen.

- So habe ich das nie gesehen, sagte Hinrich, aber es ist schon lange her, dass ich die Oper gesehen habe. Ich bin eigentlich nur wegen der Musik dorthin gegangen. Das Libretto hat mich weniger interessiert.

- Das ist mir auch so ergangen, bis ich mich näher mit seiner Entstehungsgeschichte befasst habe, erklärte Julia. Abgesehen von der Musik wollte ich den Kindern zeigen, dass der Weg zum ersehnten Erfolg oft recht mühsam und steinig ist. Und hier schlage ich die Brücke zu unserem Leben als Forscher und Arzt, denn wir treten in diesem Stück auf der Bühne in unserer Berufskleidung auf.

- Das ist interessant. Ihr spielt mit? Wie bringt ihr Mozarts Musik zur Geltung?

- Ich lasse die Musik wieder und wieder von der CD erklingen. Wir haben einen guten Verstärker und große Lautsprecher. Einige besonders wichtige Passagen wiederhole ich während der Proben auf meinem Cello, und Michel begleitet mich auf dem Klavier.

- Michel spielt Klavier? Das wusste ich nicht.

- Sehr gut sogar! Er hat am Konservatorium in London Unterricht im Klavierspiel erhalten. Er hat eine Anzahl nationaler Preise bekommen. Er ist durchaus in der Lage, eine schwierige Partitur vom Blatt zu spielen.

- Alle Achtung! Wird er denn seine Musiker-Ausbildung fortsetzen?

- Das ist noch nicht entschieden. Jetzt widmet er sich vor allem den klinischen Tests. Dann sehen wir weiter. Er spielt nur zu seinem Vergnügen, und wir musizieren des Öfteren gemeinsam.

- Musik zur Entspannung. Darum beneide ich euch. Leider fehlt mir ein geeigneter Partner.

- Wir könnten hier ein Trio zusammen spielen. Was hältst du davon?

- Gern. Vielleicht das H-Dur Trio von Brahms?

- Warum nicht?

- Lass uns später davon reden. Jetzt interessieren mich vor allem deine Erfahrungen mit dem Musikunterricht. Wie reagieren die Kinder auf die komplizierte Handlung?

- Also zurück zur Zauberflöte: Wichtige Stellen spiele ich ihnen vor. Auf diese Weise erkläre ich den Kindern die unterschiedlichen Motive der einzelnen Figuren. Die Kinder folgen dem Geschehen fasziniert. Sie werden Teil dieser Märchenwelt. So wie es auf der Bühne dargestellt wird, so ist es eben in der geheimnisvollen Welt der Geister, Zauberer und der Mächtigen in unserer Welt. Eines ist allen klar: Im Hintergrund wirken dunkle Mächte, die den Helden verderben wollen, aber die wahre Liebe führt zur Versöhnung. Am Ende wissen das alle: Es sind die mächtigen Konzerne, die die Menschen unterdrücken und die zugesagten Entschädigungsgelder veruntreuen. Eine korrupte Gesellschaft, in der sie leben. Den Mächtigen geht es nur um den Erhalt ihrer Macht und um das Geld. Das Spiel beherrschen sie, sie haben es schon seit vielen Generationen geübt. Sie spielen es meisterhaft.

- Gehst du mit dieser Darstellung nicht zu weit?, wollte Hinrich wissen. Ist das nicht für euch gefährlich?

- Das glaube ich nicht, sagte Julia. Die Menschen vertrauen mir, und ich kenne meine Grenzen. Mir geht es darum, die Kinder von der Straße zu holen, und sie sinnvoll zu beschäftigen. Ich will, dass sie etwas lernen und dass sie sich ein Ziel geben, welches sie erreichen wollen. Dabei müssen sie verschwiegen sein und sich klug verhalten.

Julia klappte das Album zu, erhob sich und wandte sich zum Gehen: Auch wir müssen uns klug verhalten, wenn wir unser Ziel erreichen wollen.

- Welches Ziel?

- Du kennst es: Wir müssen die Menschen von ihren Krankheiten befreien und die Firma retten. Dabei müssen wir viele Widerstände überwinden. Gerade so wie Tamino und Pamina. Wir müssen den feindlichen Zaubergarten durchschreiten. Das wird nicht leicht sein.

- Wir haben leider kein mystisches Glockenspiel zu unserer Verfügung, sagte er ziemlich traurig. Ich könnte jetzt eines sehr gut gebrauchen. Ein Kling und ein Klang, und schon kommt die Hilfe von oben oder von irgendwo.

- Nein, leider haben wir das nicht, aber wir haben die Musik. Sie wird uns helfen.

- Ja, die Musik soll uns helfen. Sie wird uns die richtigen Wege zeigen. Deine Aufführung hat mich sehr interessiert, sagte Hinrich. So etwas würde ich auch gerne einmal machen. Die Arbeit mit Musik und Kindern ist bestimmt befriedigend und sehr inspirierend.

- Das ist sie in jedem Fall. Und es kommt immer etwas zurück. Wir Künstler bekommen große Anerkennung von vielen Menschen. Das hilft uns bei unserer Arbeit. Die Menschen spüren, dass wir etwas für sie tun wollen.

- Das ist sicher ein erhebendes Gefühl, sagte er voller Bewunderung. Bei dieser Gelegenheit sollten wir uns mal mit Vaters Geburtstag beschäftigen. Ich möchte ihm etwas Besonderes bieten. Er hat große Erwartungen, besonders an mich. Leider können wir zu seinen Ehren keine solche Aufführung auf die Beine stellen. Ein Konzert würde ihm bestimmt große Freude machen.

- Ein Konzert? Wie soll das gehen?, fragte sie erstaunt. Woran denkst du dabei? Du hast bestimmt eine konkrete Vorstellung von dem, was du machen willst.

- Ich denke mir das so: Wir beide spielen das Doppelkonzert von Brahms. Wir haben es vor Jahren schon einmal zu meiner Abschlussprüfung in der Aula der Musikhochschule gespielt.

- Ja, ich weiß. Damals hatten wir ein großes Orchester von Mitgliedern der Meisterklasse zu unserer Verfügung.

- Kein Orchester. Das schaffen wir nicht. Nur wir beide musizieren mit professioneller Klavierbegleitung.

- Wer übernimmt den Klavierpart?

- Ich könnte meinen Lehrer Paulsen bitten, den Orchesterpart auf dem Klavier zu spielen. Er ist mit Vater gut befreundet, und wir könnten es im kleinen Rahmen in unserem Hause machen. Wir würden unserem Vater eine große Freude bereiten. Es schätzt dieses Konzert sehr, weil es unsere Mutter oft gespielt hat. Du weißt, dass sie eine bedeutende Geigerin war. Es gibt ein paar Aufnahmen von ihrem letzten Konzert, das sie gegeben hat. Sie sah wundervoll aus, mit ihrem engen roten Kleid, in dem sie immer schulterfrei spielte. Vor allem die Männer lagen ihr buchstäblich zu Füßen. Sie genoss die Anerkennung und die öffentlichen Auszeichnungen.

- Ich weiß. Hoffentlich regt ihn die Erinnerung an unsere Mutter nicht zu sehr auf.

- Es ist schon lange her. Heute ist er darüber hinweg. Vater war damals bei unserem Konzert dabei. Später wollte er das Werk immer wieder hören. Nun können wir es ihm bieten. Und wir haben noch genügend Zeit, uns vorzubereiten.

- Und wenn das schief geht?

- Warum soll es schief gehen?

- Ich habe ein schlechtes Gefühl.

- Sei nicht abergläubisch. Ich habe vorsorglich die Noten mitgebracht, wir könnten das Werk hier gründlich studieren.

- Wir sollten mit Michel drüber reden. Vielleicht kann er den Klavierpart übernehmen.

- Ja, das wäre wirklich toll. Aber er kann nicht in unserem Elternhaus spielen.

- Warum nicht?

- Ganz einfach. Weil er nicht eingeladen ist. Unser Vater würde ihn nie einladen. Er ist strikt gegen meine Beziehung mit Michel, das weiß ich aus sicherer Quelle. Wir sollten im Vorfeld keinen Konflikt mit ihm provozieren. Vaters Gesundheit ist sehr labil.

- Dann sollten wir es wenigstens hier mit Michel probieren. Dann sehen wir, ob das Experiment gelingen kann.

- Bis zu unserer Abreise bleibt uns genügend Zeit zur Probe, sagte sie. Wir werden das schon schaffen.

Sie einigten sich mit Michel auf das Doppelkonzert von Brahms, das er nach kritischer Durchsicht des Klavierauszugs glaubte, vom Blatt abspielen zu können.

In den verbleibenden Tagen verliefen die Proben überraschend erfolgreich. Gemeinsam versenkten sie sich in die Musik. Sie spielten unter freiem Himmel. Die Musik wuchs mit den Stimmen der Natur zu einem harmonischen Ganzen zusammen. Es war hinreißend. Michel war von der Idee einer öffentlichen Aufführung begeistert und drängte die Beiden, den Versuch zu starten, ein Konzert zu Ehren des Vaters zu geben. Vielleicht würde es Julia gelingen, ihren Vater zu überzeugen, Michel in seinem Hause zu empfangen. Er hoffte es, weil er die deutlich zu spürende Barriere der Ablehnung überwinden wollte.

Julia konnte ihm keine Hoffnung machen, denn sie wusste, wie stark die Ablehnung ihres Vaters war, einen Schwiegersohn zu akzeptieren, den er nicht ausgewählt hatte. Sie war verstimmt, verbarg aber ihre Gefühle, denn sie wollte sich keine Schwachheiten erlauben.

Wenige Tage später nahm sie von Michel Abschied und ermahnte ihn, besonders sorgfältig die Testserien zu dokumentieren. Traurig ließ Michel seine Geliebte davonziehen. Seine Gedanken waren in erster Linie auf eine künftige und bleibende Verbindung mit ihr gerichtet. Alles Andere war für ihn sekundär. Und doch wusste er, dass von den Tests sehr viel abhing. Es ging um das Überleben der Forschungsstation und des Krankenhauses. Ohne die erfolgreiche Entwicklung des neuen Medikaments würde es kein Überleben geben. Weder des Krankenhauses noch der vielen Patienten.

Auch Hinrich verließ die Plantage mit vielfältigen Gedanken. Er überlegte, mit welcher spektakulären Aktion er seinem Vater imponieren könnte. Zunächst war es das Konzert, das zur Bewältigung anstand. Aber bis dahin war es noch ein weiter Weg. Was würde sein Lehrer Paulsen dazu sagen? Wer würde den Klavierpart übernehmen können und wollen? Michel kam dafür nicht in Frage, darüber machte er sich keine Illusionen. Zu tief war der Graben zwischen seinem Vater und Michel. Er war unüberwindbar. Zu groß waren die Vorurteile. Wer auch immer es war, er wollte seine Tochter bei sich in seiner Nähe haben und wollte sie in der Firmenleitung wissen. Auf ihr ruhten seine Hoffnungen.

Das Doppelkonzert

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