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Kapitel 8

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Adam Pröll blickte verstört an dem Regal entlang. Hier musste der Tee sein. Der Tee, der Kaffee, die Kaffeemilch und das Müsli. Das alles gehörte in dieses Regal, in der zweiten Querreihe des Supermarkts.

Aber nichts davon war da. Stattdessen standen sauber aufgereiht Kosmetikartikel: Shampoo und Duschgel, nichts anderes, die ganze Reihe entlang.

Er drückte den Einkaufskorb fest gegen seinen Körper und lief zum Ende des Gangs, um in den Nachbargang zu schauen. Toilettenpapier, Taschentücher, Kosmetiktücher und Frauensachen.

Fassungslos sah er die rosafarbenen Verpackungen an.

Hier hätten die Konserven stehen müssen. Süßkonserven und Sauerkonserven. Er lief wieder zurück zum Duschgel. Er musste den Impuls unterdrücken, eine der Plastikflaschen aus dem Regal zu nehmen um zu prüfen, ob dahinter der Tee verborgen war.

Sie hatten alles geändert. Im ganzen Supermarkt. Das war nicht gut.

„Alles falsch eingeordnet!“ sagte er ärgerlich. Ein junges Mädchen warf ihm einen Blick zu und unterdrückte ein Kichern.

Ein alter, kleiner Mann kam die Reihe entlanggeschlurft.

„Alles falsch!“ sagte Pröll leise zu sich selbst.

„Die alte Ordnung war so, wie es sein sollte. Man darf doch nicht einfach alles ändern!“

Der Alte fischte sich ein Duschgel aus dem Fach über seinem Kopf und ging langsam weiter.

Pröll brachte den Plastikkorb zum Eingangsbereich des Marktes zurück, wo er ihn geholt hatte. Das Gemüse war am richtigen Ort, aber die Eier waren falsch einsortiert, die gehörten eigentlich neben das Knäckebrot.

„Hier kann man nicht mehr einkaufen!“ murmelte er.

An jedem ersten und dritten Donnerstag im Monat war er hier. Er hatte viele Wochen gebraucht um sich zuzutrauen, den riesigen Laden alleine zu betreten. Wenn viele Menschen da waren, abends und am Wochenende, war es unerträglich für ihn. Dann war nicht nur die permanente Musik aus den Lautsprechern zu bewältigen, sondern es schwebten auch viele verschiedene Düfte in der Luft, was sehr unangenehm war. Außerdem liefen die vielen Menschen wild durcheinander und machten Geräusche, die auszublenden über seine Kraft ging.

Adam wollte den Markt verlassen, aber der Durchgang öffnete sich nicht für ihn. Er ging nur von außen nach innen auf. Pröll stand davor und starrte den Metallbalken an.

„Sie müssen durch die Kasse gehen, sonst kommen Sie nicht raus“ sagte eine Frau, die weiße Turnschuhe mit neongrünen Schnürsenkeln trug.

„Ich will hier weg!“ sagte Pröll.

Die Frau wiederholte: „Gehen Sie doch zur Kasse. Man darf raus, auch ohne etwas gekauft zu haben.“

Der Schweiß stand Pröll auf der Stirn und er wischte beide Hände mechanisch an seiner Jacke ab.

„Soll ich Ihnen helfen?“ fragte sie.

Pröll sah die Frau nicht an. Er war kurz davor zu versuchen, die Absperrung mit Gewalt aufzudrücken. Er wusste, dass das ein Fehler war; aber er musste weg, er musste! Zu viel Unerwartetes war ihm begegnet. Das packte er nicht.

„Wenn Sie wollen, dann folgen Sie mir einfach. Ich gehe auch raus“ fuhr die Frau fort. Aber er konnte nicht. Er fühlte sich wie gelähmt.

Pröll starrte auf die Turnschuhe der Frau. Es wäre schöner, wenn die Schnürsenkel weiß wären. Aber sie waren grün. Na gut.

Wenn seine Mutter hier wäre, würde sie zu ihm sagen:

Es ist nicht zu ändern, Adam. Das ignorieren wir beide jetzt.“

Dass im Supermarkt alles an einen anderen Platz gekommen war, das war nicht akzeptabel. Er konnte hier nicht mehr einkaufen.

Die fremde Frau sagte etwas zu ihm.

„Halten Sie doch bitte mal meinen Wagen fest.“

Sie hatte den Einkaufswagen zu ihm hingeschoben, so dass der Schiebegriff einen halben Meter vor seinem Bauch war.

„Ich nehme ihn vorne und Sie schieben von hinten, dann geht es besser, in Ordnung? Es wäre mir eine Hilfe.“

Er warf einen schnellen Blick in den Wagen; es lagen nur elf Artikel darin, zwei davon waren Kaugummi-Packungen.

Sie wartete, bis er zögernd eine Hand auf den Schieber gelegt hatte. Dann drehte sie sich von ihm weg, legte ihre Hand locker auf das vordere Ende des Einkaufswagens und setzte ihn langsam in Bewegung.

Er setzte einen Fuß vor den anderen. Sie entfernten sich von der Barriere, die sich nicht geöffnet hatte. Die Frau hatte kastanienbraune lange Haare, die offen über die Schultern fielen. Sie trug einen roten Pullover und blaue Jeans.

Sie lief mit ihm an den Taschentüchern und Frauensachen vorbei in Richtung Kasse.

Die Frau rief plötzlich: „Entschuldigen Sie bitte!“

Er zuckte zusammen und sah sich nach allen Seiten um, aber sie meinte nicht ihn. Sie ließ den Wagen los und ging zu einer anderen Frau mit pinkfarben gefärbten Haaren. Das Namensschild bedeutete, dass sie hier arbeitete.

„Können Sie mir sagen, warum alles umgeräumt worden ist?“

Die Verkäuferin strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

„Na, jetzt ist alles beieinander, was zusammen gehört. Ist übersichtlicher geworden.“

„Aber man findet nichts mehr!“

Die Verkäuferin nickte. „Das sagen alle, zuerst. Sie gewöhnen sich bestimmt daran.“

Die braunhaarige Frau ging zur Kasse. Sein Herz fing an zu klopfen - der Einkaufswagen und die Frau, sie beide versperrten ihm den Weg nach draußen. Ob es in Ordnung war, wenn er den Wagen fest nach vorne schob? Sie würde vielleicht umfallen. Das wollte er nicht; andererseits konnte sie ja wieder aufstehen.

Er musste jetzt gehen. Entschlossen legte er beide Hände auf den Schieber.

„Ich lasse den Herrn rasch raus“ sagte die Frau. Sie zog den Einkaufswagen von der Kasse weg, als hätte sie schon bezahlt. Er folgte dem Wagen und drückte sich an ihr vorbei, ohne sie anzusehen und ohne sie zu berühren. So schnell er konnte, schritt er in Richtung Ausgang. Fast wäre er gegen die Glastür gelaufen - nur ein angeklebtes Schild mit den Öffnungszeiten ließ ihn realisieren, dass er warten musste, bis sie sich automatisch öffnete.

Draußen strich kühle Luft um seine Wangen. Er atmete tief ein und aus. Er war wieder frei! Er fühlte sich so erleichtert, dass er am liebsten nach Hause gerannt wäre. Doch dann hielt er inne: Der Tee!

Sein Herz sank. Wo sollte er bloß in Zukunft einkaufen?

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