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Kapitel 11

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Jule Gehring war wütend. Ihr Mann hatte versprochen, heute Nachmittag mit den Kindern zu spielen und sie dann ins Bett zu bringen, so dass sie mit ihrer Freundin Monika ins FORUM konnte. Shoppen, eine Pizza essen, mal was anderes sehen als Wäsche und schmutziges Geschirr.

Aber er hatte eine SMS geschickt mit dem lapidaren Satz:

Ich kann doch nicht, muss Jens bei einer Reparatur helfen.“

Dieser Jens, der selbst keine Familie hatte und zu glauben schien, dass Andree ihm jederzeit zur Verfügung stand! Ihrer Meinung nach hatte ihr Mann inzwischen genug getan, um die Schulden abzutragen, die er bei Jens Maurer hatte.

Gut, Maurer hatte Andree finanziell unterstützt, als er umgeschult hatte. Aber das Motiv war nicht christliche Nächstenliebe gewesen, denn Andree hatte ihm dann bei der Reparatur von Gebrauchtwagen helfen sollen.

Deshalb hatte sie dabei nachgeholfen, dass Andree fast das ganze Darlehen auf einen Schlag zurückzahlen konnte. Er wusste nicht, dass sie dahintersteckte. Sie mochte Maurer nicht. Sie wollte nicht, dass ihr Mann von so einem abhängig war.

Das mit dem schwarz-für-Jens-Arbeiten musste ein Ende haben! Sie würde auf den Tisch hauen und eine genaue Aufstellung verlangen, wie viel Geld Andree Jens Maurer noch schuldete. Das konnte man ja umrechnen in den Arbeitslohn eines Kfz-Mechanikers. Immerhin war Andree Profi. Und dann wollte sie doch mal sehen, ob sie immer noch ständig auf ihren Mann verzichten musste.

Wenn sie nächsten Monat wieder anfing zu arbeiten, musste sich sowieso einiges ändern. Sie hatte sich als Verkäuferin in einer Bäckerei beworben und zu ihrem Erstaunen die Stelle auch bekommen, obwohl sie nur vormittags arbeiten wollte.

„Das wollen alle, das kannst du dir abschminken“ hatte Monika gesagt. Aber damit hatte sie nicht Recht behalten. In ihrem ursprünglich einmal angestrebten Beruf als Krankenschwester hätte Jule überhaupt nicht arbeiten können, mit Schichtdienst und allem drum und dran. Das war mit zwei kleinen Kindern - ohne Großeltern, die schnell mal einsprangen - nicht hinzukriegen.

Ohne Großeltern.

Plötzlich wurde ihr klar, dass Merle und Max keinen Opa und keine Oma mehr hatten. Dass ihre Eltern gestorben waren, das konnte sie eigentlich immer noch nicht begreifen. Sie versuchte, nie daran zu denken. Aber es klappte nicht; in den unpassendsten Situationen holte die Wirklichkeit sie ein. Gestern waren ihr an der Kasse des Supermarkts plötzlich die Tränen gekommen. Sie hatte - völlig ohne äußeren Anlass - denken müssen: ‚Ich bin eine Waise’.

Sie schluckte und zwang sich, tief durchzuatmen.

Max kam heulend zu ihr in die Küche. Rotz lief ihm aus der Nase und er zeigte in Richtung des Kinderzimmers. Wahrscheinlich hatte er Merle mal wieder gekniffen und die hatte ihn dann gehauen. Sätze bildete Max selten; seine Erzieherin behauptete, er sei etwas zurück in der Sprachentwicklung. Jule fand, dass das nicht so schlimm war, bei einem Jungen. Das würde schon noch kommen, ganz von alleine.

Sie nahm ein Taschentuch und wischte ihm die Nase ab; er drehte den Kopf weg und heulte noch lauter.

„Na komm, so schlimm ist es nicht. Du darfst Merle halt nicht ärgern.“

Sie schmiss das Kleenex in den Mülleimer und öffnete den Schrank über der Spüle, wo sie die Schokolade aufbewahrte. Er hörte sofort auf zu weinen und hielt ihr seine schmutzige Hand hin.

„Erst Hände waschen“ sagte sie und machte in der Spüle ein Tuch nass. Er heulte wieder auf und drehte sich weg, aber sie fing ihn rasch und wischte seine Hände ab, und - da sie ihn gerade in der Zange hatte - auch die Nase, aber diesmal richtig. Sein Protestgeheul hörte erst auf, als sie ihm das kleine, verpackte Täfelchen aufmachte und er sich die Schokolade in den Mund steckte.

Er watschelte davon und sie dachte, dass sie ihm die Zähne putzen müsste. Sie schmiss das Schokoladenpapier in den Abfall. Das Geschrei, das folgen würde - nein, das hielt sie heute Nachmittag nicht aus. Es waren ja nur die Milchzähne. Sie nahm sich fest vor, bei den richtigen Zähnen strenger zu sein.

Sie lehnte sich gegen die Küchenzeile, nahm ihr Handy und rief Monika an.

„Ich kann nicht kommen. Andree lässt mich hängen.“

„Ach, Scheiße, Jule. Ich hab’ uns vormerken lassen für das Nagelstudio. Kannst du die Kinder nicht bei einer Nachbarin lassen?“

„Merle könnte ich unterbringen, aber Max … der zerstört innerhalb von Sekunden alles, was nicht aus Stahl gefertigt ist. Kannst du nicht vielleicht morgen?“

„Ach, ich weiß nicht. Samstags ist es noch voller als freitags.“

Jule angelte mit der freien Hand nach der Zigarettenpackung. Eigentlich wollte sie aufhören, das Rauchen war zu teuer, aber sie schaffte es noch nicht. Wenn sie erst arbeitete, würde alles besser werden. Sie würde aus der Wohnung rauskommen. Sie hatte die verwohnte Küche und die Spielsachen auf dem Fußboden so satt!

„Also gut“ hörte sie Monika sagen. „Treffen wir uns morgen. Wir fangen mit einem Café Latte bei Georgio an und dann sehen wir weiter.“

Erleichtert atmete Jule auf. „Ja, das machen wir. Danke für dein Verständnis.“

„Ich würde Andree an deiner Stelle mal den Kopf waschen. Es sind schließlich auch seine Kinder!“

„Ja, ja, genau. Bis morgen dann. So um zehn?“

„Okay. Um zehn“

Geld Sorgen

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