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Kapitel 2

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Frauke stellte den Wasserkocher an und holte Teebeutel und Becher aus dem Regal. Die Einbauküche mit den dunkelblauen Schranktüren war das Beste an der ganzen Wohnung. Sie war so gut geplant, dass auch noch Platz für einen Tisch und drei Stühle da war.

Als sie noch studiert hatte, konnte sie sich mit der Lerngruppe in die Küche setzen, wenn das Wohn-/Arbeits-/Schlafzimmer nicht aufgeräumt war. Aber das war selten der Fall gewesen. Sie liebte Ordnung. Ihre Schwester hatte einmal gefragt:

„Studierst du eigentlich Psychologie, um zu erfahren, wo deine Zwanghaftigkeit herkommt?“

Viele Menschen dachten, dass man im Studium alles über sich selbst erfuhr. Und über die anderen auch. Dass man im Anschluss daran jeden analysieren konnte. Das war natürlich Quatsch, aber es schadete manchmal nicht, Leute in diesem Glauben zu belassen.

Einer der Dozenten - er war Psychiater - hatte einmal nach der Vorlesung vom Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff erzählt. Ein Mitreisender offenbarte sich als Pfarrer und bekam daraufhin von den anderen am Tisch dargelegt, warum sie aus der Kirche ausgetreten waren. Eine Medizinerin beging den Fehler, nicht auszuweichen, als sie ihren Beruf nennen sollte und wurde den Rest der Zeit über die Hüftprobleme, Blutdruckschwankungen und Arteriosklerosen ihrer Tischgenossen informiert - dabei war sie Augenärztin. Er selbst brauchte, nachdem er seinen Beruf preisgegeben hatte, seine Mitreisenden nur mit ernstem Gesichtsausdruck zu fixieren und schon wurde er in Ruhe gelassen.

Nein, das Studium war vielseitig und interessant, aber es hatte erschreckend viel mit Statistik zu tun. Erschreckend zumindest für eine wie sie, die ihre Mathelehrer so wenig wie möglich belästigt hatte.

Natürlich beschäftigte man sich auch mit seiner eigenen Biografie. Als sie die frühkindlichen Entwicklungsphasen durchnahmen, hatte sie ihre Mutter gelöchert, in welchem Alter sie sitzen konnte, wann sie zu krabbeln und zu sprechen angefangen hatte. Nur dass ihre Mutter leider die drei Kinder nicht mehr auseinanderhalten konnte.

War das jetzt bei dir so, oder bei den Zwillingen? Ach, ich weiß es nicht mehr, Kind.

Das Studium hatte sie abgebrochen. Das heißt, offiziell hatte sie ein Urlaubssemester. Die Sachbearbeiterin im Sekretariat hatte angesichts des plötzlichen Tods beider Eltern Verständnis. Zusammen mit der Krankschreibung durch ihren Hausarzt war es kein Problem gewesen, eine Auszeit bewilligt zu bekommen.

Jeder hatte Verständnis. Jeder sagte:

„Oh, wie furchtbar für dich! Wenn ich irgendwas für dich tun kann…“

Aber zwei oder drei Wochen später dachte niemand mehr daran. Für alle ging das Leben weiter. Keiner fragte nach, welche Hilfe sie benötigte.

Um fair zu sein: Ihre beiden Freundinnen Tilly und Paula wären bestimmt für sie dagewesen, aber beide hatten gerade den Studienort gewechselt. Tilly war nach für ein Jahr nach England gegangen, Paula nach Heidelberg. Das war Pech für Frauke; ein extrem ungünstiger Zeitpunkt für die Trennung von ihren besten Freundinnen.

So blieben ihr Maren und Malte, die sie von früher kannte. Sie hätte nicht gedacht, dass gerade diese beiden so viel helfen würden. Aber zum Glück war es so.

Durch das Küchenfenster sah sie Maren die Treppe herunterkommen, die zum Eingang der Einliegerwohnung führte. Sie öffnete die Haustür.

Maren Kettler, 26, war nicht direkt dick, aber gut gepolstert. Sie hatte ausdrucksvolle braune Augen in einem ansonsten unscheinbaren, freundlichen Gesicht.

Sie umarmte Frauke fest und fragte, während sie sich die Jacke auszog:

„Was ist passiert?“

„Meine Eltern haben einen Haufen Geld im Keller versteckt.“

Maren sah ihre Freundin verblüfft an.

„Was meinst du damit: einen Haufen Geld? Wie viel?“

„Keine Ahnung. Ich habe es nicht gezählt. Aber es waren viele Bündel von Fünfzigern und Zweihundertern. Und frag’ mich bitte nicht, wo es herkommt.“

„Krass.“

Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Maren sah, dass das Wandregal schon leergeräumt war. Ein paar Kisten standen abholbereit daneben. Wenn Frauke einen Entschluss gefasst hatte, zog sie die Sache durch. Maren selbst war eher zögerlich, wenn es um Veränderungen in ihrem Leben ging. Aber dass sie bei ihren Eltern endlich ausziehen musste, das hatte sogar sie begriffen.

Frauke erzählte von dem alten Schrank im Keller. Und vom Arbeitslosengeld, das bis vor vier Wochen auf Kurt Bennings Konto eingegangen war.

„Ich dachte, dein Vater ist in Frührente gegangen, um deine Mutter pflegen zu können?“ fragte Maren erstaunt.

„Das hat er behauptet. Und er hat sich ja auch wirklich um Mutter gekümmert, das muss ich zugeben. Aber er ist entlassen worden, Maren. Und dass er weniger zur Verfügung hatte, ist nur deshalb nicht aufgeflogen, weil er es mit dem Geld im Keller ausgeglichen hat.“

„Und du hast keine Ahnung, wo das Geld herkommt?“

„Nicht die Geringste. Was soll ich denn jetzt machen?“

„Das Geld zählen“ sagte Maren pragmatisch. „Und dann den Haushalt deiner Eltern weiter auflösen. Vielleicht findet sich ein Hinweis. Ich sehe jedenfalls nicht, warum du schnell eine Entscheidung treffen musst. Das Geld liegt seit Jahren da rum, oder?“

„Ich glaube schon.“ Frauke lehnte sich auf dem Sofa zurück.

Hatte Maren Recht? Bestand überhaupt kein Grund, Angst zu haben?

„Also gut“ sagte sie. „Ich verdiene bei Dr. Bender genug, um meine Brötchen zu kaufen. Ich werde so schnell wie möglich die Wohnung leerräumen. Kann ich das Geld vielleicht hierher bringen?“

Maren sah sich in dem kleinen Wohnzimmer um und zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Ich werde zur Mitwisserin und wir sitzen dann beide unsere Haftstrafe ab, nachdem sich herausgestellt hat, dass dein Vater eine Bank überfallen, Geiseln genommen und 500 000 Euro erbeutet hatte.“

Frauke lächelte gequält. „Darüber kann ich erst lachen, wenn ich weiß, dass es nicht so war.“

„Frauke, das ist Unsinn!“ sagte Maren entschieden. „Ich will dir nicht zu nahe treten, weil es sich um deinen Vater handelt und so weiter. Aber er war ja nicht gerade ein Bündel an Energie, was Eigeninitiative betrifft. Das hast du selbst gesagt.“

Fraukes Mine verschloss sich.

„Jedenfalls hat er alles laufen lassen, anstatt Hilfe zu organisieren. Außerdem war er autoritär. Das hat ihm erspart, sich mit uns auseinandersetzen zu müssen.“

„Eben.“ Maren nahm sich zwei Schokoladenkekse von dem Teller auf dem niedrigen Couchtisch. „Mach nicht so ein düsteres Gesicht. Es kann nicht schaden, etwas Geld im Haus zu haben.“

Frauke musste lachen. Etwas Geld.

Dann wurde sie wieder ernst.

„Du bist gut! Ich habe mich auf dem Weg hierher bereits verfolgt gefühlt. Was glaubst du, wie ich heute Nacht schlafe?“

„Ganz normal wirst du schlafen. Weil nämlich kein Mensch weiß, dass das Geld da ist.“

Frauke war dankbar für Marens unkomplizierte Art, die Dinge zu betrachten. Dafür, dass das Geld vielleicht von einer Straftat herrührte, war Maren bemerkenswert gelassen.

„Wissen Juliane und Christoph schon davon?“

Als sie Fraukes Blick sah, verbesserte sie sich schnell:

„Natürlich nicht, sorry! Ich an deiner Stelle würde es ihnen auch nicht gleich erzählen.“

Frauke gefiel der Gedanke nicht, Heimlichkeiten zu haben, aber sie hatte zu ihren Geschwistern kein gutes Verhältnis, wenn man es freundlich ausdrücken wollte. Sie konnte sich im Moment nicht vorstellen, ihnen überhaupt von dem Fund zu erzählen.

„Ich glaube, du hast Recht. Ich löse jetzt erst einmal die Wohnung auf, dann sehe ich weiter.“

Die beiden Frauen besprachen, wann Maren mit ihren Kisten einziehen konnte. Die Möbel konnte sie von Frauke erst einmal übernehmen.

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