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Kapitel 4

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Andree Gehring schaute auf die Uhr und ärgerte sich, dass er vergessen hatte, gleich als erstes die Kaffeemaschine einzuschalten. Jetzt würde die Zeit nicht mehr für einen Kaffee reichen, da er das Haus um zwanzig vor sechs verlassen wollte.

Früher hatte er sich eine Thermoskanne gemacht und mitgenommen. Aber inzwischen gab es so viele Bäckereien, in denen man ‚Coffee to go’ holen konnte, dass er das nicht mehr brauchte. Für einen Kaffee konnte er die Fahrstunde unterbrechen. Was länger dauerte, war natürlich nicht möglich. Außer, er plante es vorher ein.

Um bei seiner Frau keinen Verdacht zu erregen, hatte er diverse Laufsachen in dem Schrank verstaut, der in der Mansarde vor dem Bad stand. Sein Kumpel Jens hatte eines der sechs Dachzimmer einmal bewohnt und eine Kopie des Schlüssels behalten.

Sechs Bewohner, deren Zimmer nebeneinander lagen, teilten sich zwei Badezimmer, die sich jeweils am Ende des langen Flurs befanden. Die meisten Mieter waren Studenten, die sich untereinander kaum kannten.

Es fiel nicht weiter auf, dass er dreimal in der Woche dort duschte, nachdem er sein Lauftraining absolviert hatte. Zumal er immer sehr früh dort war, wenn die Studenten noch schliefen.

Er achtete peinlich darauf, keine Haare oder Pfützen auf dem Boden zu hinterlassen. Er wollte nicht riskieren, dass aufflog, dass er nicht dort wohnte und kein Recht hatte, die Dusche zu benutzen.

Seiner Frau hatte er erzählt, dass es gerade mehrere Fahrschüler gab, die ihre Stunde vor der Arbeit absolvieren wollten. Sie hatte das fraglos akzeptiert, zumal er an den anderen beiden Wochentagen dafür die Kinder für die KiTa und die Schule fertig machte.

Im Winter kostete es Überwindung, im Stockdunkeln und bei eisiger Kälte loszulaufen. Aber er brauchte das Laufen - allein schon, weil er den restlichen Tag nur noch im Auto saß. Außerdem hoffte er, dass die Kondition ihm helfen würde, wenn es galt, beim Sportklettern mit den anderen mitzuhalten.

Allerdings wäre das Training mit Ringen oder kleinen Griffen zum Hochziehen oder, im besten Fall, einem Campusboard, viel effektiver gewesen. Nur ließ sich so etwas nicht verheimlichen. Jule würde einen Aufstand machen, würde er so eines installieren, das wusste er.

Also trainierte er mit Hanteln, um seine Armmuskeln aufzubauen, obwohl das fürs Klettern gar nicht viel brachte. Jule akzeptierte das. Sie wusste ja nicht, wofür er das machte.

Richtig cool wäre es gewesen, eine Kletterwand im Keller zu haben. Vor drei oder vier Jahren hatte er sich eine Boulder-Wand im Internet ausgesucht und praktisch schon bestellt, da war Jule wieder schwanger geworden. Sie hatten das Geld für ein größeres Auto nehmen müssen.

Als Max auf die Welt gekommen war, hatte Jule darauf bestanden, dass er mit der Kletterei aufhörte. Es sei zu gefährlich und koste zu viel Zeit. Sie seien eine Familie mit zwei Kindern, er solle sich gefälligst einen anderen Sport suchen, bei dem nicht jedes zweite Wochenende draufging.

Das war natürlich völliger Quatsch. Erstens ging nicht jedes zweite Wochenende drauf, nur weil er in Wetzlar samstags oder sonntags die Kletterwand benutzte. Zweitens war es nicht gefährlich. Er kletterte schon ein paar Jahre und ihm war noch nie etwas passiert.

Es hatte ihn geärgert, dass Jule so sehr dagegen war. Ihre Beziehung steckte zu der Zeit auch aus anderen Gründen in einer Krise. Mit Merle waren sie schon aus dem Gröbsten raus gewesen, und dann war plötzlich wieder ein Säugling da. Sie beide waren auf dem Zahnfleisch gegangen - Max schrie stundenlang, aus keinem erfindlichen Grund.

Wochenlang fanden sie keine Nachtruhe. Merle war eifersüchtig und tat so, als wäre sie ein Kleinkind. Nie hätte er gedacht, dass er und Jule sich so angiften könnten, wie sie es zu dieser Zeit taten.

Er hatte ein paar Mal darüber nachgedacht, sich von ihr zu trennen. Aber das wäre bei den Freunden und Verwandten nicht gut angekommen; die Frau mit zwei Kindern sitzenzulassen, eines davon gerade geboren. So etwas machte man nicht. Irgendwann waren sie beide zur Vernunft gekommen und hatten sich auf die Kinder eingestellt.

„Glaubt bloß nicht, dass zwei Kinder zu haben fast dasselbe ist, wie ein Kind zu haben!“ hatten sie den Freunden erzählt.

Er hatte eine Zeitlang nicht trainiert und war immer grantiger und unzufriedener geworden. Da hatte Jens ihm von dem nachgemachten Schlüssel zur Mansarde erzählt und vorgeschlagen, er solle doch sein Ding durchziehen, ohne es ihr zu sagen. Wozu den Beziehungsstress auf sich nehmen, wenn es auch anders ging?

Im Dezember hatte er angefangen und es hatte wunderbar geklappt. Bis auf die Kälte, natürlich. Aber wenigstens waren Schnee und Eis kein Problem - wenn man vorsichtig war, konnte man darauf laufen. Er hatte durchgehalten. Jetzt, im April, war es schon lange hell, wenn er startete. Es war morgens angenehm kühl und seine Kondition war spitze.

Sein größter Wunsch war, einmal eine längere Kletter-Tour zu machen. Das musste er sorgfältig einfädeln, damit Jule keinen Verdacht schöpfte.

Gehring verließ das Haus, bevor seine Frau aufgestanden war. Sie musste um halb sieben in die Gänge kommen, wenn Merle pünktlich um 8 in der Schule sein sollte. Bis dahin würde er schon die ersten 6 km absolviert haben.

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