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Kapitel 10

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Maren Kettler hatte die drei Mädchen zu sich nach Hause eingeladen. Sie hätten sich auch im Gemeindehaus treffen können, aber Maren teilte das Büro mit der Pfarrsekretärin, die sich nicht immer an ihre Sprechzeiten hielt, vor allem, wenn vor den kirchlichen Feiertagen viel zu tun war. Dann machte sie Überstunden.

Außerdem schneite Pfarrer Keller herein, wenn er etwas kopieren oder in der Mitgliederkartei nachsehen musste. Er war zwar immer sehr freundlich, aber sie fühlte sich trotzdem beobachtet.

Zu ihren Eltern hatte sie nie wieder jemanden mitgenommen, seit sie einmal ein Treffen des Kindergottesdienst-Teams zuhause abgehalten hatte. Beide Eltern waren neugierig und aufdringlich. Sie scheuten sich nicht, Vorschläge zu machen, wie: „Wollt ihr nicht lieber Tee trinken, Cola ist doch so ungesund.“

Das war ihr dermaßen peinlich gewesen, dass sie sich geschworen hatte, Arbeitstreffen nur noch in der Gemeinde abzuhalten. Pfarrer Keller trank wenigstens selber Cola.

Fraukes kleine Einliegerwohnung mit der Wohnküche war wie geschaffen für Teamtreffen, bei denen man auch mal über Persönliches reden wollte. Sabine, Klara und Steffi waren schon in Ausbildung, aber sie kannten noch viele der jüngeren Schüler.

Sie waren eine unschätzbare Hilfe in der Jugendarbeit der Gemeinde. Maren konnte sich glücklich schätzen, die drei zu haben. Zumal sie nicht wegen eines Studiums von Wetzlar weggehen würden wie so viele andere patente Mitarbeiterinnen vor ihnen.

Die drei Besucherinnen nahmen um den runden Küchentisch Platz. Maren setzte Wasser auf und legte den gekauften Hefezopf auf einen Teller, dazu Messer, Butter und Gelee. Die drei bedankten sich und fingen an, sich Scheiben abzuschneiden. Lieber hätte sie ihre Mitarbeiterinnen mit Torte verwöhnt - die aß sie selbst am liebsten - aber ihr Budget gab das nicht her.

Manchmal fragte sie sich, ob sie nicht doch besser Pfarrerin geworden wäre. Aber das Studium war so kopflastig, dass sie immer schwerer die Energie hatte aufbringen können, Vorlesungen und Proseminare zu besuchen. Sie war einfach ein durch und durch praktischer Mensch.

Es hätte ihr auch nichts ausgemacht, sich mit einem zukünftigen Pfarrer zu liieren und ‚den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit mehr in den häuslichen Bereich zu verlegen’, wie es bei Loriot so schön hieß. Sie wünschte sich sehnlichst Kinder und wäre als Pfarrfrau wahrscheinlich glücklich gewesen. Natürlich konnte sie das vor ihren Kommilitoninnen nicht zugeben; die hätten sie gesteinigt.

Ohne Frage war es krass, dass früher die Frauen in der Gemeinde des Mannes voll mitarbeiten mussten, ohne je einen Cent dafür zu sehen. In dieser Form hatte sie das nicht vor. Aber was hatte sie vor?

Egal - der in ihrem Kopf ausgearbeitete Plan kam in Ermangelung eines Ehemanns nie zur Verwirklichung. Sie hatte sich zwei Mal verliebt, aber es war nichts daraus geworden. Die Männer hatten sich beide nach einer Weile von ihr getrennt, ohne einen richtigen Grund nennen zu können. Es hatte eben nicht gepasst, sagten sie. Maren war enttäuscht und verunsichert zurückgeblieben.

Dazu kam die Unzufriedenheit mit dem Studium, bis hin zum Abbruch. Aber von etwas musste sie ja leben.

Die Lösung war, sich die Scheine anrechnen zu lassen und so schnell wie möglich ein Gemeindepädagogik-Studium zu absolvieren. Das niedrigere Gehalt wollte sie in Kauf nehmen. Wobei sie schon klarkommen konnte, wenn sie die Mietkosten niedrig hielt. Deshalb war sie ja auch bei den Eltern wohnen geblieben.

Sie hätte gerne mit Frauke zusammen eine WG gegründet. Am liebsten eine Zweier-WG. Aber Frauke hatte eine ablehnende Handbewegung gemacht, als Maren einmal gesagt hatte:

„Wir könnten doch zusammenziehen“.

Maren hatte beschlossen, etwas Zeit verstreichen zu lassen und es dann noch einmal zu versuchen. Vielleicht war Frauke einfach nur nicht gut drauf gewesen, wegen der Sache mit ihren Eltern.

Dieser Gedanke führte ohne Umweg zu der Erinnerung daran, dass im Flur, hinter einem Vorhang, eine halbe Million Euro versteckt waren.

Genau genommen hatte das Geld sie nicht mehr losgelassen, seit sie die Reisetaschen in das Versteck geschoben hatte. Vielleicht war es naiv gewesen zu denken, dass sie es fertigbringen würde, die Scheine zu ignorieren. Schließlich gehörten sie ihr nicht, und - genau genommen - Frauke auch nicht.

Es geschah etwas, womit sie nicht gerechnet hatte: Sie konnte nicht mehr aufhören, über das Geld nachzudenken. Sie ertappte sich dabei, dass sie immer wieder zu dem Vorhang im Flur schaute, den sie von ihrem Platz am Küchentisch aus sehen konnte.

Hör auf damit! Die Mädchen werden noch Verdacht schöpfen!

Warum kam sie sich wie eine Verbrecherin vor?

Nun, vielleicht, weil sie sich gerade strafbar machte. Oder? Sie wusste es nicht genau. Was sie tröstete war, dass Malte auch eingeweiht war und keine Bedenken geäußert hatte. Malte war immerhin Arzt, solche Menschen mussten korrekt sein und so weiter.

Wenn er mitspielen konnte bei der Sache, konnte sie es ja wohl auch.

Obwohl: Er war nicht bei der Kirche angestellt wie sie. Ob sie ihren Job verlieren konnte deswegen?

Klar, wenn du verknackt wirst!

„Maren, hast du eigentlich zugehört? Wir wollten doch die Jugendfreizeit besprechen. Hast du das Selbstversorgerhaus buchen können?“

„Entschuldigt bitte!“

Maren zwang ihre Gedanken in die Gegenwart zurück. Sie beschloss, die Reisetaschen in den Tiefen des Kleiderschranks zu verstauen. So konnte kein Besucher zufällig über die Taschen stolpern. Der Vorschlag mit der Schmutzwäsche war gar nicht so dumm gewesen. Vielleicht konnte sie dann endlich anfangen, das Geld zu ignorieren.

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