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Kapitel 17

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Andree Gehring holte zwei Bierflaschen aus dem Keller. Es war Samstag, 11:43 Uhr - spät genug, um sich ein richtiges Bier zu genehmigen. Er trank unter der Woche alkoholfreies; nur am Wochenende erlaubte er sich das echte, das nach etwas schmeckte.

„Ach, Mist!“

Er musste mit dem Bier doch noch warten. Er war mit den Kindern ja allein. Jedenfalls in den nächsten paar Stunden. Wenn etwas passierte und er ins Krankenhaus fahren musste, durfte er keine Fahne haben. Von seinem Führerschein hing seine Existenz ab, den würde er auf keinen Fall aufs Spiel setzen.

Er holte für sich selbst ein alkoholfreies Bier. Jens hatte es sich auf dem Sofa bequem gemacht und las Zeitung. Andree stellte die Flaschen auf den Couchtisch und beobachtete die beiden Kinder, die im Garten spielten.

Merle fuhr einen Puppenwagen spazieren, der mit Puppen vollgestopft war, die alle - wie sie selbst - rote Haare hatten. Eine Zeitlang hatten die Verwandten und Freunde ihr solche Spielsachen geschenkt, als ob es dadurch leichter wurde, mit feuerrotem Haar durchs Leben zu gehen. Sie trug einen alten Damenhut, den sie mal auf dem Flohmarkt gekauft hatten und der ihre empfindliche Haut vor der Sonne schützte.

Max stocherte mit zwei Stöckchen gleichzeitig in einem Erdloch und schien sich dabei mit den Ameisen zu unterhalten. Nicht mit Worten, eher telepathisch.

Er benutzte beide Hände für das, was er tat, schon immer. Wenn es Eis gab, wollte er in jeder Hand eines halten. Kuchen stopfte er mit beiden Fäusten in seinen kleinen Mund.

Er hatte Angst zu kurz zu kommen. Oder das, was er ergattert hatte, wieder hergeben zu müssen. Gegen die fast vier Jahre ältere Schwester hatte er an sich keine Chance - außer wenn er schrie. Er konnte sehr gut schreien.

„Tut mir leid, dass ich dir heute nicht helfen kann, Jens“ beteuerte Andree. „Jule ist immer noch sauer, dass ich gestern nicht da war. Sie ist mit ihrer Freundin weg.“

„Schon gut. Wenn ich eine Batterie von dir kriegen kann, schaffe ich den Rest auch alleine. Am Montag kommt ein Kunde, der bereit ist, zehntausend hinzublättern. Nicht schlecht dafür, dass mich der Wagen praktisch nichts gekostet hat.“

Andree war sicher, dass das übertrieben war. Jens war gut darin, Wagen überzeugend als schrottreif darzustellen, aber ganz umsonst hatte er den alten Mercedes bestimmt nicht bekommen.

Er wollte allerdings gar nicht so genau wissen, wie Jens das gedeichselt hatte. Es war die unausgesprochene Grundregel: Andree half Jens beim Reparieren und stellte keine Fragen. Er konnte mit dieser Regel gut leben.

Jule konnte Jens nicht leiden. Sie wusste nicht, dass Andree seine Arbeitsstunden penibel abrechnete und das Geld für sein Hobby nahm. Jule brauchte nicht alles zu wissen, was ihn und Jens betraf. Ohne Jens hätte er nicht so gut trainieren können.

Seine Kondition hatte sich enorm gesteigert. Jetzt konnte er sich überlegen, ob er einen Vorsteiger-Lehrgang absolvieren wollte. Den Top-Rope Kletterschein zu machen hatte ihm ungeheuer viel Spaß gemacht.

Eigentlich müsste ich mit den Kindern etwas unternehmen.

Das Wetter war gut; er hatte allerdings keine große Lust, sich schon wieder ins Auto zu setzen.

Oder vielmehr: Er hatte keine Lust, die Kinder in ihre Sitze zu setzen,

den Kampf mit dem Anschnallen hinter sich zu bringen, den Streit zu schlichten, welches Ziel sie ansteuern sollten und dann den ganzen Tag aufzupassen, dass sie nicht wegliefen und sich nicht verletzten.

Zuhause war alles viel einfacher. Als Mittagessen würde er Krümelnudeln mit Apfelmus machen, das kam immer gut an. Wenn es ihnen draußen zu langweilig wurde, konnten sie eine halbe Stunde fernsehen. Länger nicht, da waren Jule und er sich einig. Außerdem waren die Kinderzimmer vollgestopft mit Spielsachen. Die Kinder mussten lernen, sich auch mal alleine zu beschäftigen.

Er würde jedenfalls mit den Hanteln trainieren und Klimmzüge machen. Außerdem hatte er schon die ganze Woche vorgehabt, im Internet nach Kletterwänden zu suchen, die man selber aufbauen konnte. Wie teuer so etwas wohl war?

Auf der anderen Seite - wenn er ab und zu mit den Kindern einen Ausflug machte, vielleicht würde Jule dann nicht so einen Aufstand machen, wenn er auch mal Sport treiben wollte? Sie sollte froh sein, dass ihm an seiner Fitness etwas lag. Er war nicht verfettet wie Jens, der auf dem Sofa eine tiefe Delle hinterließ, wenn er aufstand.

Jens holte ihn aus seinen Gedanken heraus.

„Hast du mir überhaupt zugehört? Ich will wissen, ob du morgen mit mir zur Auto-Börse in Haiger fahren kannst?“

„Morgen? Hm … ich glaube schon. Ich ruf dich nochmal an.“

„Aber vergiss es nicht!“

Manchmal ging es Andree auf die Nerven, dass Jens ihn immer als Fachmann dabei haben wollte. Aber das würde er Jule gegenüber nie zugeben.

Jens trank seine Flasche in einem Zug leer.

Noch eins stelle ich dir nicht hin.

Er wollte, dass Jens jetzt ging. Solange der da war, konnte er nichts Sinnvolles machen. Und zum Rumhängen und Biertrinken war es wirklich noch zu früh.

Er stand mit einem Ruck auf und stellte sich an die Tür zum Garten. Merle hüpfte gerade auf einem Bein den Plattenweg entlang und Max versuchte es ihr nachzumachen. Dafür war er allerdings noch zu klein, er flog hin. Ohne mit der Wimper zu zucken stand er wieder auf und rannte zu der kleinen Schubkarre, die er mit Erde vollgemacht hatte.

Andree lächelte. Eine Heulsuse war er nicht, sein Sohn.

Er öffnete die Gartentür. „Max, Merle: Wollen wir zum Tierpark fahren?“

„Jaa!“ schrien beide und rannten auf ihn zu.

„Du bist der beste Papa der Welt!“

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