Читать книгу Pinienträne - Christina Schwarzfischer - Страница 14

Kapitel 12

Оглавление

„Was machst du eigentlich, wenn du hier nachts alleine bist?“, interessierte es mich, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten.

„Es gibt hier im Dorf ein Gebäude, Sonne bei Nacht, so nennt man es, an dem sich die Rassen des Tags bei Nacht versammeln können. Dort werden dann Spiele veranstaltet, oder man unterhält sich, und so weiter... Oft bin ich nachts dort, manchmal aber auch in der Menschenwelt“, erzählte er.

„Apropos Nacht... sollten Hortenser jetzt nicht die Monde anbeten?“, fiel es mir wieder ein.

„Die Monde anbeten?!“, wiederholte Astor verwirrt. „Hortenser beten nicht zu ihren Göttern, so wie die Menschen. Die Monde sind für uns lediglich ein, wohlgemerkt sehr hohes und auch heiliges Symbol, durch das wir uns unsere Existenz erklären. Es heißt, die zwölf Monde hätten die ersten Hortenser erschaffen – jeder Mond zwei verschiedene Geschlechter einer Rasse. Und ab da hätten sich die Hortenser vermehrt.“ Nun war es also offiziell: Darum hatte der Mondmann sich so sehr zusammengerissen, während meines Gebets nicht in schallendes Gelächter auszubrechen... Die Wahrheit ist, er hatte mich von vorne bis hinten veräppelt. ...Wie naiv ich doch war...

Ich ließ eine unwichtige Erklärung an Astor sein. Dann fiel mir meine Frage, die ich Astor stellen wollte, wieder ein: Warum so viele Hortenser diese matt-silbernen Metallanhänger mit grober, unebener Oberfläche und mit verschiedenen Formen, Mustern und Symbolen trugen. Doch ich kam nicht mehr dazu, die Frage auszusprechen, da wir plötzlich eine Kinderstimme schreien hörten: „Mami! Mami! Mami, wo bist du?“

„Ein Kind!“, rief Astor. „Das arme Ding hat sich bestimmt draußen im Nebel verirrt und findet jetzt, bei Dunkelheit ,nicht mehr nach Hause. Die Rassen der Nacht können sehr schaurig sein und ihm absichtlich Angst einjagen.“

„Na los! Wir müssen da raus und ihm helfen!“, fand ich, warf, ohne Rücksicht aus die Kälte, mit einem Ruck die Decke von mir und sprang auf, öffnete die Tür, tastete mit den Füßen nach den Sprossen der Leiter und stieg vorsichtig hinunter. Es war zwar wirklich kalt, doch ich war fest entschlossen, einem Kind in Not zu helfen.

„Lillian, warte!“, hörte ich Astor nach mir rufen. „Allein ist das viel zu gefährlich! Ach, was sag ich da? - Für dich, einen Hortenser mit Menschenverstand, ist es nachts in Emmerald viel zu gefährlich! Du kennst dich doch gar nicht mit den Rassen der Nacht aus!“ Und in Blitzesschnelle war er auch schon hinter mir.

Ich folgte weiterhin den Schreien des Kindes, bis ich eine kleine Silhouette im Nebel vor mir erkennen konnte. Dann wurde der kleine Junge auf uns aufmerksam und entfernte sich langsam. „Mami! Komm schnell! Mami! Hilfe! Da ist jemand! Maaamiii!!!“ Er wurde immer schneller und begann schließlich zu rennen.

„Warte!“, rief ich ihm hinterher. „Wir sind hier um dir zu helfen. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben.“ Nun blieb er stehen. Ich konnte ihn nur noch ganz verschwommen im dichten Nebel wahrnehmen.

„Ja, genau. Hab keine Angst. Komm zu uns. Wir werden dir helfen, deine Mami zu finden“, redete ich ruhig auf ihn ein, worauf er langsam auf uns zu tappte. Als er dann vor uns stand, musste ich mich etwas zusammennehmen um mir meinen Schrecken nicht anmerken zu lassen, denn es war ein kleiner Dämon, vielleicht vier Jahre alt. Astor war genau so überrascht wie ich.

„Wisst ihr denn, wo meine Mami ist?“, fragte der kleine ganz lieb und unschuldig.

„Nein, das wissen wir leider nicht“, bedauerte ich.

„Und ich würde Mami auch nur ungern begegnen...“, zischte mir Astor zu.

„Aber wir werden dir helfen, sie zu suchen“, erklärte ich, worauf mir Astor ein „Bist du verrückt geworden?!“ zuzischte.

„- Gleich morgen früh“, ergänzte ich.

„Aber Mami sagt immer, ich darf nicht nach draußen, wenn die Sonne scheint, weil das gefährlich für mich ist“, zitierte der Kleine.

„Und Astor sagt, ich darf nicht nach draußen, wenn es Nacht ist, weil das gefährlich für mich ist“, imitierte ich den kleinen Dämon.

„Aber du bist trotzdem draußen“, stellte der Dämon fest.

„Ja, weil ich dir doch helfen musste und darum wirst du morgen auch draußen sein. Weil das ein Notfall ist und du Hilfe brauchst“, sprach ich. „Also, kommst du solange mit uns ins Baumhaus?“

„Ein Baumhaus?! Abgefahren!“, rief der kleine begeistert und nahm meine Hand, damit ich ihn nicht verlor.

„Moment mal, Lillian“, murmelte Astor unterwegs in meine Richtung. „Ein Dämon in meinem Baumhaus?! Hab ich da nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden?“

„Ach, Astor! Jetzt sei doch nicht so“, flüsterte ich ihm zu. „Der Arme braucht Hilfe. Was soll er denn schon Großes bei dir anstellen? Er ist doch noch ein Kind. Dein Haus ist doch sowieso fast leer. Außerdem hat er doch noch nicht mal einen Fluch.“

Im Baumhaus angekommen, setzten wir uns wieder ans Fenster und wickelten uns in die warme Decke ein.

„Nanu, friert dich denn nicht?“, wunderte ich mich, als ich dem kleinen Dämon zusah, der sich nur auf ein kleines Stückchen der Decke gesetzt hatte, welches neben mir auf den Boden hing.

„Nein. Dämonen können nicht frieren, ganz im Gegenteil, sie lieben die Kälte sogar. Deshalb kommen sie ja nur nachts raus“, erklärte mir Astor.

„Wie heißt du eigentlich, mein Kleiner?“, fragte ich das Dämonenkind.

„Brutus. Und wie heißt du?“, wollte der Kleine darauf wissen.

„Ich heiße Lillian, aber du darfst mich auch Lilly nennen, wenn du magst, und das hier ist Astor“, stellte ich uns vor.

„Lilly, was für eine Rasse bist du eigentlich?“, interessierte es Brutus nun. „So etwas Schönes wie dich habe ich nämlich noch nie in meinen ganzen Leben gesehen!“

Obwohl es nur ein Kind war, wurde ich verlegen. „Ich bin eine Lichtgestalt“, klärte ich ihn auf.

„Oh! Lillian, sieh mal! Du hast einen Verehrer!“, spottete Astor scherzhaft.

„Was ist ein Ver... Ver... Verdingsda...? – Nicht so wichtig“, kam es von Brutus. „Aber Astor, findest du denn nicht auch, dass Lilly wunderschön ist?“

„Na klar“, meinte Astor darauf nur. Doch es hörte sich nicht ernst an, was mich etwas enttäuschte. Luno und Brutus fanden mich bereits wunderschön. Aber mit Luno hatte ich nichts mehr am Hut und Brutus war noch ein Kind. Auf diese Meinungen konnte ich nicht gehen. Und Astor, dessen Meinung ich schätzen würde, äußerte sich von Anfang an nicht dazu...

Brutus schien, im Gegensatz zu seinen Artgenossen, sehr lieb zu sein. Er erzählte, dass sein Vater immer möchte, dass er furchterregend ist und andere Rassen erschreckt. Aber er selbst mag das doch gar nicht, da er viel lieber Freundschaften schließt und spielt, weil ihn die anderen Dämonenkinder nicht mitspielen lassen. Und wenn doch, dann geben sie ihm die unbeliebteste Rolle, die keiner haben will. Das erinnerte mich sehr an meine Kindheit. Darum war ich fest entschlossen, dem kleinen Dämon zu helfen, Freunde unter den Kindern im Dorf zu finden. – Gleich nachdem er wieder bei seiner Familie ist.

Als es langsam wieder hell wurde, waren all die finsteren Gestalten verschwunden und Astor, Brutus und ich machten uns auf, seine Eltern zu finden.

„Oh! Mit Licht sieht hier ja auf einmal alles so anders aus!“, stellte Brutus fest.

„Ich fasse es nicht, dass die Sonne ihm nichts ausmacht“, stammelte Astor.

„Weißt du denn den Weg nach Hause?“, fragte ich ihn.

„Ja. Ich habe mich gestern nur wegen dem Nebel verlaufen“, stellte Brutus klar. Dann führte er uns bis tief in den dunklen Wald hinein, wo er anschließend in einer Höhle verschwand.

„Brutus?!“, rief ich in die Höhle, worauf es mein Echo tausendmal zurückwarf.

„Grüß dich, Mami! Ich bin wieder da!“, flötete Brutus fröhlich. „Eine Lichtgestalt namens Lilly und Astor, ein Waldelf, haben mich zurückgebracht! Sie waren ganz lieb zu mir und haben auf mich aufgepasst!“

„Dankesssssssccchhhhhööön. Und jetzt geeehhht!“, zischte uns eine keuchende, kratzige Frauenstimme zu, die sich wie eine fauchende Katze anhörte, worauf ich zurückschreckte und Astor dabei beinahe umrempelte. Die Sache war mir irgendwie unheimlich geworden.

„Mami, du glaubst nicht, wie schön Lilly ist! Das musst du gesehen haben!“, rief der kleine Dämon, während Astor und ich uns von der schaurigen Höhle entfernten.

Pinienträne

Подняться наверх