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Kapitel 7

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Am nächsten Morgen wurde ich von einem lautstarken Streit geweckt. Reflexartig tastete ich am Nachttisch nach meiner Brille – vergeblich, denn als ich die Augen öffnete, registrierte ich, dass das alles kein Traum gewesen war. Ich sah ganz klar, dass ich mich noch immer im Gästezimmer des Steinhauses befand. Emmerald war Realität!

„Mondmann! Ich weiß, dass du sie hast! Wo ist sie?!“, brüllte eine mir bekannte Stimme. Es war Astor! Er hatte mich gefunden! ...Und der Mondmann war in der Nähe?! Oh nein!

„Hey, hey... Astor, beruhige dich. Es geht ihr gut“, versuchte ihn Luno vergeblich zu beschwichtigen. Wie immer blieb dieser vollkommen ruhig.

„Das möchte ich von ihr selbst hören!“, forderte Astor unhöflich.

„Das kannst du. Ich werde sie gleich zu dir bringen. Sie schläft noch. Ich gehe sie wecken“, erklärte ihm Luno. „Warte hier, Astor.“ Dann hörte ich Lunos Schritte auf dem Steinboden näher kommen.

„Lilly, du bist ja schon wach“, stellte dieser überrascht fest. „Astor ist hier. Er möchte dich sprechen und sehen, ob es dir gut geht.“

„Ich weiß, das habe ich noch mitbekommen. Ist der Mondmann auch hier?“, interessierte es mich stattdessen. Beim zweiten Satz war ich sehr leise geworden.

„Ja, der Mondmann ist hier. Ihm gehört das Haus“, erklärte Luno, ebenfalls etwas leiser. „Gibt es einen bestimmten Grund, warum wir uns flüsternd unterhalten?“

„Oh nein... Astor hat gesagt, ich dürfe dem Mondmann nicht begegnen...“, tuschelte ich.

Luno runzelte die Stirn. „Ich frag mal besser nicht nach, warum.“ Darüber war ich wirklich froh.

Nach einem kurzen Moment der Überlegung fragte er schließlich: „Genügt es denn auch, dem Mondmann nicht aufzufallen?“

„Ich denke schon“, meinte ich.

Nun redete Luno wieder etwas lauter. „Ich wollte dir sowieso noch etwas geben, bevor du gehst. Heute Nacht habe ich an meinem Spinnrad Gold- und Silberfäden gesponnen und daraus habe ich es für dich gezaubert. Warte hier, ich werde es holen.“

Er ging in eines der Zimmer im Haus und kam mit einem silberweißen glitzernden Kleid mit schmalen Trägern, das mir etwas übers Knie reichen würde und transparenten Schuhen, wie aus Glas, zurück. „Nichts gegen dich, aber ich fand deine Kleidung sowieso etwas... gewöhnungsbedürftig. Damit wirst du nicht auffallen, außer vielleicht wegen deiner unglaublichen Schönheit. Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich umziehen kannst.“

„Und meine alte Kleidung?“, fragte ich.

„Wenn du sie nicht mehr brauchst, kannst du sie auch hier lassen“, gab er mir zur Antwort und verschwand um die Ecke.

„Wo bleibt sie denn?“, hörte ich Astor ungeduldig werden.

„Sie kommt gleich“, kam es daraufhin von Luno.

Inzwischen hatte ich mich umgezogen. Das Kleid war wunderschön und passte wie angegossen, wie ich im Spiegel in Lunos Gästezimmer feststellte. Komischerweise kam es mir so vor, als würde ich heute leuchten, so wie Luno. Meinen Jogginganzug ließ ich hier, da ich dem Mondmann keinesfalls auffallen wollte, indem ich dieses pinke Etwas mit mir trage. Nur meine Halskette behielt ich. Das Erbstück würde ich niemals zurück lassen! Außerdem ähnelt es den Anhängern der Hortenser sowieso etwas. Dann näherte ich mich der Eingangstür, wo Astor und Luno mich bereits erwarteten. Vom Mondmann war jedoch noch immer keine Spur. Vielleicht hatte er sich aber auch nur getarnt, so wie Waldo gestern... Wie der Mondmann wohl aussehen mag?

Luno war, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, von meinem Aussehen begeistert und Astor starrte mich nur noch an. „Lillian, bist du es wirklich? Du siehst so... anders aus...“, wunderte sich Astor.

„Ja, ich bin es. Luno hat das gemacht. Ist das nicht toll?“, wollte ich Astors Meinung hören.

Doch Astor ging nicht weiter darauf ein. „Lillian, wir müssen gehen. – Jetzt sofort!“

„Tut mir leid, Luno, aber ich muss jetzt wirklich los. Vielen Dank für alles, das werde ich dir niemals vergessen! Ich werde dich vermissen!“, verabschiedete ich mich mit einer Umarmung von ihm, worauf er mich freundlich anlächelte.

„Glaub mir, Lilly, du wirst mich nicht vermissen“, sprach er. „Und solltest du es tatsächlich tun, dann kannst du mich ja jederzeit besuchen.“

„Das bezweifle ich“, sagte ich darauf nur etwas traurig, während ich langsam rückwärts die ersten Stufen der kurzen Treppe vor seinem Haus hinunter tappte, um ihn weiterhin ansehen zu können.

„Ich nicht. Du musst nur wollen...“, rief mir Luno etwas selbstsicher hinterher.

„Jetzt komm doch endlich...“, zischte mir Astor ungeduldig vom unteren Ende der Treppe aus zu, also drehte ich mich endlich von Luno weg und folgte ihm.

Während ich etwas zögerlich hinter Astor her ging, drehte ich mich ständig um, um nochmal kurz zu Luno zu sehen. Er sah mir ebenfalls hinterher und winkte mir, mit seinem liebevollen Lächeln im Gesicht, freundlich nach. Ich spürte, ich hatte mich in ihn verliebt und weil wir uns danach wohl nie wieder sehen würden und ich noch immer daran zweifelte, dass diese Welt wirklich existiert und das alles kein Traum ist, machte ich nun etwas sehr Untypisches für mich, was ich mich sonst nie getraut hätte.

Ich machte kehrt und lief auf Luno zu. Als Astor es bemerkte, blieb er sofort stehen und rief mir entsetzt nach: „Hey! Lillian! Das ist die falsche Richtung, hier geht’s lang! Bleib hier! Was hast du vor?!“ Doch ich wollte nicht stehen bleiben. Ich wollte zu Luno, um mich richtig von ihm verabschieden zu können! Dieser stieg, erst noch zögerlich, die Stufen vor seinem Haus hinab und kam mir langsam entgegen. Als ich nun endlich vor ihm stand, fiel ich ihm stürmisch um den Hals und küsste ihn leidenschaftlich, wie bei einer Abschiedsszene aus einem Liebesfilm. Er erwiderte meinen Kuss.

Astor sah mich ganz komisch dabei an. „Lillian, lass das und komm mit! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“, schrie er mir zu. Ich drückte Luno schnell noch einen zweiten Kuss auf die Lippen, ließ ihn los, machte kehrt und lief zurück zu Astor. Luno schüttelte grinsend den Kopf, während ich ihm ein letztes Mal zuwinkte, bevor ich das Dorf verließ und in den Wald einkehrte.

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