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Kapitel 3

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Natürlich hatte ich vor, mir wieder eine Arbeit zu suchen. Aber diese wollte ich dann wenigstens auch gut machen. Und in meinem momentanen Zustand des Liebeskummers konnte ich das vergessen. Immer nur musste ich an Pascal denken. Nur gut, dass ich immer sehr sparsam gelebt hatte und mir so inzwischen mehr als genug zusammengespart hatte, um nicht in Geldnot zu geraten. In den darauf folgenden Tagen ging ich oft spazieren und las sehr viel, um mich von meinen Gedanken abzulenken und mir die Zeit zu vertreiben, da ich das Fernsehen verabscheute. Ich weiß, was die meisten jetzt über mich denken würden: Langweilig, altmodisch, verklemmt und spießig...

Bei meinen Spaziergängen geschahen oft sehr merkwürdige Dinge. Außer, dass sich nun öfters eigenartig aussehende Leute hier herumtrieben, (Bestimmt waren das nur diese verrückten Hippies, die es bei uns in der Stadt gab.) hatte ich plötzlich eine unheimliche Glückssträne. Einmal rief jemand nach mir. Ich blieb stehen um mich umzusehen und stellte fest, dass nicht ich, sondern ein kleines Mädchen, welches wohl auch Lillian hieß, gemeint war. Kurz vor mir ließ eine Taube etwas vom Baum fallen. Wäre ich weiter gegangen, hätte sie mich wohl genau auf den Kopf getroffen.

Ein Andermal waren mir die Schnürsenkel aufgegangen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich stolperte, fand das Gleichgewicht aber wieder. Nur gut, dass gerade niemand in der Nähe war, der mich beobachten konnte... Doch das eigentliche Glück war, dass ich sonst in Hundekacke gefallen wäre. Erst beim Schuhe zubinden wurde ich auf den Hundehaufen aufmerksam. Ansonsten wäre ich wohl zumindest hinein getreten. Zusätzlich fand ich ein 1-Cent-Stück auf der Straße. Soll ja angeblich Glück bringen...

Pascal Lamour lernte ich in dieser Zeit zu hassen und schließlich zu vergessen. Doch heute Nachmittag geschah dann plötzlich etwas sehr unerwartetes: Mein Chef rief bei mir zu Hause an und entschuldigte sich bei mir wegen seines Benehmens. Es hätte da nur ein Missverständnis gegeben und mich hätte keinerlei Schuld getroffen. Die teuren Telefonate fänden nämlich noch immer statt. Er bot mir meinen alten Job wieder an, doch ich lehnte ab. Immerhin hatte sogar ich noch ein kleines bisschen Stolz.

Nachdem ich jedoch den Hörer des altmodischen Telefons wieder auf die Gabel gelegt hatte, kam ich mir schrecklich dumm vor. Wieso hatte ich nicht angenommen? Die Arbeit war immerhin nicht schlecht und wurde auch noch gut bezahlt... außerdem hatte er sich doch bei mir entschuldigt... Um diesen absurden Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen, setzte ich mich im Garten unter die große Trauerweide und las einen Krimi. Dabei kam ich mir ein bisschen wie das Mädchen auf der Spieluhr vor.

Das Buch war wirklich sehr spannend und fesselnd. Da tauchte plötzlich, wie aus dem Nichts, ein junger Mann direkt neben mir auf.

Ich zuckte lautlos zusammen, doch er ging an mir vorbei, als hätte er mich nicht bemerkt. Er sah wirklich sehr seltsam aus, mit seinen grasgrünen gestiftelten Haaren, seinen spitz endenden Ohren und dem äußerst altmodischen, „Robin Hood“ ähnlichen Aufzug. Am Gürtel trug er einen sechseckigen matt-silberfarbenen Anhänger mit grober Oberfläche, in dem der Umriss eines Hirsches eingeritzt war. Gegen den war ja sogar ich noch modern gekleidet! Ich vermutete, er wäre einer dieser verrückten Hippies, von denen es hier in der Stadt nur so wimmelte. Vor denen brauchte man sich aber nicht zu fürchten.

Über den oberen Rand meines Buches beobachtete ich ihn sehr genau. Er sah sich um, ging ein Stückchen, kniete sich auf den Boden nieder, holte ein kleines Pflänzchen aus dem Beutel, den er bei sich hatte und begann mit den Händen im Gras zu graben. Bestimmt war er ein Hippie - einer dieser fanatischen Naturschützer!

„Hey!“, rief ich, legte mein Buch beiseite und stand auf, doch er reagierte nicht. „Mit dir da drüben rede ich!“, rief ich erneut. „Was machst du hier in meinem Garten?“ Wieder reagierte er nicht, sondern grub weiter im Boden. Also ging ich auf ihn zu. „Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir spreche und antworte auf meine Fragen!“, forderte ich ihn auf.

Endlich sah er mit seinen leuchtend gelben Augen zu mir hoch. „...Du kannst mich sehen...?“, fragte er unsicher. Wahrscheinlich stand er unter Drogen, oder so.

„Sag mal, bist du betrunken? Natürlich kann ich dich sehen!“, kam es daraufhin von mir.

„Aber... das kann doch nicht sein. Wie machst du das?“, wollte er wissen. „Ich meine, ich habe schon viele Menschen gesehen, aber du bist der erste, der auch mich sieht!“

„Hör endlich auf, mit dem Unsinn! Es stellt sich wohl eher die Frage, was du hier in meinem Garten machst und was diese komische Verkleidung soll!“, fand ich.

„Verkleidung? – Ich laufe immer so rum. Aber deine Gewandung ist ja auch etwas... gewöhnungsbedürftig...“, entgegnete er. Ich sah an mir herunter und stellte mit Entsetzen fest, dass ich meinen alten, bequemen, schweinchenrosa-farbenen Jogginganzug trug, da ich nicht damit gerechnet hatte, heute jemandem zu begegnen. „Und was ich hier mache? – Ich pflanze Bäume. Das hier wird eine Eiche, wenn sie groß ist“, fuhr er fort. „Mein Name ist übrigens Astor.“

„Lillian“, stellte auch ich mich vor.

„Darf ich etwas mit dir ausprobieren, Lillian?“, fragte er vorsichtig.

Nun war ich ein wenig irritiert. „Was denn?“

„Komm mit!“, forderte er mich auf und ging auf den Weidenbaum zu, unter dem ich gesessen hatte. Ich folgte ihm.

„Und jetzt leg deine Hand an den Baumstamm und versuche, in ihn hinein zu gegen“, erklärte er mir ruhig.

„Was soll der Blödsinn?“, fragte ich, und verschränkte die Arme.

„Pass auf, ich mache es dir vor“, sagte er, legte seine Hand auf die Rinde und ein seltsames Licht umrandete seine Finger. Dann ging er langsam in den Baum hinein und verschwand schließlich vollkommen darin. Ich konnte meinen Augen nicht trauen und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Mit weit aufgerissenen Augen und offen stehendem Mund näherte ich mich langsam dem Baum und berührte die Rinde, durch die der junge Mann einfach so hindurchspaziert war, doch nichts geschah.

War das alles vielleicht nur ein Traum? Ich konnte es nur hoffen. Denn ansonsten wäre diese Erscheinung nur damit zu erklären, dass ich verrückt geworden war. Ich erinnerte mich daran, wie mir meine Großmutter erzählt hatte, dass ihre Urgroßmutter, der diese Villa gehört hatte, damals von deren Nachbarn für verrückt gehalten wurde, weil sie angeblich Leute sah, die es gar nicht gab. Nur Großmutter selbst sagte immer, sie würde meine Urururgroßmutter nicht als verrückt bezeichnen, eher als sonderbar. Hoffentlich hatte ich das nicht durch die Gene geerbt! Derartige Gedanken schossen mir in diesem kurzen Moment durch den Kopf, bis Astors Gesicht wieder aus dem Baum zu mir heraus schaute.

„Na, los! Worauf wartest du noch? Komm mit!“, ermutigte er mich.

„Ich... kann nicht...“, stammelte ich, „Ich weiß nicht, wie das geht...“

„Es ist ganz einfach. Du musst nur Vertrauen haben! Nimm meine Hand.“ Inzwischen hatte er auch seinen Arm durch die Rinde gesteckt. Ich war neugierig geworden, also legte ich meine Hand in seine, schloss die Augen und tastete mich vorsichtig voran.

Pinienträne

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