Читать книгу Pinienträne - Christina Schwarzfischer - Страница 15

Kapitel 13

Оглавление

Wieder im Dorf angekommen stürmte sogleich eine Horde Kinder auf uns zu. Jedes von ihnen trug einen dieser matt-silbernen Metallanhänger mit der unebenen Oberfläche und einem Symbol darin eingeritzt. Durch den Vorfall mit Brutus hatte ich Astor in der vergangenen Nacht ganz vergessen zu fragen, was sie zu bedeuten hatten und auch jetzt war keine günstige Gelegenheit dafür.

„Astor, Astor!“, riefen die Kinder aufgeregt durcheinander. „Warst du wieder in der Menschenwelt? Erzählst du uns eine Geschichte?“

„Oh, da scheint ja jemand sehr gefragt zu sein...“, fiel mir auf.

„Hey, hey! Immer mit der Ruhe!“, versuchte Astor sie zu bändigen.

„Wer ist denn das Mädchen neben dir, Astor? Ist das deine Freundin? Wirst du sie heiraten?“, wollte ein kleines Feenmädchen wissen.

„Ja, sie ist meine Freundin und nein, ich werde sie nicht heiraten, Caroline“, beantwortete Astor die Fragen der kleinen Fee.

Das verstand eine winzige Zwergentochter nicht. „Aber warum denn nicht? Sie ist doch wunderschön!“

„Oh ja, Astor, das ist sie! Findest du nicht auch?“, wandte Caroline ein. Schon wieder geriet ich in Verlegenheit.

„Ja, ja, natürlich ist sie schön. Aber deswegen heiratet man doch nicht, sondern weil dieser Hortenser für einem etwas ganz Besonderes ist“, erklärte ihnen Astor. Ich war von seiner Aussage nicht überzeugt. Wenn er es doch nur aussprechen würde, ohne dass Kinder ihn dazu drängten...

„Stimmt, denn wenn nur schöne Mädchen heiraten würden, dann würde meine Schwester ja nie einen Mann kriegen!“, machte sich ein kleiner Koboldjunge über ein Mädchen lustig, worauf dieses zu weinen begann.

„Schluss damit, Fips. Du sollst Eva doch nicht ärgern!“, wies ihn Astor zurecht, während ich Eva tröstete.

„Aber ist sie denn nicht was Besonderes für dich?“, wollte nun ein Wassergeistmädchen wissen.

„Doch, doch, aber sie ist auf eine andere Art besonders, also nicht so, dass ich sie deswegen gleich heirate, Aria“, versuchte sich Astor herauszureden.

„Was dann?“, interessierte es die Zwergin erneut, worauf Astor antwortete: „Weißt du, Mini, sie ist einfach nur eine Freundin für mich, nichts weiter. Also, wer will denn nun eine Geschichte über die Menschen hören?“, lenkte er schnell von Thema ab, worauf die Kinder alle „Ich!“ durcheinander quiekten.

Dann stellte er sich auf einen Baumstumpf auf dem großen freien Platz vor dem riesigen Steinhaus in der Mitte des Dorfes und die Kinder setzten sich alle drum herum. Ich setzte mich mitten unter die Kinder und lauschte ebenfalls der witzigen Geschichte, die ihnen Astor von den Menschen auftischte. Dazu bewegte sich Astor ganz ulkig auf seinem Baumstamm, womit er die Kinder zum Lachen brachte – und mich ebenfalls.

Er erzählte ihnen, dass man in der Menschenwelt die Nahrung meist an einem Tisch sitzend zu sich nimmt und sie auf etwas Rundem liegt, was auf dem Tisch steht. Da Menschen ja keine Wurzeln haben, nehmen sie die Nahrung mit Hilfe komischer Werkzeuge zu sich, obwohl es mit den Fingern doch viel leichter ginge. Dann gibt es Häuser, dort kommen die Menschen nur zum aufnehmen der Nahrung hin und in einigen davon gibt es so viele Werkzeuge am Tisch, dass sich der Mensch selbst nicht mehr damit auskennt und das falsche benutzt. Und dass Menschen ihre Flüssigkeit aus kleinen, Eimer ähnlichen Behältern, von denen einige gar keinen Henkel haben und wenn doch, dann auf der Seite, aufnehmen und manche dabei den kleinen Finger abspreizen... Für was das wohl gut sein könnte?

Dann erläuterte er Gymnastikübungen und Sportarten. Dass sich bei einer die Menschen ganz dick anziehen und dann versuchen, sich etwas Ovales aus Leder zu schnappen und damit rum rennen, während sich die anderen auf sie stürzen, um das ovale Etwas zu bekommen. Und es dann auf den Boden legen um es mit dem Fuß ganz hoch zu schießen, zwischen eine Art riesigen, metallenen Spieß.

Es war schon witzig, wie Astor es immer erläuterte und wie die Kinder darauf staunten und lachten. Mein Blick wich kurz von Astor und den Kindern ab und da erblickte ich plötzlich Luno, der vom Dach seines Steinhauses zu mir herüber sah und nach oben in den Himmel zeigte. Ohne darüber nachzudenken sah ich hinauf und die Wolken hatten die Form von einem großen Herz angenommen. Gleichzeitig umhauchte mich eine angenehm warme Sommerbrise und ich bekam dabei fast eine Gänsehaut, weil ich mich in diesem kurzen Moment so unheimlich wohl und geborgen fühlte. Stop! Das ist doch nur wieder ein Trick von Luno! Ich darf nicht darauf rein fallen! Schnell drehte ich den Kopf zurück zu Astor und den Kindern und beachtete Luno und seinen Wolkenzauber nicht weiter.

Als Astor mit Erzählen fertig war, wollten die kleinen Hortenser mit uns spielen. Brettspiele, mitunter auch Portal, was es in der Menschenwelt auch gibt, dort jedoch als Mühle bekannt ist, Kartenspiele und Hortenser ärgere dich nicht. Dann tauchte Luno wieder auf. „Grüß dich, Mondmann!“, riefen die Kinder im Chor, worauf Astor aufsah und eine böse Miene zeigte.

„Kinder, ich habe euch doch schon so oft gesagt, dass ihr mich Luno nennen sollt“, belehrte er sie freundlich.

„Meine Mama und mein Papa sagen aber auch immer Mondmann, wenn sie über dich reden“, quakte ein Felswandlerjunge.

„Ja und meine Mama auch!“, rief Aria, worauf ihr Mini zustimmte und es immer mehr Kinder wurden.

„Oke, Oke, schon gut, nennt mich Mondmann, wenn ihr wollt“, gab er sich geschlagen, worauf ich ihm übermütig zurief: „Hallo, Mondmann!“ Astor musste grinsen.

„Grüß dich, Lilly!“, begrüßte er mich sogleich äußerst freundlich. „Also wenn du es aussprichst, klingt es sogar annehmbar... Wie wäre es denn mit einem kleinen Spiel? Kannst du Schach?“

Astor sah mich neugierig an, was ich ihm wohl antworten würde. „Nein, danke. Ich habe keine Lust zu spielen“, erklärte ich. Das war, Astors Meinung nach, wohl die richtige Antwort gewesen, denn er lächelte.

„Ach, komm schon, Lilly, wenn du gewinnst, darfst du dir auch von mir wünschen, was du willst. Und ich weiß ja, was du willst... Das hast du mir gestern gerade zu deutlich gemacht. Meine Antwort? – Ja, ich erfülle dir den Wunsch – wenn du gewinnst.“

„Und wenn ich verliere?“, wollte ich wissen. Astor sah mich erwartungsvoll an.

„Nichts“, gab er mir zur Antwort. „Wenn du verlierst passiert nichts.“

„Lu...äh...Mondmann, ich nehme die Herausforderung an!“, teilte ich mit, worauf die Kinder jubelten.

Was Luno nicht wusste: Ich konnte nicht nur Schach spielen, ich war sogar sehr gut darin. So gut, dass ich schon an einigen Schachmeisterschaften teilgenommen – und auch gewonnen hatte. Ich war immer unter den besten dreien dabei gewesen! Luno im Schach zu besiegen, stellte ich mir deshalb nicht weiter problematisch vor. Dieser war sehr höflich mir gegenüber, überließ mir die freie Platzwahl und setzte sich mir erst am Holztisch gegenüber, nachdem ich daran Platz genommen hatte. Dann bauten wir das Schachfeld auf, wobei mir Luno die Wahl der Farbe der Spielfiguren überließ. Ich wählte Hellbraun, da ich sonst immer mit Weiß spielte. Ich durfte also zuerst ziehen. Für ihn blieb Dunkelbraun. So begann das Spiel. Ein altes Sprichwort im Schach, das jedoch nicht immer stimmt, besagt: Weiß beginnt, Schwarz gewinnt. Doch heute bewahrheitete es sich. Luno hatte eine mir völlig fremde Taktik angewandt, bei der er sofort in den Angriff überging, während ich noch dabei war, mir einen Schutzwall aus Bauern zu konstruieren. Dabei verlor er zwar all seine Bauern, einen seiner Läufer und opferte sogar seine Dame, mit den Worten: „Die brauche ich jetzt nicht mehr, um zu gewinnen.“ Dafür musste ich mich von einigen Bauern, beiden Läufern, einem Springer und einem Turm verabschieden. Am Ende hatte er meinen König dann so in die Enge getrieben, dass mir meine eigene Konstruktion zum Verhängnis wurde, indem sie meinem König jeglichen Fluchtweg versperrte, bis ich nicht mehr aus den Schach-Bereichen fliehen konnte. Insgesamt hatte das Spiel ziemlich lange gedauert.

„Da habe ich dich, im wahrsten Sinne des Wortes, wohl ganz schön in Schach gehalten...“, meinte er grinsend. Am liebsten hätte ich ihm sein blödes Grinsen aus dem Gesicht geprügelt! Wie hatte er das nur gemacht? Wie hatte er es geschafft, mich zu besiegen?!

„Oh! Jetzt weiß ich’s! Du hast geschummelt! Du und deine blöde Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen!“, schimpfte ich beleidigt.

„Nein, ich habe nicht geschummelt. In Emmerald ist das erlaubt. Gewöhnlicherweise setze ich diese Fähigkeit beim Spielen nicht ein. Aber heute ging es ja um einen wichtigen Einsatz. Außerdem habe ich dir doch schon gesagt, dass ich damit kaum in die Zukunft sehen kann. Um genau zu sein, nennt man diese Fähigkeit den achten Sinn“, stellte er klar. „Aber ich muss ehrlich zugeben, du bist wirklich sehr gut in Schach. Die meisten Hortenser könnten dir nicht das Wasser reichen. Was du dagegen nicht wusstest, war, dass ich in Denkspielen unter den Hortensern so gut wie unschlagbar bin. Noch keiner hat mich darin besiegt. Das kommt vielleicht deswegen, weil ich zu viel Zeit zum Üben habe, so ganz allein, ohne Freunde... Naja... heute hast du’s nicht geschafft. Aber vielleicht beim nächsten Mal...?“

„Beim nächsten Mal?!“, stieß ich empört hervor. „Jetzt hör mir mal zu, Freundchen, es wird kein nächstes Mal geben!“

„Aber warum denn auf einmal diese spontane Entscheidung? Willst du denn nicht mehr zurück und lieber hier, bei mir in Emmerald, bleiben?“, ärgerte er mich bewusst mit dieser Wortwahl.

„Nein, aber mit Schummlern spiele ich nicht!“, gab ich ihm darauf zur Antwort und wollte ihn damit beleidigen. Doch Luno ging nicht weiter darauf ein.

„Lilly, ich mache dir nun einen Vorschlag: Ich werde ab jetzt, nur noch ohne meine Zauberkräfte dabei einzusetzen, mit dir spielen. Aber wenn ich dir, solltest du gewinnen, einen beliebigen Wunsch dafür anbiete, verlange ich ab nun auch von dir, dass du mir dafür einen Wunsch erfüllen musst, wenn ich gewinne. Natürlich gilt das bei dir nur für einen Wunsch, für den du keine Zauberkraft benötigst“, schlug er mir vor.

„Sollte ich gewinnen, musst du mir aber einen Wunsch mit Zauberkraft erfüllen, wenn ich das will“, stellte ich klar.

„Natürlich. Alles, was du willst“, bestätigte er mir.

„Und woher weiß ich, dass du deine Zauberkraft auch wirklich nicht mehr einsetzt?“, wollte ich mit einem kritischen Blick von ihm wissen.

„Hhmmm... Du musst mir wohl einfach vertrauen“, überlegte er laut. „Aber ich versichere dir, das kannst du ohne Bedenken, dabei eine Enttäuschung zu riskieren.“

„Ja und ich weiß auch warum: Weil ich nämlich noch nicht mal enttäuscht wäre, wenn du dein Versprechen nicht einhältst, da sowieso nichts anderes von dir zu erwarten ist...“, meinte ich unverschämt.

„So habe ich das eigentlich nicht gemeint. Lilly, ich versichere dir, ich habe bisher immer mein Wort gehalten. Denn ich habe es bereits selbst schon erfahren, wie es ist, wenn jemand sein Versprechen mir gegenüber brechen will...“, sagte er nur. „Also, was ist? Vertraust du mir? Wie wäre es mit einem zweiten Spiel – ohne Zauberkraft und ohne Einsätze – als Beweis sozusagen?“

Da ich ihn testen wollte, willigte ich ein, was Astor jedoch, seinem Blick nach zu urteilen, für keine gute Idee hielt. Tatsächlich war Luno in diesem Spiel gar nicht mehr so gut. Er verlor sogar unbeabsichtigt seine Dame. Doch mit den beiden Türmen schaffte er es erneut, mich zu besiegen. Ich glaubte jedoch trotzdem, dass ich ihm jetzt, in Sachen Spiele, trauen konnte.

„Oke, Luno. Dann wollen wir nun nochmal um einen Einsatz spielen“, erklärte ich mich bereit, doch dieser meinte darauf nur: „Schön, dass du mich wieder Luno nennst, Lilly und auch, dass du noch einmal gegen mich antreten willst. Aber ich bin im Moment nicht in der Stimmung dazu. Tut mir leid. Vielleicht ein andermal...?“ Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Haus.

„Du Mondmann!“, rief ich ihm darauf wütend hinterher, worauf er mir nur freundlich zuwinkte. „Du hast doch nur Angst, ich könnte dich diesmal besiegen, weil du jetzt nicht mehr schummelst“, schrie ich darauf, doch er tat so, als hätte er es nicht mehr gehört.

„Wollen vielleicht mal wir beide etwas spielen?“, fragte mich Astor, nachdem Luno in seinem Haus verschwunden war.

Ich willigte ein, schließlich musste ich für das nächste Mal mit Luno üben! Also spielten wir Schach. Doch schon während der ersten Partie bemerkte ich, dass Astor eine Niete in Schach war und ich mich darum nicht verbessern konnte, indem ich mit ihm spiele. Darum machten wir uns den Rest des Tages lieber auf die Suche nach Informationen über Pinienträne. Astor führte mich zu den letzten vertrauenswürdigen Hortensern, die er kannte, doch leider erfuhren wir wieder nichts Neues. Die kalte Nacht, die folgte, verbrachte Astor erneut damit, mich mit komischen Fragen zu durchlöchern.

Am nächsten Tag, als wir wieder am großen Platz vor dem Steinhaus in der Mitte des Dorfes mit den Kindern spielten, kam Luno dann erneut dazu. „In Ordnung, Lilly, ich bin wieder so weit, mit dir um einen Einsatz zu spielen“, verkündete er mir. „Aber wenn ich gewinne, musst du danach mit mir noch eine Partie Schach ohne Einsatz spielen.“

„Geht klar!“, willigte ich sofort ein... und verlor beide Partien. Jedoch hatte mir das zweite Spiel, wenn ich ehrlich war, sogar Spaß gemacht. Astor war bereits nach der ersten Partie gegangen, also wäre ich allein gewesen, wäre Luno nicht geblieben und hätte mir noch ein weiteres Denkspiel, welches bei ihnen Matik genannt wird, erklärt. Es war nicht sehr kompliziert zu verstehen, dafür aber ziemlich schwer zu gewinnen.

Man brauchte dazu nur ein Blatt Papier und einen Stift. Dann malte man vier, aus Strichen bestehende Reihen, untereinander in Pyramidenform darauf. Ganz oben, in der ersten Reihe nur einen Strich, in der zweiten Reihe drei Striche, in der dritten Reihe fünf Striche und in der vierten Reine sieben Striche, also von Reihe zu Reihe abwärts immer zwei Striche mehr. Das war auch schon alles und das Spiel konnte beginnen. Abwechselnd streicht man nun in einer beliebigen Reihe immer so viele Striche durch, wie man will. Wer aber durch den Zug des anderen dazu gezwungen ist, den letzten Strich durchzustreichen, hat verloren.

Wir spielten eine Weile, wobei Luno immer gewann, dann tauchte Astor plötzlich wieder auf, um mich abzuholen. Irgendwie wäre ich gerne noch geblieben, um mit Luno zu spielen, doch das durfte ich mir natürlich nicht anmerken lassen, weder vor Astor, der Luno ja nicht ausstehen konnte, noch vor Luno, der wohl sonst glauben würde, ich hätte ihm verziehen, was er mir angetan hatte. Jedoch nahm ich mir vor, Matik zu üben, damit ich auf eine Herausforderung von Luno um einen Einsatz vorbereitet wäre.

Pinienträne

Подняться наверх