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Kapitel 16

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Als ich zu mir kam, fand ich mich – zu meinem Entsetzen - in Lunos Armen wieder. Mein Kopf wurde von seinem rechten Arm gestützt, wobei er mit der Hand meine rechte Schulter streichelte und mir mit der linken immer wieder über Haare und Wange strich. Er sah verträumt aus und sein Gesichtsausdruck war äußerst zufrieden. Zwar ließ er mich nicht aus den Augen, doch sein Blick war so glasig, das ich wusste, dass er durch mich hindurch sah.

In diesem Moment stellten sich mir viele Fragen und ich wusste nicht, was ich zuerst sagen sollte. Also überlegte ich trotz meiner starken Kopfschmerzen, tat währenddessen so, als ob ich noch nicht bei Bewusstsein wäre und ließ Lunos Streicheleinheiten weiterhin über mich ergehen. Ich hätte mir den Kopf abreißen können, als ich einsah, dass mir Lunos Anwesenheit und seine sanften, fürsorglichen Zärtlichkeiten sogar gut taten. Aber das redete ich mir doch nur ein. Bestimmt wieder irgendein Zauber von ihm, der mich verwirren sollte... All meine überflüssigen Gedanken schob ich beiseite. Ich musste mich konzentrieren. Ich musste mich erinnern. Dann kam es mir wieder: Astor, Sonne bei Nacht, Amulette, Pai, Matik, ...Kuss!

Panisch ergriff ich die Initiative. „Was machst du denn hier?!“, wollte ich in einem entrüsteten Ton von Luno wissen, während ich mich ruckartig aus seinen Armen befreite und mich aufrichtete, was mir aber missglückte indem ich durch eine Art Kreislaufschwäche wieder umkippte. Ich landete erneut auf der weichen Matratze des Bettes, auf dem ich gelegen hatte.

„Wieso ich? Ich wohne hier“, antwortete mir Luno so ruhig wie immer.

„Aber... aber... ich war doch gerade eben noch in der Sonne bei Nacht“, stotterte ich verwirrt.

Luno musste lachen. „Schätzchen, dein gerade eben ist über vier Stunden her.“

Wütend fuhr ich ihn an: „Nenn mich nicht Schätzchen!“ „Aber...“, fiel mir nun auf, „Wenn ich geschlafen habe... Ich denke nicht, dass ich verletzt wurde... mein Kreislauf ist schwach... und Kopfschmerzen habe ich auch! Menschliche Bedürfnisse und Krankheit gibt es doch unter Hortensern nicht... Heißt das, dass ich wieder ein Mensch bin?“ Ich beantwortete mir die Frage gleich selbst: „Du hast mich zurückverwandelt! Oh danke, Luno! Ich danke dir! Du bist endlich zur Vernunft gekommen!“ Stürmisch umarmte ich ihn, worauf er ebenfalls ins Bett kippte.

Luno lachte auf. „Hey! So kannte ich dich ja gar nicht mehr! Seit du mich geküsst hast, hast du dich nicht mehr so benommen. Aber so gefällst du mir viel besser. Nur leider muss ich dich enttäuschen. Sieh in den Spiegel.“

Luno wies in die Ecke des Zimmers hinter mir, in der sich wohl der Spiegel befand. Langsam ließ ich ihn wieder los, doch ich drehte mich nicht um. Ich zögerte noch, da ich befürchtete, ich wäre wieder das hässliche Entlein, das ich immer gewesen war.

„Du leuchtest noch“, erklärte Luno schließlich, als ich nicht hinsehen wollte, „was bedeutet, dass du noch immer eine Lichtgestalt bist, ein Hortenser. Du hast nicht geschlafen, du hast nur geträumt. Eine Art Ohnmacht oder Trance. Und Kopfschmerzen oder eine Kreislaufschwäche sind zwar sehr selten in Emmerald, aber keine Krankheit, nur ein Symptom. Nein, Lilly, ich muss dich enttäuschen, du bist kein Mensch.“ Nun sah ich in den Spiegel und stellte dasselbe fest. Enttäuscht ließ ich den Kopf hängen. Doch nicht er, sondern ich selbst hatte mir falsche Hoffnungen gemacht.

„Wo ist Astor?“, wollte ich nun mit leiser, heiserner Stimme wissen.

„Ich weiß nicht. Noch immer in der Sonne bei Nacht, denke ich. Aber wenn du willst, kann ich mit meinem achten Sinn auch nachsehen“, bot er mir an.

Ich lehnte ab. „Nein, lass nur. Wie kam ich hierher?“

„Ich habe dich getragen“, gab er mir zur Antwort.

„Und ich habe das zugelassen?!“, wunderte ich mich.

Luno lächelte zufrieden. „Nicht nur das. Du hast es mir förmlich angeboten, dich mitzunehmen.“

Was war in diesem Moment nur in mich gefahren?! Hatte er mich verzaubert? Ich konnte mich nicht erinnern. „Was ist denn passiert, in der Sonne bei Nacht? Weißt du das vielleicht?“, fragte ich ihn verzweifelt, „Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich mit Astor dort war und mit seinen Freunden um deren Amulette Matik gespielt habe. Pai...“ Ich schreckte zusammen, als mir der Kuss wieder in den Sinn kam. „Als ich das zweite Mal gegen Pai gespielt habe, wer hat da gewonnen? Weißt du das zufällig?“, wollte ich ungeduldig von ihm wissen.

„Du. Du hast gewonnen. Du hast jedesmal gewonnen! Außer...“, er redete nicht weiter.

„Wie, außer...? Sag es mir!“, forderte ich.

„Weißt du denn noch, um was du alles gespielt hast?“, stellte er mir stattdessen eine Gegenfrage. „Was du den Jungs versprochen hattest, wenn sie dich besiegen könnten?“

„Naja... Pai hatte ich einen Kuss versprochen...“, gab ich, beschämt vor Luno, zu. „Ab da weiß ich nichts mehr. Ich wusste ja noch nicht mal, wie das Spiel endete.“

„Oh Lilly, ich war überrascht von dir, was du ihnen nach deinem Sieg über Pai noch so alles angeboten hast, nämlich alles, was ein Junggesellenherz begehrt... So kannte ich dich gar nicht... Mit dem Kuss hast du ihnen ja bereits einen, wenn auch vielleicht nur kleinen Teil von dir angeboten. Aber als die Amulette mehr wurden, wurden die Angebote von dir auch immer größer und mehr...“ Während ich Luno zuhörte, bekam ich Angst, dass ich etwas furchtbar Dummes gemacht haben könnte. Etwas, was ich nie wieder rückgängig machen könnte... „Du hast ihnen deinen Körper versprochen, wenn sie dich besiegen könnten“, erläuterte er. „Erst nur von außen, dann von innen - wenn du verstehst, was ich meine... und zuletzt sowohl als auch, bis hin zum vollen Programm. Alle bisherigen Angebote auf einmal, ja sogar doppelt...“

„Aber... ich habe doch immer gewonnen“, erklärte ich entschlossen. Lunos Schweigen verunsicherte mich nicht nur, es quälte mich beinahe zu Tode. „Luno, jetzt sag mir doch bitte, dass ich immer gewonnen habe!“, flehte ich ihn fast schon an.

„Ja, es stimmt, du hast wirklich alle Amulette gewonnen! Keiner, aber auch wirklich Keiner in der Sonne bei Nacht, hatte auch noch einen einzigen Zinnanhänger, Astor und du ausgenommen. Doch dann kam er zur Tür herein. Er hatte keine Angst vor den Rassen der Nacht. Er hatte davon gehört, was gerade in der Sonne bei Nacht vor sich ging und er hatte nur einen einzigen, lausigen Zinnanhänger, gerade eben, nur für diesen einen Zweck, aus seinem eigenen Körper gegossen. Ich sah ihn auf dich zukommen... und ich wusste, er war gut in Matik - zu gut für dich. Mit meiner Gabe sah ich, wie er dich besiegen würde, also schritt ich ein.

Ich hatte dich die ganze Zeit über in meiner Gestalt eines Nachtfalters beobachtet. Ich kam bereits zu dir als ich mit meinem achten Sinn sah, dass man Astor außer Gefecht gesetzt hatte, schließlich musste ja irgendjemand auf dich aufpassen, dass du keine Dummheiten machst... oder zumindest nicht mit den falschen Hortensern... Und nun verwandelte ich mich zurück und forderte dich bei deinem höchsten Einsatz heraus, gegen mich zu spielen, bevor dieser Hortenser dich fragen konnte, da ich wusste, du würdest nicht auf mich hören, wenn ich dir davon abraten würde, denn du warst in diesem Moment einfach zu sehr von deinem Können überzeugt. Du warst nicht mehr du selbst, ganz aufgedreht und benebelt. Bestimmt war das von dieser Wasserpfeife gekommen und genau deswegen lehne ich sie strikt ab. Ich hatte zwar kein Zinn, welches ich dir anbieten konnte, aber wir beide hatten ja unser übliches Angebot... und schließlich hast du gegen mich verloren...“

Mein Atem stockte vor Schreck, denn ich erinnerte mich. Ich sah alles nochmal vor meinem geistigen Auge und wusste, es war die Wahrheit, was mir Luno da erzählt hatte. Ich sah nochmal, wie die Tür aufging und der Fremde hereintrat. Er griff nach seinem Glücksbringer und schritt auf mich zu. Plötzlich stürzte etwas Kleines, direkt vor mir, von der Decke, landete auf dem Stuhl, der mir gegenüber stand und verwandele sich in Luno. Er forderte mich heraus - ich nahm an und verlor... weiter wusste ich nicht. Aber das Angebot meinerseits für den Gewinner ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte ihm zwei Nächte volles Programm mit mir versprochen, so selbstsicher war ich mir im Rausch gewesen und so dumm konnte es ausgehen. Für zwei Nächte lang hatte ich mich versklaven lassen...

„Weißt du noch, was ich gewonnen habe?“, fragte er mich.

„Ich habe mich soeben erinnert“, hauchte ich atemlos.

„Dann habe ich also noch eine Nacht mit dir“, stellte er klar.

„Was?! Eine?!“, rutschte es mir einfach so heraus. Dafür hätte ich mich umbringen können! Anscheinend erinnerte er sich nicht mehr so genau an die Abmachung wie ich, obwohl mir das ziemlich rätselhaft vorkam, da ich ja die Benebelte war.

„Ja, noch eine Nacht“, bestätigte er. „Aber wenn du nicht genug von mir bekommen kannst, kannst du ja gerne um noch eine Nacht mit mir spielen, dann werde ich dich nämlich gern gewinnen lassen...“

„Sicherlich nicht!“, stieß ich hervor.

Er hatte glücklicherweise wohl nichts bemerkt. Beinahe hätte ich mir alles verdorben und müsste es doch zwei Nächte lang über mich ergehen lassen... „Oh, du glaubst ich hätte vergessen, dass es zwei Nächte waren“, stellte er nun zu meinem Entsetzen fest. „Dabei ist dir nur noch nicht in den Sinn gekommen, dass du den ersten Teil deiner Abmachung bereits erfüllt haben könntest...“

„Wie bitte?!“, stieß ich entsetzt hervor.

„Naja, nachdem ich dich besiegt hatte, habe ich dich ja, wie gesagt, in mein Haus getragen. Und dort haben wir dann noch einen Großteil der Nacht verbracht... Es war wirklich sehr schön mit dir. Wie schade, dass du dich nicht erinnern kannst. Ich fand es wahnsinnig toll, die ganze Nacht in einem Bett mit dir zu verbringen, während du auf mir lagst, dich in den Armen zu halten, zu berühren, zu streicheln und zu verwöhnen...“, schwärmte er.

„Hör auf! Hör auf! Ich ertrage das nicht! Du lügst doch!“, schrie ich ihn hysterisch an, doch er sprach mit ruhiger Stimme zu mir: „Und ich schwöre dir, Lilly, jedes Wort davon ist wahr. - Du hast es selbst gesehen, als du aufgewacht bist: Wir befanden uns im selben Bett und du lagst zur Hälfte auf mir, während ich dich in den Armen hielt und streichelte. Keine Angst, ich würde es nie wagen, dich unsittlich zu berühren, während du nicht bei vollem Bewusstsein bist, um mich davon abhalten zu können... Nach meinem Sieg bist du nämlich vor Schreck in Ohnmacht gefallen. Darum musste ich dich auch in mein Haus tragen...“ Sein Grinsen verwandelte sich in ein Lachen. „Oh Lilly, du hättest mal dein Gesicht sehen sollen! Du bist voll drauf reingefallen!“

Ich fand das überhaupt nicht mehr lustig. „Das ist sowas von gemein von dir, mich so zu erschrecken!“, schimpfte ich.

„Ach ja? Wäre es dir etwa lieber gewesen, wenn das, was ich dir gerade eben weiß gemacht hatte, die Wahrheit gewesen wäre? Glaub mir, der andere Hortenser, der dich nicht mehr herausfordern konnte, hätte sich nur so auf dich gestürzt, wenn er dieselbe Gelegenheit wie ich gehabt hätte“, argumentierte er. Er hatte Recht und das wusste ich auch, darum gab ich mich wortlos geschlagen.

„Dann werde ich mich mal auf die Suche nach Astor machen“, wandte ich ein, stand auf, schlüpfte in meine Schuhe, die vor dem Bett abgestellt waren und machte mich schon auf zu gehen, in der Hoffnung, er würde darüber hinweg sehen, dass ich ihm noch etwas schulde, da er mich gestern in Matik besiegt hatte.

„Bei Einbruch der Dunkelheit bist du aber wieder hier“, stellte er klar, worauf ich erschrak.

„Und... was hast du da mit mir vor?“, stotterte ich ängstlich.

„Da wirst du den zweiten Teil deiner Abmachung erfüllen. – Und diesmal werde ich dein volles Programm auch nutzen...“, warnte er mich vor. „Und, ach ja, solltest du glauben, es wäre damit abgetan, dass du einfach nicht erscheinst, werde ich dich mir holen. Glaub mir, ich kann das. Ich habe da einen netten Fluch parat, der dich dazu bringt, all deine Versprechen mir gegenüber auch einzuhalten...“

Pinienträne

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