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Entlohnung der Arbeit, nicht des Produkts

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Dieses Suchen und Ausprobieren aus dem chaotischen, punktuellen und reaktiven Zustand, in dem es derzeit brodelt, in einen koordinierten, geregelten, mehr oder weniger gewerkschaftlichen zu überführen, ist eine schwere, aber unausweichliche Arbeit, die den Schriftstellerinnen und Schriftstellern niemand abnehmen wird, keine Leserschaft, keine Agentur, kein Publikum und keine Kritik – die haben nämlich alle ihre eigenen Sorgen, darunter auch ein paar neue. Auf dem Weg zur Verbesserung der Verkehrsformen sehe ich derzeit zwei Hindernisse: Einerseits ein falsches Bild davon, was es mit dem Schreiben von Literatur beruflich inzwischen überhaupt auf sich hat – dagegen wird man aufklären müssen, das wird zu ändern sein –, andererseits aber eine grundsätzliche, nicht leicht änderbare oder abschaffbare Grundvoraussetzung dieses Berufes, von der ich noch nicht einmal weiß, ob ich es überhaupt wünschenswert fände, wenn sie sich abschaffen ließe.

Zum ersten Punkt: Die Copyrightdebatte tut so, als wären wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller tatsächlich noch so etwas wie Schuster oder Bäckermeisterinnen in der Ära des längst verstorbenen frühen Konkurrenzkapitalismus ohne transnationale Konzerne, und als wären etwa Verlage dann nur irgendwie formal gleichgestellte Vertragspartner, die eben uns, den freien Unternehmern des Wortes, ein paar lästige Multiplikatorenarbeiten abnehmen, uns ansonsten aber in Augenhöhe begegnen – wir machen was, ein Produkt, und die dürfen es vervielfältigen. Ich schlage einen Perspektivwechsel vor. Copyright tut so, als ginge es um einen Besitz, ein Produkt, ein Ding, ein Hauptwort. Es geht aber um einen Prozess, eine Arbeit, ein Verb. Dafür wird man bezahlt – das entspricht der Wirklichkeit, in der das Produkt inzwischen nicht mehr, oder nur selten, im Wert steigt, sondern oft über längere Zeit immer weniger abwirft: Leute, die Lohnarbeit leisten, erwarten ja auch nicht, dass das, was sie letzte Woche hergestellt haben, noch was abwirft, die gehen heute wieder zur Arbeit, wie gestern. Die Auseinandersetzung, die Organisation, die ich gewerkschaftlich genannt habe, wird unter Bedingungen, die, weil das Angebot an Literatur und überhaupt allem, was man elektronisch verbreiten kann, so groß ist, immer mehr denen ähneln, wo das gestern Hergestellte heute nichts mehr abwirft und deshalb heute was Neues hergestellt werden muss, eine Auseinandersetzung um die Entlohnung von Tätigkeiten, nicht um den Preis von Objekten sein.

Zum zweiten Punkt: Literaturschreiben findet nicht in Fabriken statt, und selbst wenn man online und anderweitig vernetzt arbeitet, ist es eine konzentrierte, in den eigenen Wort-Space zurückgezogene, verglichen etwa mit dem Beruf »Kellner« immer ein bisschen außergesellschaftliche Arbeit. Solche außergesellschaftlichen Arbeiten sind aber nicht zwingend, ja nicht einmal sehr oft im emphatisch negativen Sinn »asozial«, sondern von potenziell sehr hohem gesellschaftlichem Nutzen – als diejenigen Beschäftigungen, in denen sich das normale gesellschaftliche Treiben eine Reflexionspause gönnte, eine Erzählpause, eine Bilanzpause, ein Atemholen, das es zum Beispiel erlaubt, Fragen zu stellen wie die, ob das, was »wir alle« gerade machen, eigentlich sinnvoll, gut, wahr, richtig, schön ist, oder etwas anderes nicht vorzuziehen wäre.

Wenn sich die Leute, die so etwas leisten, nun also gewerkschaftlich organisieren sollen – gebe ich mit dieser Empfehlung nicht etwas sehr Wertvolles, gerade im gegenwärtigen großen Rummel um sogenannte Partizipation, Interaktivität, allgemeine Austauschbarkeit der Kommunikationsakte, in der Nivellierung des Besondern durch schlechtes Allgemeines geradezu Unverzichtbares preis?

Alleine, selbstherrlich, von irgendeinem imaginären »oben« herab kann und mag ich darüber nicht rechten. Aber dass das Schreiben nicht ohne das Lesen gedeiht, dass also diejenigen, die Literatur schaffen, auch mitbekommen, was andere schreiben und geschrieben haben, ist jedenfalls ein Hinweis darauf, dass man das, was an diesem Beruf die Einsame und den Solitär in uns anspricht, mit neuen Formen der Solidarität durchaus zusammendenken könnte – denn wenn uns schon interessiert, was die anderen erlebt und gedacht haben, warum sollen wir dann nicht auch lernen, an ihrem wirtschaftlichen Schicksal teilzunehmen, bewusst und artikuliert, wo es doch sowieso bereits auch unseres ist?

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