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Selfpublishing

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Im August 2012 veröffentlichte die Berliner Autorin Nika Lubitsch ihren Kriminalroman Der 7. Tag, der von allen angefragten Verlagen abgelehnt worden war. Sie publizierte ihn als EBook bei Amazon. Nur eine Woche nach Erscheinen stand das Buch auf Platz eins der Amazon-E-Book-Bestenliste und hatte Shades of Grey vom Thron gestoßen. An manchen Tagen, hieß es in der Presse, habe die Autorin bis zu 3.000 Euro mit dem E-Book verdient. Über 1.100 Rezensionen sind auf Amazon zu dem Titel zu finden. Ein Einzelfall oder eine Ausnahmeerscheinung?

Schauen wir uns das E-Book-Ranking von Amazon doch einmal etwas genauer an. Am 1. November 2013 befanden sich unter den Top 12 gerade zwei Titel aus traditionellen Verlagen. Am 17. November 2013 waren es unter den Top 20 immerhin sieben. Alle anderen Titel wurden von Autorinnen und Autoren selbst publiziert. Selfpublishing ist auf dem Markt angekommen. Vorbei sind die Zeiten, in denen selbstverlegte Texte unlesbar und wirtschaftlich bedeutungslos waren, in denen nur diejenigen ihre Bücher selbst verlegten, die keinen traditionellen Verlag finden konnten. Dies meint der Selfpublishing-Experte Wolfgang Tischer, der literaturcafe.de gegründet hat und dessen Herausgeber ist.

Dieser zeitliche Wendepunkt lässt sich sehr genau auf den April 2011 datieren. In diesem Monat launchte Amazon seinen Kindle auf dem deutschen Markt und startete gleichzeitig das Kindle Direct Publishing (KDP), ein Programm, das es den Autorinnen und Autoren denkbar leicht macht, ihre Texte in ein gut lesbares E-Book zu formatieren. Und auch hier errang Amazon scheinbar mühelos die Marktführerschaft.

Jüngsten Untersuchungen zufolge haben etwa 70.000 Menschen in den vergangenen Jahren E-Books veröffentlicht. Davon entscheidet sich inzwischen ein Drittel bewusst gegen eine Verlagsveröffentlichung, dies vor allem, um die inhaltliche und urheberrechtliche Kontrolle über ihr Werk selbst ausüben zu können. Fast die Hälfte der Selfpublisher schreibt zum Geldverdienen, und zwanzig Prozent von ihnen verstehen sich sogar als professionelle Autoren, für die das Schreiben Hauptbeschäftigung und Einkommensquelle ist. Immerhin vier Prozent erzielen monatlich ein Einkommen von über 2.000 Euro.

Das ist besonders erstaunlich, wenn man sich das Preisgefüge der selbst verlegten E-Books anschaut. 49 % aller E-Books kosten bis 3,99 Euro, 20 % bis 4,99 und lediglich 24 % werden für über fünf Euro angeboten. Doch die Autorinnen und Autoren erhalten von Amazon 70 % der Verkaufserlöse und erzielen damit pro verkauftem E-Book mehr Umsatz als bei einem gedruckten Buch, das etwa fünfmal so teuer ist. Das geringe Pricing selbst verlegter E-Books ermöglicht nicht nur eine höhere Verkäuflichkeit, es konterkariert auch die Preisgestaltung in den Verlagen, deren E-Books meist zwanzig Prozent unter dem Preis der gedruckten Ausgabe liegen.

Aus den vorgenannten Gründen stellt sich für eine zunehmende Zahl von Autorinnen und Autoren die Frage nach einem Verlag überhaupt nicht mehr. Sie können außerdem inzwischen fast alles von spezialisierten Dienstleistern einkaufen, was zur Buchproduktion und zur Vermarktung eines Titels notwendig ist: Herstellung, Lektorat, Korrektorat, Marketing, Vertrieb und Pressearbeit – sofern sie nicht selbst über das notwendige Know-how verfügen. Allerdings nimmt lediglich die Hälfte der Selfpublisher solche externen Dienste in Anspruch, weshalb die Qualität selbst publizierter Bücher durchschnittlich weit unterhalb der Produktion traditioneller Verlage liegt.

Die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets begünstigen den Vertrieb der selbst publizierten Bücher. Über soziale Netzwerke baut man sich eine Fangemeinde auf, man verschenkt einzelne Kapitel als Appetizer, sorgt dafür, dass die eigenen Bücher in Social-Reading-Plattformen diskutiert werden, nutzt alle Tools der Suchmaschinenoptimierung und schaltet vielleicht sogar preiswerte und zielgruppenspezifische Werbung auf Google oder Facebook.

Selbstverständlich hat die Buchbranche längst auf die Tendenz zum Selfpublishing reagiert und selbst entsprechende Plattformen und Geschäftsmodelle eingerichtet, doch sie muss wohl noch damit umgehen lernen, dass ihre Gate-keeper-Funktion von immer mehr Autorinnen und Autoren kritisch hinterfragt wird.

Deshalb empfiehlt Wolfgang Tischer den Verlagen, die neue Konkurrenz ernst zu nehmen und sich nicht allein auf den eigenen Qualitätsanspruch zu verlassen. (Wir erinnern uns noch gut an die Hybris des Brockhaus-Verlages, der Wikipedia völlig unterschätzt hat und schließlich vom Markt verschwunden ist.) Verlage sollten ihre Preispolitik bei E-Books überdenken und neue Formate entwickeln, die eine andere Preisgestaltung ermöglichen: Buchformate mit kürzeren Texten, Fortsetzungen und Reihen, E-Book-only-Imprints, Gratis-Bonusmaterial und vieles mehr.

Es ist unbestritten, dass die Verlage bei gedruckten Büchern nach wie vor den Diskurs bestimmen, dass für viele Autorinnen und Autoren das Renommee wichtig ist, das mit einer Verlagspublikation nach wie vor verbunden ist. Doch die Anzeichen mehren sich, dass den Verlagen ein Bedeutungsschwund droht, wenn sie nicht umgehend neue Strategien entwickeln und ihr Leistungsspektrum deutlicher als bisher kommunizieren.

Bücherdämmerung

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