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Bücher im digitalen Zeitalter
Von der Gutenberg- in die Turing-Galaxis

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Im Jahr 1953 – also vor rund sechzig Jahren – erschien Ray Bradburys dystopischer Roman Fahrenheit 451 im Verlag Ballantine Books (der heute zu Random House gehört). Bradbury selbst hatte den Roman um eine Feuerwehr, die Brände nicht bekämpft, sondern legt, indem sie Bücher verbrennt, primär nicht als Polemik gegen die Zensurpolitik Senator McCarthys intendiert, sondern als Kritik am Fernsehen, das Nationen in Familien zu verwandeln drohe, und die Zimmerwände in scheinbar transparente, zugleich aber immer festere Mauern. Der Titel des Romans sollte die Temperatur bezeichnen, bei der sich Papier entzündet; hier hat Bradbury vermutlich geirrt (oder Fahrenheit mit Celsius verwechselt): Zeitungspapier entzündet sich bei 175° Celsius (347° Fahrenheit), Schreibpapier bei 360° Celsius (680° Fahrenheit), und Papier von höherer Qualität benötigt sogar eine Temperatur zwischen 450° und 550° Celsius (842° bis 1.022° Fahrenheit), um zu entflammen. Aber darauf kommt es nicht an, ebenso wenig wie auf Michael Moores Aneignung des Titels von 2004 (Fahrenheit 9/11), die Bradbury in einem Telefoninterview mit Dagens Nyheter, das am 2. Juni 2004 veröffentlicht wurde, bissig kommentierte: »Michael Moore ist ein dämlicher Drecksack. So denke ich über ihn. Er hat meinen Titel geklaut und die Zahlen ausgewechselt, ohne mich jemals um Erlaubnis zu fragen.« Nichtsdestotrotz gewann Moores Film 2004 die Palme d’or von Cannes, ganz im Gegensatz zu François Truffauts 1966 in englischer Sprache gedrehter Verfilmung des Romans (mit Oskar Werner und Julie Christie in den Hauptrollen), die keine Auszeichnungen erhielt.

Inwiefern sind die düsteren Zukunftsvisionen Bradburys und Truffauts – nach siebzig oder bald fünf zig Jahren – eingetreten? Wann und wo werden Bücher oder ganze Bibliotheken verbrannt? Wann und wo begegnen wir den verschworenen Gemeinschaften, die ihr Leben – wie die »Buchmenschen« in Fahrenheit 451 – dem Schutz kultureller und literarischer Werte widmen? Gewiss wird der Buch markt – spätestens seit der Jahrtausendwende – immer wieder von Krisen und schlimmen Ängsten erschüttert. Regelmäßig werden dramatische Umsatzeinbrüche prognostiziert, auch wenn die Rückgänge häufig moderater ausfallen als befürchtet. Kleine Buchhandlungen verschwinden; selbst große Handelsketten schließen Filialen und bangen um ihre Investitionen. Das Inseratenaufkommen der überregionalen Presse sinkt; selbst das Feuilleton angesehener Zeitungen wird immer dünner. Ratlos und uneinig ist der Markt bei der Benennung möglicher Ursachen für diese Krisen. Vor zehn Jahren wurde gern auf den 11. September verwiesen oder auf die Euro-Umstellung; heute werden die Turbulenzen auf den Finanzmärkten und die Schuldenkrise verantwortlich gemacht. Sobald die Leute sparen, vermeiden sie in erster Linie den Konsum von Luxusgütern. Bücher und Zeitungsabonnements geraten insofern rasch in Verdacht, nicht dringend benötigt zu werden, als wir stets ein paar Bücher im eigenen Regal entdecken können, die wir noch nicht gelesen haben, ganz abgesehen davon, dass wir wöchentlich mehrere Zeitungsausgaben in den Altpapier-Container stopfen, ohne sie wenigstens einmal durchgeblättert zu haben.

Bücherdämmerung

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