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Belastende Gefühle

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Die unangenehmste Erinnerung an die damalige Zeit war abends im Bett, wenn sich meine Eltern stritten. Das war meistens spätabends, nachdem mein Vater nach Hause kam. Ich hörte vorwiegend die Stimme meiner Mutter, wie sie immer lauter wurde und ihn anschrie. Das löste in mir Angst und Unbehagen aus. Es kam eine Phase, in der mir jeden Abend beim zu Bett gehen schlecht war. Ich hatte irgendwoher ein kleines Fläschchen, auf dem geschrieben stand: Gegen Unwohlsein und Erbrechen. Wenn ich dieses Fläschchen bei mir hatte, dann ertrug ich mein allabendliches übel sein. Ich las den Text auf dem Fläschchen immer und immer wieder durch und das beruhigte mich wirklich, denn wenn es hart auf hart kommen sollte, konnte ich davon nehmen, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dass ich es jemals aufgemacht und benutzt hätte. Aber wehe dieses Fläschchen war nicht da, dass war für mich eine Katastrophe und ich litt dann sehr. Eines Tages vertraute ich mich meiner Mutter an und erzählte ihr von meiner abendlichen Übelkeit. Ich hatte das Gefühl, dass sie nun böse auf mich war und ich fühlte mich schuldig deswegen. Ich sagte lange Zeit nichts mehr. Ich weiss nicht wie lange es gedauert hat, doch es ist mir bestimmt nicht leicht gefallen, als ich sie erneut damit belästigte. Sie sagte: “Dann gehen wir halt zu einem Arzt“ und sie gab mir das Gefühl, als fehlte mir nichts. Beim Arzt angekommen, war Herr Doktor Eklin nicht anwesend, er war in den Ferien. Seine Vertretung, ein sehr junger Arzt, war mir gleich sympathisch. Ich sass also dem gut aussehenden, jungen Mann, mit kleiner runder Brille gegenüber. Er fragte mich nach meinen Beschwerden und ich schilderte sie ihm. Er fragte mich so einige Dinge und ich erzählte ihm die Umstände drum herum. Nach diesem Gespräch wurde es mir lange Zeit nicht mehr übel und ich konnte ohne das Fläschchen auskommen. Ich weiss nicht wie lange es anhielt, doch irgendwann kam die Übelkeit wieder, nicht mehr so häufig, doch irgendwie ging ich dann bewusster mit diesem Problem um und irgendwann hörte es wohl auf. Ich denke, ich erkannte den Grund dafür und dies ist die halbe Heilung. Es kam vor, dass meine Mutter bei uns im Zimmer schlafen wollte, doch das war sehr unangenehm, weil dann nachts, wenn wir schon alle schliefen mein Vater ins Zimmer kam, Licht machte und wollte, dass meine Mutter zu ihm herunter kommt, ins gemeinsame Bett.

Einmal, kurz vor Weihnachten, als mir langweilig war, sagte meine Mutter, ich dürfte ein Geschenk auspacken und den ganzen Nachmittag damit spielen, aber am Abend, müsste ich es wieder hergeben und wir würden es wieder einpacken. Ich war einverstanden und packte eine „Barbie“ aus, wow! Eine Barbie-Ballerina mit blonden Haaren und einem rosa Tütü. So wie es sich für eine Ballerina gehörte, so gelenkig war sie auch. Das war ein sehr schönes Erlebnis.

Wenn ich am Morgen verschlafen hatte und das kam oft vor, dann hatte ich Angst als Letzte ins Schulzimmer einzutreten. Weil mir meine Mutter anbot, doch lieber zu Hause zu bleiben, nahm ich dieses Option gerne an. Wenn sie dann jeweils im Dorfladen einkaufen ging, brachte sie mir sogar etwas Leckeres mit. Als ich Jahre später die jährlichen Absenzen in meinem Zeugnis sah, erschrak ich schon ein wenig. Mutter kochte sehr oft Spaghetti und sie kochte sie wirklich gut! Käsehörnchen mit Birnen war unserer Lieblingsmenü. Sonntags gab es meistens einen Braten mit Kartoffelstock. Ich liebte es, wenn es geschwellte Kartoffeln mit „Zibu“ gab und verschiedenen Käse dazu. Nach diesem Abendessen gingen Philip und ich oft zu Jonas und Werner und spielten dort im „Tenn“, im Strohlager Fangen. Wir bauten mit den Strohballen richtige Gänge. Es war einfach Spitze, obwohl ich die Langsamste von allen war und darum diejenige, die immerzu fangen musste. Philip probierte in seinem Zimmer so manch Kampf- und Verteidigungskunst an mir aus. Und einmal bat er mich um einen Gefallen. Ich sollte einer Freundin von ihm anrufen, weil deren Eltern ihre Tochter wohl behüteten und die Telefonate kontrollierten. Es ging dann aber trotzdem in die Hose, weil doch tatsächlich diese Mutter mich anfing auszuquetschen, wer ich denn nun sei und wo ich zur Schule ginge und so weiter! Zu dieser Zeit besuchte Philip in Wattwil die Kantonsschule. Ich verbrachte manchen schulfreien Nachmittag in seinem Zimmer und hörte Musik. Als ich mich an die Musikanlage wagte, prägte ich mir jeden einzelnen Schalter ein wie er stand und erst dann stellte ich die Knöpfe so ein um via Kopfhörer seine Schaltplatten zu hören. Ich praktizierte dies eine lange Zeit, bis ich wahrscheinlich etwas nachlässig wurde und er es eines Tages bemerkte. Er stellte mich zur Rede und ich gab es auch gleich zu. Von da an durfte ich offiziell in seinem Zimmer Musik hören, so oft ich wollte und das machte mich sehr stolz. Einmal, wirklich nur einmal, so glaube ich, war ich so sauer auf meinen älteren Bruder, dass ich in sein Zimmer ging und den Puzzleteilen auf dem Pult, gleich noch zwei andere Puzzles hinzu mischte. Meine Mutter sortierte diese dann Tage danach wieder auseinander und war natürlich sauer auf mich. Sie schimpfte mit mir und ich gab ihr eine freche Antwort. Sie gab mir darauf zwei, drei kaum spürbare Handschläge auf meinen Hintern. Ich begann zu weinen und sagte, dass es mir gar nicht wehgetan hätte und lief davon. Ich zog mein rotes Wintermäntelchen, mit weissem Fell umrandeter Kapuze an und ging in den Wald. Nie mehr wollte ich wieder nach Hause zurückkehren! Ich lief und lief und meine Wut, so denke ich, baute sich dadurch ab. Plötzlich wusste ich gar nicht mehr, warum ich so wütend war und es gab für mich keinen Grund mehr nicht nach Hause zu gehen, ausser meinem etwas verletzten Stolz vielleicht. Meine Mutter hatte mich soweit nie geschlagen und auch damals empfand ich es nicht wirklich bedrohlich, oder gar schmerzlich, auf jeden Fall nicht auf körperlicher Ebene. Mein Vater ist mir einmal nachgerannt und ungeschickterweise lief ich auf den Balkon und war somit gefangen. Vor mir stehend, plusterte er sich auf und ich war schon auf eine Ohrfeige gefasst, doch er beliess es dann mit ein wenig Haare zupfen.

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