Читать книгу Grüwig das Buch - Gabriela Beyeler - Страница 49

Ein Wunder, das zum wunderbaren Moment führte

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Wir lernten „Sergio“, den Bruder von Dieter`s Chef kennen, der als Monteur auch bei Knupp arbeitete. Wir besuchten ihn und seine Familie, die in einem umgebauten Bauernhaus wohnten. Sie hatten drei Kinder und davon war eines ein schwerstbehindertes, im Alter von ungefähr 5 Jahren. Es überlebte den Kindstod, als es erst einige Monate alt war. So hart das klingen mag, doch wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann lieber tot, als schwerstbehindert. Sicher würde ich mein Kind auch in einem solchen Zustand lieben, ohne Zweifel, doch was hat das Kind und auch seine Eltern für ein Leben? Es ist einfach traurig anzusehen, auch wenn es bestimmt immer wieder wundervolle Momente gibt, daran würde ich nie zweifeln.

Der Wunsch ein weiteres Kind zu haben ruhte nicht. Und dieser Wunsch kam auf, so schrecklich das jetzt klingen mag, noch während des Spitalaufenthalts, kurz nach der Geburt von Joe. Ich verstand dieses Gefühl, den Wunsch selbst nicht! Da hatte ich solch schreckliches durchgemacht und schon hegte ich wieder einen Kinderwunsch. War ich nicht normal? War das die Natur? Ich weiss es nicht. Der Tod von Cyrill verfolgte mich in meinen Träumen noch lange Zeit. Ich träumte immer wieder von einem kleinen weissen Sarg, der nicht beerdigt war, den ich in der Garage, oder sonst wo fand. Man muss kein Psychologe sein um diesen Traum zu deuten. Einmal hatte ich folgenden grässlichen Traum oder eine Halluzination. Ich nahm den kleinen Cyrill tot aus seiner Wiege, gleiche Szene wie damals, als er gestorben war und dann plötzlich erwachte er und biss in mein Ohr. Das war so gruselig, wie in einem Horrorfilm! Und dann, Jahre danach, passierte mir eigentlich das Schlimmste was ich mir hätte vorstellen können in Sachen Tod. Ich trug den Tod in mir. Doch diese Erfahrung hat mich befreit von jenen Alpträumen. Irgendetwas hat sich dadurch gelöst. Es mag auch seltsam klingen, wenn ich jetzt sage, dass ich mit der Quote von zwei verstorbenen Kindern, zu einem lebenden Kind nicht zufrieden sein konnte. Das Verhältnis stimmte für mich einfach nicht und ich konnte das so nicht akzeptieren. Wie oben erwähnt, wollte ich gerne noch eines aber Dieter leider nicht. Ohne seinen Wunsch, es noch einmal zu versuchen, wollte ich es aber auch nicht wagen und so wartete ich und wartete geduldig. Eines Tages rief ihn ein Schulkollege von früher an und erzählte, dass seine Tochter im Spital läge, wegen eines starken Stromschlags. Wir wollten das Mädchen besuchen und brachten eine „Barbie“ mit. Zuerst besuchten wir die Eltern und sie erzählten uns, wie es zu dem Unglück kam. Das Mädchen war ungefähr in der dritten Klasse. Etwa 200 Meter vom Elternhaus entfernt, holte sie jeweils der Schulbus ab. Die Kinder warteten also dort auf den Bus. Es war ein nasser und kalter Tag. Das Mädchen sah am Wiesenrand eine Kabelrolle liegen und nahm sie in die Hand. Es handelte sich um eine vom Bauern liegen gelassene Rolle Zaundraht. Das Mädchen hatte eine Idee. Ganz in der Nähe, wo sie und auch die anderen Kinder auf den Bus warteten, befand sich eine Eisenbahnbrücke. Auf der Brücke stehend, steckte sie den Draht durch das Gitter und lies den Draht hinunter, immer weiter, bis er unwissend an die Hochspannungsleitung der Züge kam. Dem Mädchen versetzte es einen gewaltigen Stromschlag! Sie überlebte, weil sie an diesem Tag Gummistiefel trug. Die Mutter zeigte uns die Kappe, die Handschuhe und die Stiefel, die sie beim Unfall trug. Man sah an allen Kleidungsstücken Brandspuren, es war erschreckend und grausam. Als wir dann das Mädchen besuchten, lag sie in ihrem Spitalbett. Die Ärzte mussten ihr teils die Finger abnehmen oder kürzen. Sie brauchte Hautverpflanzungen, die sie ihr an gesunder Stelle entnahmen und an den verbrannten einsetzten. Ihr Hirn hat auch etwas gelitten, vor allem ihr Gedächtnis. Ihre guten schulischen Leistungen, wie wir später erfuhren, waren dahin. Dieter half ihr beim Auspacken unseres Geschenks und spielte mit ihr. Ihre Eltern waren gerührt und auch ich staunte über sein Verhalten und war sehr angetan. Auf dem Nachhauseweg, wartend vor der Bahnschranke in Sitterdorf, sagte er aus heiterem Himmel, er wolle doch noch gerne ein Kind, ein Mädchen! Dieser Augenblick gehörte unter anderen, zu einer meiner schönsten in meinem Leben. Ich war so glücklich darüber. Nach zwei, drei Monaten wunderten wir uns, weil es noch nicht klappte. Wir hatten doch sonst nie Probleme? Nach einem Jahr fand ich es dann mehr als seltsam und wollte der Sache auf den Grund gehen. Dieter bekam einen Termin beim Urologen für eine genaue Untersuchung. Das hat ihm so gestunken, dass muss man sich vorstellen, da zeugt man drei Kinder und dann muss man zum Urologen. Ich habe ihn dann psychisch darauf vorbereitet, dass der Arzt sicherlich in seinen Augen dumme Fragen stellen würde und er sich deshalb nicht aufregen sollte. Es war natürlich alles in Ordnung, wie erwartet. Nun war ich an der Reihe und ging zur Untersuchung, auch bei mir fand man nichts ungutes. Im Gegenteil, wir sahen gerade einen Eisprung. Als ich Tage später mit dem Arzt telefonierte und er mir bestätigte, dass auch tatsächlich alles in Ordnung sei bei mir und es schon noch genauere Untersuchungen und Möglichkeiten gäbe, sagte ich: „Nein danke.“ Mir war nun klar, dass es eine psychische Blockade war. Und wenn dem so war, wollte ich nichts forcieren. Mir wurde bewusst, dass die Angst und der Wunsch für ein weiteres Kind gleich gross waren und sich die Kräfte damit gegenseitig wie aufhoben.

Grüwig das Buch

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