Читать книгу Krieg in der Ostsee - Günther Georg Freiherr von Forstner - Страница 5

Die Spannungszeit vor Kriegsausbruch.

Оглавление

Nach langen Jahren lag im Juni 1914 wieder einmal ein englisches Geschwader von vier modernen Großkampfschiffen und drei Kleinen Kreuzern zum Besuch unserer Flotte gelegentlich der Kieler Woche in unserm schönsten Reichs-Kriegshafen von Kiel.

Wir glaubten, dass dieser von englischer Seite angesagte Besuch den Wunsch der englischen Regierung nach besseren Beziehungen zu uns ausdrücken sollte. Spannungen mancher Art waren zwischen Deutschland und England in den letzten Vorkriegsjahren entstanden. Nun hofften wir auf eine Bereinigung aufgetretener Missverständnisse.

Freudig wurden die englischen Schiffe empfangen, und eine Reihe festlicher Veranstaltungen und friedlicher Sportkämpfe zwischen deutschen und englischen Schiffsbesatzungen waren zu Ehren unserer englischen Gäste vorgesehen. Auch die Stadtverwaltung, sowie die Bevölkerung Kiels nahmen die Engländer auf das gastlichste auf.

Da platzte am Tage der großen Sonntags-Regatta, dem wichtigsten Sportereignis der Kieler Segelwoche, das Echo der unheilvollen Schüsse aus Sarajewo in die frohe Feststimmung hinein, denen das österreichisch-ungarische Thronfolgerpaar in dem Wetterwinkel Europas zum Opfer gefallen war.

Diese Kunde brachte alle weiteren Feierlichkeiten jäh zum Abbruch. Das englische Geschwader wurde sofort nach der Heimat zurückgerufen, und sein Chef, Vizeadmiral Sir George Warrender, meldete sich mit seinen Schiffen bei unserm Kaiser ab.

Bei der Ausfahrt aus dem Kieler Hafen gab er unserer Flotte durch Flaggensignal den schönen Abschiedsgruß:

„Friends to day! Friends in future! Friends for ever!“

(„Freunde von heute! Freunde in Zukunft! Freunde für ewig!“)

Bei uns stieg bei diesem etwas überheblichen, oder allzu weit in die Zukunft gehenden Abschiedswunsch der Engländer aber doch schon so mancher Zweifel auf, ob diese soeben neu bekräftigte Freundschaft wohl wirklich nun auch für ewig halten würde. Ja, angesichts der zugespitzten politischen Lage rechneten wir in der Marine vielmehr schon mit der baldigen Möglichkeit einer ganz anderen Entwicklung. —

Immer höher stieg in den nächsten Tagen die Erregung der Welt den österreichisch-ungarischen Sühneforderungen für die grauenhafte Mordtat gegenüber. Es nahte die Zeit, in der unser Kaiser Anfang Juli seine alljährliche Erholungsreise auf seiner Jacht „Hohenzollern“ in die norwegischen Gewässer antreten wollte. Unsere gesamte Hochseeflotte sollte einige Tage später auch zu ihrer planmäßigen Sommerübungsreise in die norwegischen Gewässer auslaufen. Wie schon so oft in den letzten Jahren war dort ein Zusammenliegen von Teilen unserer Flotte mit der Kaiserjacht „Hohenzollern“ vorgesehen, das die Besatzungen unserer Schiffe stets mit stolzer Freude erfüllte.

Wegen der zugespitzten außenpolitischen Lage wollte der Kaiser seine Norwegenreise in diesem Jahr aufgeben, um mit den verantwortlichen Stellen der Regierung in ständiger Fühlung zu bleiben. Auch die Reise unserer Flotte in die norwegischen Gewässer sollte unterbleiben, um unsere Küsten bei der gespannten Lage nicht ganz von dem Schutz von See aus zu entblößen.

Wenn auch vielfach traurigen Herzens, hatten unsere Flottenbesatzungen sich bereite mit dem Gedanken der Aufgabe der Fahrt zu dem schönen Norwegen abgefunden.

Der Reichskanzler v. Bethmann Hollweg drängte jedoch auf die planmäßige Durchführung der Kaiserreise und der Übungsfahrt der Flotte. Seiner Meinung nach hätte ein Aufgeben dieser Fahrten zur weiteren Zuspitzung der Gesamtlage führen können.

So trat der Kaiser mit „Hohenzollern“, dem Begleitkreuzer „Rostock“ und dem Depeschenboot „Sleipner“ am 5. Juli seine Fahrt an, die Hochseeflotte folgte am 14. Juli.

Mit raschen Schritten spitzte sich die außenpolitische Lage in Europa inzwischen immer weiter zu. Nach dem scharfen Ultimatum von Österreich-Ungarn an Serbien schien der Ausbruch eines Krieges, wenigstens zwischen unseren Bundesgenossen Österreich-Ungarn und Serbien, sowie dem immer klarer auf die Seite Serbiens tretenden Russland, unvermeidlich. Als der Kaiser, der vom Reichskanzler v. Bethmann Hollweg unbegreiflicherweise nur ungenügend auf dem Laufenden gehalten wurde, durch die Meldung eines Telegraphenbüros den Wortlaut dieses Ultimatums erfuhr, erkannte er sofort den vollen Ernst der Lage. Unverzüglich trat er daher mit der „Hohenzollern“ und seinen Begleitschiffen die Heimreise an. Bei seiner Abfahrt befahl er dem Flottenchef, Admiral v. Ingenohl, mit der Flotte nach Auffüllung der Brennstoffvorräte beschleunigt zur Heimat zu folgen.

In diesen Tagen hatte die englische Flotte eine Probemobilmachung vorgenommen. Über den Aufenthalt der einzelnen englischen Geschwader lagen keine genauen Nachrichten vor. Für den Fall weiterer plötzlicher Zuspitzung der Lage konnte einzelnen unserer Flottenteile, die in verschiedenen norwegischen Hafen verteilt lagen, wovon die britische Admiralität unterrichtet war, leicht der Heimweg durch die englische Flotte mit Übermacht verlegt werden.

Aber auch für unsere Kaiserschiffe bestand eine große Gefahr, da aus aufgefangenen Funksprüchen ersichtlich war, dass die stärksten französischen -Linienschiffe „La France“ mit dem Präsidenten der französischen Republik, Poincaré, und „Jean Bart“, die sich auf der Heimreise von Verbrüderungsfeierlichkeiten in St. Petersburg befanden, in den engen Gewässern des Großen Belt ihnen begegnen konnten.

Wenn dann vielleicht inzwischen bereits eine plötzliche Kriegserklärung Frankreichs an uns erfolgt wäre, mit deren Möglichkeit wir immerhin rechnen mussten, war es doch keineswegs ausgeschlossen, dass die Franzosen die Kaiserschiffe abfingen, um Rache zu nehmen für die Gefangennahme ihres Kaisers Napoleon III. bei Sedan im Jahre 1870. Sie hätten hierbei kaum ein Risiko zu laufen brauchen, wenn mittlerweile die englische Flotte bereits die Rückendeckung gegen die zur Heimat zurückmarschierenden Teile der deutschen Flotte übernommen hätte.

Es kam zu einer solchen Begegnung nicht. Tatsächlich passierten die Kaiserschiffe und die beiden französischen Kriegsschiffe aber dieselben Gewässer mit einem Zeitunterschied von nur wenigen Stunden.

Der Chef der Marinestation der Ostsee, Vizeadmiral Bachmann, erkannte nach den eingelaufenen französischen Funksprüchen über die Bewegungen und den Standort der französischen Schiffe sofort die große Gefahr, in der die Kaiserschiffe schwebten. Er entsandte daher sofort die wenigen in der Heimat gebliebenen ihm unterstellten Kreuzer und Torpedoboote zur Sicherung und zum Schutz in den Fehmarn-Belt und Großen Belt. Hierbei begegnete der Kreuzer „Augsburg“ den beiden französischen Schiffen auf größere Entfernung.

Wir atmeten in Kiel auf, als die Kaiserschiffe am 27. Juli glücklich in Kiel eingelaufen waren. Bald darauf folgte auch unsere Flotte. Verschiedentlich hatte diese auf ihrem Marsch in der Nordsee bereits französische Torpedoboote getroffen. Diese konnten immerhin schon zur Beobachtung der Bewegungen unserer Flotte ausliegen. Möglich war es natürlich auch, dass sie zur Sicherung der von St. Petersburg zurückkehrenden beiden Schiffe aus der Heimat entsandt waren.

Die durch das Sichten französischer Torpedoboote in der Nordsee erhöhte Spannung der Besatzungen unserer Hochseeflotte löste sich aber wieder, als vor dem Skagerrak die Flotte getrennt in ihre Heimathäfen Kiel und Wilhelmshaven entlassen wurde.

Hieraus war zu ersehen, dass unsere leitenden Stellen nicht mehr mit einem nahen Kriegsausbruch rechneten.

Nach Ankunft in den Heimathäfen erfolgte bei der bald wieder weiter gestiegenen Spannung die beschleunigte kriegsmäßige Ausrüstung aller Flottenteile.

Nach vorhergegangenen Sicherungsmaßnahmen wurden unsere letzten Großkampfschiffe am 31. Juli vormittags von Kiel in die Nordsee entsandt.

Krieg in der Ostsee

Подняться наверх