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Kriegseröffnung durch Beschießung von Libau.

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Admiralstab und Prinz Heinrich waren von vornherein der Überzeugung, dass bei der starken Unterlegenheit in der Ostsee nur ein überraschendes angriffsweites Vorgehen gegen die russische Flotte und ihre Stützpunkte Erfolg versprechen konnte. Glückte der erste Schlag von unserer Seite, so erschien es möglich, dass die Russen auch bei dem Auftreten nur schwacher Kräfte einen stärkeren Rückhalt an kampfkräftigen Schiffen dahinterstehend vermuteten. Gelang diese Täuschung, so konnte mit einer Zurückhaltung der russischen Ostseeflotte gerechnet werden.

Bereits am 30. Juli wurden deshalb „Augsburg“ und „Magdeburg“ nach Neufahrwasser entsandt, um dort weitere Befehle abzuwarten. „Augsburg“ hatte vor dem Auslaufen in Kiel eine Ladung von 100 Angriffsminen an Bord genommen.

Nachdem am Abend des 1. August die Mobilmachung ausgesprochen worden war, wurde auf den Schiffen der telegraphische Befehl zur Eröffnung der Feindseligkeiten gegen Russland am Morgen des 2. August jubelnd begrüßt. Die Besatzungen wussten, dass sie dazu berufen waren, als erste Schiffe an den Feind zu kommen.

Von den Segenswünschen der im Hafen stehenden Besatzungen der Küstenwerke begleitet, liefen beide Kreuzer unter Führung durch den Kommandanten der „Augsburg“ bald nach erhaltenem Befehl aus.

Ihnen war die Aufgabe gestellt, vor dem nächstgelegenen russischen Kriegshafen von Libau die deutsche Flagge zu zeigen. Die Zufahrtswege nach Libau sollten durch Minensperren verseucht und die Hafen- und Werftanlagen durch Geschützfeuer von See aus zerstört werden.

Der Kriegshafen von Libau, dessen ursprünglich geplanter großzügiger Ausbau nach dem Zusammenbruch der russischen Flotte im Russisch-Japanischen Kriege( 1904—1905) wesentlich verzögert und eingeschränkt worden war, diente russischen Leichten Streitkräften bereits als Stützpunkt. Gelang es, die militärischen Anlagen von Libau zu zerstören, so war dieses als Ausfalltor gegen die nahe gelegenen deutschen Häfen von Memel, Pillau und Neufahrwasser-Danzig nicht mehr verwendbar. Hierdurch konnte auch eine Entlastung des linken Flügels unserer Ostfront erreicht werden.

Vom Feind ungestört verlief der Vormarsch außer Sicht der Küste bei günstigem Wetter. Kurz vor der Höhe von Libau stießen die Schiffe zur Durchführung ihrer Aufgabe dann mit erhöhter Fahrt weiter gegen Libau vor.

Nach Lage der Dinge konnte es nicht wundernehmen, dass man auf beiden Schiffen unter dem festen Eindruck einer unvermeidlichen und bald zu erwartenden starken feindlichen Gegenwehr stand.

Mit höchster Spannung wurde daher das Insichtkommen des russischen Kriegshafens erwartet. Endlich konnten die Ausguckposten in den Masten das Insichtkommen von Libau melden. Starke Rauchwolken lagerten über dem Hafen. Dieses erhöhte den Eindruck, dass russische Kriegsschiffe dort zu beschleunigtem Auslaufen Dampf aufmachten. Ein baldiger Kampf mit ihnen schien daher bevorzustehen.

Die Schiffe hatten Befehl, schwächere feindliche Streitkräfte anzugreifen, vor einem überlegenen Feind aber auszuweichen.

Der deutsche Führer rechnete damit, dass nun bald überlegene feindliche Kräfte gegen ihn vorstoßen würden. Vor diesem erwarteten Gefecht musste „Augsburg“ aber seine Minenladung losgeworden sein, um die Gefahr von Geschoßeinschlägen in die Minen zu beseitigen, und das Oberdeck zur ungestörten Bedienung der Geschütze frei zu haben.

Daher erfolgte noch vor Erreichung der für die Minensperre vorgesehenen Plätze der Befehl zum Minenwerfen. In halbstündiger Arbeit wurden alle hundert Minen bei höchster Fahrt von „Augsburg“ geworfen. Hierauf wurde zur Aufnahme der Beschießung weiter auf Libau zugehalten.

Hell auflodernde Feuer an Land erzeugten den Eindruck der Abgabe von Salven durch Küstenwerke. Um nun noch rechtzeitig den zweiten Teil der Aufgabe, die Zerstörung der Hafenanlagen, durchführen zu können, entschloss der deutsche Führer sich zur Eröffnung des Feuers auf eine für die 10,5-cm-Geschütze seiner Kreuzer leider reichlich große Entfernung. Weiter auflodernde Brände an Land wurden für Geschoßwirkungen gehalten, und von den Geschützmannschaften, die ihr Äußerstes hergaben, freudig begrüßt.

In der höchsten Gefechtsspannung meldeten Ausgucksposten aus den Krähennestern der Masten während dieses Gefechtes das Auslaufen feindlicher Torpedoboote.

Der deutsche Führer gab unter diesem Eindruck funkentelegraphisch die Meldung ab:

„Habe Minen gelegt. Bombardiere Libau, Libau brennend. Bin im Gefecht mit feindlichen Kreuzern.“

Sie löste bei uns in Kiel helle Begeisterung aus, da die „erste Siegesmeldung“ in dem eben begonnenen Krieg von unserer Marine kam, auch im ganzen Vaterland wurde sie mit größtem Jubel aufgenommen. Wir atmeten erleichtert auf, war doch der erste Schlag von unserer Seite geführt, ohne dass vorher ein russischer Überfall auf unsere östlichsten Hafenstädte erfolgt war.

Nach der Beschießung gingen beide Kreuzer zur Aufnahme des Handelskrieges in die Gewässer bei Bornholm, wo sie aber keinerlei russischen Handelsverkehr mehr antrafen.

„Augsburg“ und „Magdeburg“„ liefen dann zur Kohlenergänzung Swinemünde an. Hier wurden die Besatzungen der Schiffe, die als erste dem Feind gegenübergestanden hatten, auf Grund der bereits durch die Presse verbreiteten Meldung der Beschießung von Libau von der Bevölkerung jubelnd begrüßt. Am Abend des 4. August befahl Prinz Heinrich beide Schiffe zur persönlichen Meldung der Kommandanten nach Kiel. Auch schien ihm die Zusammenziehung aller verfügbaren Streitkräfte in der westlichen Ostsee zum Schutz der Kieler Bucht bei der nunmehr jeden Augenblick erwarteten englischen Kriegserklärung erforderlich.

Bei der Begrüßung unserer von Libau kommenden Kameraden beneideten wir sie nicht wenig darum, dass es ihnen schon vergönnt gewesen war, mit dem Feind in Fühlung gekommen zu sein.


Das Schwesterschiff von „Friedrich Carl”, der Panzerkreuzer „Prinz Adalbert”, sinkt am 23. Oktober 1915 westlich Libau durch einen Torpedotreffer des englischen U-Bootes „E 8”. Die Detonationswolke des Torpedos konnte mit einem rein zufällig auf das Schiff eingerichteten Fotoapparat festgehalten werden. 32 Offiziere und 610 Mann fanden auf ihrem Schiff den Heldentod, nur drei Mann konnten von Torpedobooten gerettet werden.


Panzerkreuzer „Friedrich Carl”, Flaggschiff von Konteradmiral Behring am 17. November 1914 33 Seemeilen westlich von Memel nach Auflaufen auf zwei russische Minen gesunken – Besatzung bis auf acht Mann durch S.M.S. „Augsburg” gerettet.

Bald darauf stellte sich aber heraus, dass der tatsächliche Erfolg vor Libau ein nur recht geringer gewesen war. Wohl aber hatte das Auftreten unserer beiden Kreuzer vor dem russischen Kriegshafen schon am ersten Mobilmachungstag seine moralische Wirkung auf den Feind und die neutrale Welt nicht verfehlt. Unter dem Eindruck bald zu erwartender starker feindlicher Gegenwehr waren die Minen leider zu früh, und dazu auch noch in navigatorisch nicht genau festgelegten Sperren, gefallen. Hierdurch entstanden unserer weiteren Kriegführung in diesen Gewässern in der Zukunft bedauerlicherweise nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Bei der gewählten hohen Gefechtsentfernung bei der Beschießung war die Wirkung der 10,5-cm Granaten auch nur eine verhältnismäßig geringe geblieben.

Tatsächlich war „Libau schon in den Tagen vorher von sämtlichen russischen Seestreitkräften geräumt worden. Die Russen hatten diesen Kriegshafen als zu gefährdet von deutschen Angriffen erkannt und aufgegeben. Sämtliche Vorräte an Kohlen und flüssigem Brennstoff, sowie die Werftanlagen und Munitionsdepots waren von ihnen selbst beim Verlassen in Brand gesteckt.

Die von diesen Bränden herrührenden Rauchschwaden wurden auf unsern Kreuzern für die Qualmwolken Dampf aufmachender Kriegsfahrzeuge gehalten. Die an Land aufleuchtenden Flammen hielt man für die Mündungsfeuer starker Küstenbatterien. Die auslaufenden Torpedoboote, deren Masten und Schornsteine, die Ausguckposten als zu Torpedobooten gehörig sicher erkannt zu haben, geglaubt hatten, stammten in Wirklichkeit von Handelsdampfern her, die die Russen in den Einfahrten zu deren Sperrung versenkt hatten.

Solche Irrtümer sind, besonders bei den ersten kriegerischen Handlungen sehr wohl erklärlich. Sie sind an Land gleich wie auf See häufig vorgekommen, was jeder Frontsoldat bezeugen kann. Es bleibt nur zu bedauern, dass hierdurch der tatsächliche militärische Erfolg unserer ersten Unternehmung in der Ostsee nur gering blieb.

Ein gewisser Teil der gestellten Aufgaben war aber doch erfüllt. Die gehegte Erwartung, durch unseren ersten Vorstoß, die Russen von einem offensiven Vorgehen gegen unsere Küste abzuschrecken, war wenigstens für die nächste Folgezeit erreicht. Der Chef unseres Admiralstabes, Admiral D. Pohl, hatte noch wenige Tage vor Kriegsausbruch als zunächst zu erstrebendes Ziel in der Ostsee nicht die Vernichtung der russischen Flotte in einer Freiwasserschlacht, sondern zunächst nur ihre Zurückhaltung in ihren Stützpunkten als Hauptaufgabe bezeichnet.

Krieg in der Ostsee

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