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1 Kulturelle Befangenheit im Feminismus

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Die globale Expansion Europas beruhte auf der Annahme kultureller Überlegenheit, die in der aufklärerischen Mentalität einer dualistischen oder binären Denkweise wurzelte. Vernunft, Geist, Zivilisation, Bildung und Industrie, die als männliche Tugenden wahrgenommen wurden und mit dem Christentum verbunden waren, standen im Gegensatz zu Gefühl und Körper, die als weibliche Domänen angesehen und mit Barbarei, Unwissenheit, Untätigkeit und Heidentum verknüpft wurden. Somit trugen Weiße Männer, die einzigen auf der dominanten Seite der Gleichung, die »Last«, die Welt zu retten.

Obwohl der Feminismus den Dualismus von Körper und Geist, Vernunft und Gefühl infrage stellte, übernahm er unbewusst zum großen Teil die binäre Denkweise. Die Überlegenheit liberaler Werte blieb unbestritten. Schließlich untermauerten die Werte der Toleranz und Gleichheit die angestrebten Ziele des Feminismus.

Leti Volpp kritisiert die Frage der politischen Theoretikerin Susan Moller Okin, in Bezug auf kulturelle »Minderheiten« in den USA wie folgt: »Ist Multikulturalismus schlecht für Frauen?«, und insbesondere, »Was ist zu tun, wenn Ansprüche von Minderheitenkulturen oder -religionen der Norm der Gleichstellung der Geschlechter widersprechen, die von liberalen Staaten zumindest formell unterstützt wird?«5 Die Frage verrät, wie beiläufig die Normhaftigkeit europäischer/nordamerikanischer Werte vorausgesetzt wird: »ein allgemeines Versagen, das Verhalten von Weißen als kulturell zu betrachten, während dem Verhalten von Minderheitengruppen stets das Etikett der Kultur zugeschrieben wird«.6

Dies hat zur Folge, dass durch eine komplexe Verflechtung von Unterordnungsmustern der Fokus von anderen wesentlichen Themen, wie Armut und Ungleichheit, die ein Erbe des Kolonialismus sind und heute noch endemische Bestandteile der Gesellschaft bilden, abgelenkt wird: Zum Beispiel verlässt sich eine Weiße Frau, die gegen die sogenannte Gläserne Decke, die sie daran hindert, Gleichstellung am Arbeitsplatz zu erreichen, kämpft, »bei häuslicher Arbeit und Kinderbetreuung auf Einwanderinnen of Color«.7

Die Rolle des »Retters der Welt« vom Weißen Mann wird somit auf die Weiße Frau übertragen, deren liberalen Werte zu einem Banner der Freiheit für Frauen, die aus ihrer eigenen Kultur gerettet werden müssen, werden. 1971 stellte Toni Morrison diese heuchlerische Position in der New York Times bloß: »Was empfinden Schwarze Frauen bezüglich der Frauenrechtsbewegung? Misstrauen. […] Sie wollen nicht wieder benutzt werden, um jemandem zu helfen, Macht zu erlangen – eine Macht, die sorgfältig aus ihrer Reichweite gehalten wird.«8 Wie Kwok Pui-Lan schreibt, beschränkt sich das Thema nicht nur auf eine geschichtliche Dimension: »Die herablassende Haltung gegenüber Frauen aus anderen Teilen der Welt und der missionarische Impuls, sie zu retten, bleibt tief in den Köpfen der westlichen Frauen verankert.«9

Das bedeutet wiederum, dass der Feminismus oft auf Misstrauen stößt und als Hilfsmittel des modernen Kolonialismus angesehen wird. Feministische Kritik an repressiven kulturellen Praktiken wird mit Widerstand begegnet, weil sie versucht, unkritisch ihre Werte, die auf dem oben dargelegten Kontext Weißer Frauen beruht, durchzusetzen. Da die Bezeichnung »Feministin« die Macht der Frauen, in ihren eigenen Kontexten für sich selbst zu sprechen, beeinträchtigt, sind Frauenbewegungen im größeren globalen Kontext vorsichtig mit diesem Begriff umgegangen.

Die Stimmen im Gespräch mit Feminismus sind daher komplex und mannigfaltig. Sie stellen die Methoden, Grundannahmen und Werte infrage, die den Kontext für die Weiße Frauenbewegung bilden. Obwohl sich die Diskussion seit den 1970er Jahren beschleunigt hat, reichen die Wurzeln globaler Perspektiven viel weiter in die Geschichte zurück. Ferner scheint es vereinfachend, sie als Reaktionen oder Antworten auf Feminismus oder auf feministische Theologie zu bezeichnen, die in diesem Zusammenhang berechtigterweise als Neuankömmlinge betrachtet werden können.

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