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Schlussfolgerung

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Wie wir gesehen haben, gab es nach dem Ersten Weltkrieg widersprüchliche Antworten auf die Frage, was als deutsch und wer als Deutscher angesehen werden sollte. Konservative und Rechtsradikale benutzten den deutschen Nationalismus für ihre beständigen Attacken auf die Republik und behaupteten, die Demokratie sei Deutschland fremd und nur durch den Verrat von Republikanern, Marxisten und Juden während des Ersten Weltkriegs entstanden. Unter Rückgriff auf sozialdarwinistisches Gedankengut diskreditierte die politische Rechte die Republik weiter, indem sie die neue Regierung für die Schwächung von Deutschlands Grenzen verantwortlich machte, was die Stellung Deutschlands ausgehöhlt und „rassisch Anderen“ die Möglichkeit eröffnet habe, die Nation zu unterwandern und von innen zu zersetzen. Die Republikgegner forderten dementsprechend, Menschen „fremden Blutes“ oder mit marxistischen Ansichten von der Volksgemeinschaft auszuschließen.

Die Republikaner bestritten diese Behauptungen vehement. Sie vertraten ein großdeutsches Konzept und zeigten damit, dass demokratische Ideale genuin mit dem deutschen Nationalismus verknüpft waren. Diese demokratischen Prinzipien lagen ihren Plänen für eine Neugestaltung der Grenzen Deutschlands zugrunde. Zwar befürworteten sie eine Grenzrevision, doch sollte diese friedliche internationale Beziehungen befördern und das nationale Selbstbestimmungsrecht anderer Völker in Europa anerkennen. Auch wenn sie der Auffassung waren, dass es eine deutsche Nation über die Staatsgrenzen hinaus gebe (was über eine rein staatsbürgerliche Interpretation von nationaler Zugehörigkeit hinausgeht), entwickelten die Republikaner ein eher inklusives Verständnis von Deutschtum. Wohl zeigt der Rassismus mancher Republikaner gegen Schwarze Menschen, dass diese Inklusivität ihre Grenzen hatte. Anders als die politische Rechte setzten sich die Befürworter der Demokratie aber insbesondere dafür ein, dass auch Juden, fremdsprachige Einwanderer und Sozialisten „Volksgenossen“ seien. Nicht alle ethnisch motivierten oder expansionistischen Aussagen gingen also von völkischen und „Blut und Boden“-Idealen aus.

Die heftige Debatte über nationale Werte macht deutlich, dass es während der Weimarer Ära unterschiedliche Spielarten des deutschen Nationalismus gab. Obwohl die Mitglieder von SPD, DDP und Zentrum die politische Rechte zu keinem Zeitpunkt von ihrer Loyalität der Nation gegenüber überzeugen konnten, sollte man den republikanischen Nationalismus nicht einfach als Misserfolg abtun. Sein Scheitern lag genau darin begründet, dass das republikanische Verständnis von Nationalismus und nationaler Zugehörigkeit den nationalen Prinzipien und Zielen der Konservativen und Rechtsradikalen diametral entgegengesetzt war. Republikaner hatten genuin nationale Gefühle, die bei einer großen Anzahl von Menschen enthusiastische Reaktionen hervorriefen. Diese emotionale Reaktion auf den republikanischen Nationalismus zeigt, dass die Weimarer Republik keineswegs eine „Republik ohne Republikaner“ war. Die Begeisterung für den republikanischen Nationalismus ging nur aufgrund einer Reihe von situationsbedingten Faktoren Anfang der 1930er zurück, so zum Beispiel durch die vielfältigen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise und das 1931 vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag ausgesprochene Verbot einer Zollunion zwischen Deutschland und Österreich, die ein erster Schritt in Richtung eines Anschlusses hätte sein können.92 Der Triumph der nationalsozialistischen Vorstellungen über Nationalismus und Politik war also keineswegs unvermeidlich.

Aus dem Amerikanischen übersetzt von Christine Brocks

Aufbruch und Abgründe

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