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5. Paulus

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Paulus schließt sich an den Sprachgebrauch seiner Zeit und an den der jüdischen, durch die LXX vermittelten, und frühen christlichen Tradition an. Jedoch erhält das Lexem Glaube in allen Briefen des Paulus eine grundlegende zentrale Bedeutung, da die Inhalte des sich ausbildenden christlichen Denkens nicht ohne dieses Lexem angesprochen werden. Die Inhalte des Glaubens und des Evangeliums entsprechen sich. Glaube wird zur »umfassenden Bestimmung des Christseins« (Söding 1995: 671), zu einer »den ganzen Menschen erfassenden Lebensform« (Hahn 2011: 462). Überdies bezieht sich Glauben nicht mehr vornehmlich, wie in den πίστις-Formeln, auf einen Glaubensgegenstand, sondern umgreift Christsein in unterschiedlichen Beziehungen und Dimensionen. Paulus hat, wie Bultmann feststellt, »[…] den Begriff der πίστις in den Mittelpunkt der Theologie gestellt […]« (Bultmann 1959: 218). ›Euer Glaube‹ wird daher geradezu eine Bezeichnung der neuen Ausrichtung in den Gemeinden (Röm 1,8; 1Kor 2,5; 15,14; 2 Kor 10,15; 1Thess 1,8 u.a.), die Christen sind ›Glaubende‹ (1Kor 1,21; Gal 3,22; 1Thess 1,7) oder ›Christusglaubende‹ (Gal 2,16) und der Glaube ist das, |46|was die Identität der Christen ausmacht und sie zusammenschließt, ganz gleich ob sie einen jüdischen oder einen paganen Hintergrund haben. Glaube wird zur Signatur der Selbstdefinition (Lührmann 1992: 752). Im frühesten Brief des Paulus, dem 1. Thessalonicherbrief, wird Glaube durchgehend ohne nähere Ausführung oder Abgrenzung zu der Signatur der Christen (1Thess 1,3.7.8; 2,10.13; 3,2.5.6.7.10). Der Glaube ist in späteren Briefen zugleich wie ein Fluidum, in dem die Christen leben (Röm 1,17), sich bewegen (2 Kor 5,7) und wachsen (2 Kor 10,15), standfest (1Kor 15,58), schwach oder stark im Glauben sein können (Röm 14,1) oder aber wie eine Größe, auf die sie vielfältig zugeordnet sind, was die vielen, auf πίστις (»Glaube«) bezogenen präpositionalen Verbindungen und die Genitivverbindungen anzeigen. Überraschenderweise fehlt πιστεύω (1. Person Sing.) (zum Ganzen von Dobbeler 1987).

Es ist unangemessen, diesen Glauben auf einen freien Entschluss oder auf eine Entscheidung des Menschen zu reduzieren. Paulus legt Wert darauf, dass der Glaube eine Gabe Gottes ist und dass diese Gabe der Entscheidung des Einzelnen vorausgeht (Röm 4,16; Phil 1,29). Auch kann der Glaube als Wirkung des Geistes angesprochen werden (Gal 5,22; 1Kor 12,9). Der Glaube ist bezogen auf die Verkündigung des Evangeliums und er ist daher ganz wesentlich ein auf Sprache, auf Reden und Hören bezogenes Geschehen (Röm 10,17; 1Kor 1,21) (Hofius 1990). Die Inhalte des Glaubens und die Inhalte des Evangeliums entsprechen sich. Es steht Jesus Christus im Mittelpunkt, was in dem Ausdruck ›Christusglaube‹ (Röm 3,22.26; Gal 2,16.20; 3,22; Phil 3,9) ebenso zum Ausdruck kommt wie in verbalen Formulierungen, in denen Jesus Christus das Objekt ist (Röm 9,33; 10,11.14; Gal 2,16; Phil 1,29). Demgegenüber treten solche Aussagen, in denen Gott das Objekt des Glaubens ist, deutlich zurück (Röm 4,5.17.24; 1Thess 1,8). Allerdings sind Christusglaube und Gottesglaube bei Paulus in der Gestalt verknüpft, dass es ja um den Glauben an den Gott geht, der Jesus von den Toten auferweckt hat (Röm 4,24). Nach Schumacher ist »die entscheidende Voraussetzung für die weitere sprachliche Entwicklung des Wortes πίστις darin zu sehen, dass Paulus diesen Begriff zur Beschreibung der wechselseitigen Christusbeziehung verwendet und ihn damit in einen neuen Bezugsrahmen einführt« (Schumacher 2012: 473).

Paulus hat als Verfolger derjenigen Mitglieder der jüdischen Synagoge, die Jesus als den Christus bekannten, die ersten Umrisse der neuen Richtung innerhalb des Judentums kennengelernt. Im Rückblick hält er in Gal 1,23 eine umlaufende Bewertung fest:

|47|Der uns früher verfolgte, der predigt jetzt den Glauben, den er früher zu zerstören suchte (Gal 1,23).

Die Berufung zum Heidenapostel spricht Paulus rückblickend als Beauftragung zur Aufrichtung des Glaubens unter den Heiden an (Röm 1,5; 16,26; vgl. auch Gal 2,7). Glaube ist ab jetzt wesenhaft auf das Wort und auf die Verkündigung bezogen (Röm 10,17; 1Kor 15,14). Einen prägenden Einfluss auf die sich ausbildende Theologie des Paulus hatten dann diejenigen christlichen Gemeinden, in denen Paulus lebte, bevor er als Missionar und Briefschreiber bekannt wurde: Damaskus, Jerusalem, Caesarea, Tarsus, vor allem aber Antiochia. Der Glaube, von dem Paulus ab jetzt sprechen wird, ist mit Jesus Christus so eng verknüpft, dass einerseits die vorhergehende Zeit geradezu als Zeit vor dem Glauben angesprochen wird (Gal 3,23.25), andererseits aber ein Glaube, der sich nicht auf den auferweckten Christus bezieht, als wertlos oder nichtig deklariert wird (1Kor 15,17). Sogar die Rede vom Glauben an Gott (neben etlichen trad. Verweisen in Röm 4 nur noch in 1Thess 1,8) tritt bei Paulus in den Hintergrund gegenüber dem Christusglauben. Dieser allerdings bestimmt bis auf Phlm 5 (κύριος/»Herr«) und Gal 2,20 (υἱός θεοῦ/»Sohn Gottes«) nahezu durchgehend in Formulierungen von πιστεύειν (»glauben«) bzw. πίστις (»Glaube«) mit Χριστός (»Christus«) die Diktion.

In welchem Verhältnis steht der Christusglaube zum jüdischen Glauben an Gott? Es ist auffällig, dass Paulus die Rede über den Glauben im 1. Thessalonicherbrief noch in keiner Weise abgrenzt von einer jüdischen Glaubenshaltung, die auf Gesetz, Gerechtigkeit, Schöpfung und endzeitliche Vergeltung bezogen ist. Auch werden noch Ausführungen dazu vermisst, wie sich christlicher Glaube zu den sog. Identitätsmerkmalen jüdischen Glaubens wie Sabbat, Beschneidung, Reinheits- und Speisegebote verhält. Zunehmende Auseinandersetzungen mit judenchristlichen Missionaren, jüdischen Gegnern, aber auch die Verarbeitung der eigenen Lebensgeschichte führen bald dazu, die Gestalt des christlichen Glaubens in teilweise polemischen Abgrenzungen zu beschreiben, um ihn als Christusglaube zu bewahren.

Michael Wolter beschreibt das paulinische Glaubensverständnis ganz im Gegensatz zu einem doxastischen Fürwahrhalten als Wirklichkeitsgewissheit: »Demgegenüber besteht die Eigenart des Glaubens nach paulinischem Verständnis darin, dass er bestimmte Sachverhalte als wirklich gegeben ansieht, weil sie – und allererst diese Begründung macht seine Wirklichkeitsannahme zu einer Glaubensgewissheit – mit der Wirklichkeit Gottes übereinstimmen. Aus diesem Grunde |48|bezeichnen wir den Glauben als eine Wirklichkeitsgewissheit.« (Wolter 2011: 86).

Um die wesentlichen Strukturelemente der paulinischen Glaubensvorstellung nachzuzeichnen, beschränke ich mich auf vier Gedankenkreise, in denen Paulus Glaube profiliert hat.

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