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|26|Seide

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Die Römer waren der Auffassung, im fernen Land Serica – und nur dort – würde Seide auf in Europa unbekannten Büschen wachsen. Erst im 6. Jahrhundert n. Chr. gelangte genaueres Wissen über die Seidenherstellung nach Europa. Doch die Kenntnis der Seidenproduktion und die Seidenweberei ist in China viel älter.

In China wird ein uralter Mythos erzählt: Der Gott Seidenwurm (Can Cong) hätte im Gebiet der heutigen chinesischen Provinz Sichuan nicht nur Seide hergestellt, sondern das Volk auch über die Seidenraupen, deren Nahrung aus Maulbeerbaumblättern und die Gewinnung von Seide durch das Kochen und Aufspulen der Kokons und das Weben von Seidenstoffen unterrichtet. Seine Botschaft habe der Gott dadurch unterstrichen, dass er tausend (= Vollkommenheitszahl) goldene Seidenraupen geschaffen habe, aus denen goldene Seide gewonnen werden konnte – ein Ziel, dem die menschlichen Seidenraupenzüchter bis auf den heutigen Tag nachstreben. Es gibt im Mythos auch eine weibliche Gottheit, die »Dritte Tante« (San Ku), die über die Seidenraupenzucht wacht und die Menschen dabei unterstützt. Der Gott des Ackerbaus, Shennong, habe die Menschen zudem die Pflege des Maulbeerbaumes gelehrt. Die Seide ist im Mythos also ein göttliches Geschenk.

Mythos hin oder her, die Legenden über die Seide kommen der historischen Wahrheit schon näher und verbinden ihre Entstehung mit den Kaisern der Anfangszeit: Der legendäre Urkaiser Fu Xi, der Urahn des chinesischen Volkes, der etwa um 3000 v. Chr. regiert haben soll, habe als erster die Nutzung der Seidenraupenzucht zur Gewinnung von kostbarstem Stoff erkannt. Eine andere Legende bezieht sich auf den ebenfalls zur Gruppe der fünf chinesischen Urkaiser gehörenden Huang Di (Gelber Kaiser), der etwa um 2600 v. Chr. herrschte. Seine Frau Si Ling (auch Lei Zu – die Donnerahnin) flüchtete vor einer Schlange auf einen Maulbeerbaum und beobachtete dabei, wie sich eine Raupe einen Kokon aus einem wundersam feinen Faden spann. Aus solch einem Faden wollte sie kaiserliches Gewand gesponnen haben und begann deshalb mit der Zucht der Seidenraupen. Beim traditionellen Frühjahrsopfer wurden deshalb auch Maulbeerbaumblätter geopfert.

|27|Archäologisch ist Seide in Gräbern der Yangshao-Kultur (5.–3. Jahrtausend) nachgewiesen. Das älteste Seidengewebe stammt aus der Zeit um 2800 v. Chr. und war ebenfalls eine Grabbeigabe. In der ersten Blütezeit chinesischer Kultur, der Han-Dynastie um die Zeitenwende, war die Seidenproduktion in China voll entwickelt. Seide und Seidenprodukte wurden auch exportiert – über die Seidenstraße bis nach Rom, wo sie ein extrem teures Luxusgut waren.

Die Herstellung von Seide blieb bis ins 6. nachchristliche Jahrhundert ein chinesisches »Betriebsgeheimnis«. Erst dann schmuggelte zuerst eine chinesicher Prinzessin, dann zwei byzantinische Mönche Seidenraupeneier und Maulbeerbaumsamen nach Westen. Die Seidenproduktion entstand außerhalb Chinas zuerst im Ferghanatal (heute Usbekistan) und dann in Bursa im asiatischen Teil des Oströmischen Reiches. Später wurde Seide auch in Sizilien und Kalabrien produziert, der Handel mit nicht mehr nur chinesischer Seide umspannte ganz Europa.

Auch heute ist die Seidenraupenzucht und die Herstellung von Seidenprodukten ein wichtiger Industriezweig in China, der hauptsächlich im Gebiet westlich von Shanghai zu finden ist.


Seidenraupen und Maulbeerbaumblätter, Suzhou, China


Kokons der Seidenraupe, Suzhou, China


Seidenwebstuhl, Ferghanatal, Usbekistan

Die Welt der Seidenstraße

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