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Einleitung

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[11] An wen richtet sich dieses Buch?

Dieses Buch präsentiert eine Methodik für die Arbeit in stationären Settings der Kinder- und Jugendhilfe. Es richtet sich dementsprechend an Fachpersonen, die – mit ganz unterschiedlichen Aufgaben und Rollen – in diesem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind. Dieses Manual dient als Leitfaden für die praktische Arbeit und als Begleittext für Trainings, Coachings und Weiterbildungen. Es ist zudem gedacht für Dozierende und Studierende der Sozialen Arbeit und anderer Disziplinen auf der Bachelor- und Masterstufe, die mit diesen Inhalten befasst sind resp. sich für die Arbeit in stationären Settings qualifizieren wollen.

Handbuch für die Praxis

Ein Manual ist kein Lehrbuch, das in erster Linie theoretische Ansätze vermitteln will. Die für die Kompetenzorientierung bedeutsamen Referenztheorien werden eingeführt und eingeordnet, können aber im Rahmen eines auf die praktische Anwendung ausgerichteten Manuals nicht vertieft dargestellt werden (siehe dazu Cassée, 2018, sowie die dort aufgeführten Originalquellen). Der Text richtet sich an ausgebildete und teilweise erfahrene Fachpersonen resp. an Personen in Ausbildung, die bereits über hinreichendes Fachwissen verfügen resp. Wissenslücken selbständig füllen können.

Im Text sind jeweils mit der Bezeichnung «Aus der Praxis» Beispiele aufgeführt, die das Gesagte illustrieren. Unter der Bezeichnung «Für die Praxis» werden bedeutsame Inhalte kurz zusammengefasst, oder es wird darauf hingewiesen, wie theoretische Aussagen sowie daraus abgeleitete Instrumente/Methoden/ Verfahren für die Praxis genutzt werden können.

Begriffsklärungen

Stationäre Settings

• Unter der Bezeichnung «stationäre Settings» werden eine Vielzahl von Angeboten zusammengefasst, in denen Kinder und Jugendliche wesentliche Teile des Alltags außerhalb ihrer Herkunftsfamilie verbringen. Auch Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche befristet zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil aufgenommen werden (Elternstationen, Mutter-Kind-Einrichtungen, Familien-Einheiten) gehören dazu. Kurz-, mittel- oder langfristig übernehmen diese Angebote zentrale Aufgaben der Herkunftsfamilie – der Lebensmittelpunkt der Kinder- und Jugendliche (und deren Eltern) befindet sich außerhalb des regulären Lebensorts der Familie. Es handelt sich neben den oben erwähnten Angeboten z. B. um Kinder-, Schul- und Jugendheime, Wocheninternate, unterschiedlich intensiv betreute Wohngruppen, psychiatrische Kinder- und Jugendstationen, Kriseninterventions- oder Beobachtungsstationen. Auch professionelle Pflegefamilien (resp. Familiengruppen) verstehen wir als stationäres Setting, das sehr von der KOSS-Methodik profitieren kann (siehe Hess & Cassée, 2013). Wir verwenden in diesem Manual den Oberbegriff «stationäre Settings» und meinen damit Angebote professioneller Leistungserbringer, die für Kinder und Jugendliche (und deren Eltern) Lebensraum auf Zeit zur Verfügung stellen in Form von Wohngruppen oder von unterschiedlich intensiv betreutem Einzelwohnen. [12] Nicht dazu zählen Tagesgruppen und Tageskliniken – die Grundlagen der Methodik lassen sich aber mit kleinen Anpassungen auf solche Hilfeformen übertragen.

• Für die kompetenzorientierte Arbeit in nicht-professionellen Pflegefamilien, die von einem Netz von Fachpersonen unterstützt werden, wurde in Kooperation mit einem Leistungserbringer die Methodikvariante KOPP (Kompetenzorientierte Platzierung in Pflegefamilien) entwickelt, die ab 2018 von weiteren Fachstellen implementiert werden kann.

• Stationäre Settings können mit einigen Strukturmerkmalen differenzierter beschrieben werden: Klientenproblematik, Größe der Lebensgruppen, Alters- und Geschlechterzusammensetzung, Dauer des Aufenthalts, Größe und disziplinäre Zusammensetzung der Betreuungsteams, Intensität der Betreuung, Grad an Geschlossenheit, interne Schul- und Berufsbildungsmöglichkeiten, geographische Lage und Erreichbarkeit u. a. m. Für die differenzierte Beschreibung dieser Angebote sind strukturierte Leistungs- oder Modulbeschreibungen hilfreich, wie wir sie seit 2005 entwickelt haben. Beispiele und Anregungen für die Beschreibung von Angebotsmodulen können unter info@kompetenzhoch3.ch angefragt werden.

• Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in einem stationären Setting kann aus ganz unterschiedlichen Gründen erfolgen. Auf der einen Seite können Belastungen der Eltern resp. in den Lebensbedingungen, auf der anderen Seite Entwicklungsbeeinträchtigungen resp. Verhaltensauffälligkeiten der Kinder/Jugendlichen eine Platzierung nötig machen. Häufig ist aber eine Platzierung aus der Wechselwirkung zwischen familiär-kontextuellen und kindbezogenen Faktoren indiziert. Aktuell erfolgt die Platzierung noch auf sehr unterschiedlichen Grundlagen der Indikationsstellung. KOSS stellt Grundlagen und Instrumente für die Begründung einer Platzierung zur Verfügung, die aktuell von 20 KOSS-Organisationen in der deutschsprachigen Schweiz verwendet werden. Aus fachlicher Sicht wäre die Indikationsstellung für eine stationäre Unterbringung durch platzierende Fachstellen und Behörden im Rahmen eines standardisierten Abklärungsverfahren wünschenswert, wie es z. B. für das Sonderpädagogik-Konkordat der Schweiz vorliegt (Hollenweger & Lienhard, 2007 und 2009, EDK, Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2014).

Kinder – Kinder und Jugendliche

• Wir sprechen in diesem Manual aus Gründen der Lesbarkeit in der Regel von Kindern und meinen damit Kinder und Jugendliche unterschiedlichen Alters. Wenn es für die inhaltliche Aussage bedeutsam ist, sprechen wir nur von Kindern (Alter 0 bis 12 Jahre) oder nur von Jugendlichen (Alter ab 13 Jahren).

Die KOSS – KOSS und KOFA

• KOSS bedeutet «kompetenzorientierte Arbeit in stationären Settings» – demnach heißt es abgekürzt «die KOSS». Wir brauchen die Abkürzung auch häufig in Zusammensetzungen, wie z. B. KOSS-Methodik, KOSS-Organisation, KOSS-Instrumente etc.

• Aus der Logik einer Methodik ergeben sich – neben einigen Unterschieden – viele Gemeinsamkeiten von KOSS und KOFA (Kompetenz- und risikoorientierte Arbeit mit Familien). Gewisse Teile dieses Manuals sind deshalb ähnlich aufgebaut wie das KOFA-Manual (Cassée, 2019).

Soziale Arbeit/Sozialarbeit/Sozialpädagogik

• [13] Die Arbeit in stationären Settings wird von unterschiedlichen Berufsgruppen mit unterschiedlichen Qualifikationen geleistet. Damit der Text leichter lesbar ist, verwenden wir mehrheitlich den Begriff Sozialpädagogik/Sozialpädagoge und Sozialpädagogin. Dort, wo es aus inhaltlichen Gründen sinnvoll erscheint, benutzen wir auch den Begriff Soziale Arbeit als Bezeichnung für die Profession.

Aufbau des Manuals

Das Manual enthält drei Hauptteile mit unterschiedlichen Schwerpunkten:

• Im Teil «Grundlagen» wird dargestellt, was eine Methodik ist, und welche theoretischen Grundlagen in der KOSS-Methodik integriert sind. Entwicklungstheoretische Konzepte werden eingeführt und an Beispielen konkretisiert. Auf die Konzepte Bindung und Trauma werden, die in der Biographie vieler platzierter Kinder eine bedeutsame Rolle spielen, wird in diesem Manual ausführlich eingegangen. Für KOSS steht das strukturierte Lernen im Alltag einer Lebensgruppe im Zentrum – auf wichtige Lerntheorien und auf das Thema «Gruppe als Lernort» wird entsprechend ausführlicher eingegangen. Zentrale handlungstheoretische Grundlagen werden unter den Oberbegriffen Beobachtung und Kommunikation erläutert und mit Beispielen illustriert.

• Der Teil «Prozessgestaltung» befasst sich mit den drei Phasen und den drei Lernebenen in KOSS. Nach der Einführung der einzelnen Lernebenen werden die Schritte und Verfahren für die Diagnostikphase (Kap. 7) erläutert und mit den entsprechenden Instrumenten illustriert. Im Kapitel «Interventionsphase» (Kap. 9) wird beschrieben, durch welche Strukturierungen, Techniken und Methoden (z. B. Feedbacksysteme) die Lern- und Veränderungsprozesse im Rahmen einer Lebensgruppe unterstützt und bindungsfördernd gestaltet werden können. Im Kapitel «Austrittsphase» (Kap. 10) geht es um die besonderen Aufgaben dieser Phase sowie um Fragen der Wirksamkeitsüberprüfung. Über alle Ebenen und Phasen hinweg wird auf eine integrale Hilfeplanung und auf ein verbindliches Fallmonitoring geachtet. Auf die kompetenzorientierte Arbeit mit Eltern(-teilen) und weiteren Personen aus der Lebenswelt der platzierten Kinder und Jugendlichen wird in dieser vierten Auflage ausführlicher eingegangen (Kap. 11).

• Im Teil «Implementierung» geht es um die Aufgaben rundum die Einführung von KOSS in Organisation der Kinder- und Jugendhilfe. Es werden zentrale Voraussetzungen für Organisationen resp. für Organisationsabteilungen formuliert, welche mit der KOSS-Methodik arbeiten wollen. Es handelt sich um Schritte im Einführungsprozess einer Methodik sowie um Anforderungen an die Leitungsebene und die Fachpersonen in der direkten Klientenarbeit. Die Möglichkeiten der KOSS-Methodik für eine effektive und effiziente Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung werden abschließend dargestellt.

Trainings/Fallbegleitungen

Die fachlichen Kompetenzen für die Arbeit mit der KOSS-Methodik können auf drei Arten erworben werden:

• im Rahmen von In-house-Trainings in Praxisorganisationen, welche die KOSS-Methodik implementieren wollen, resp. implementiert haben;

• als Basistrainings, die in Zürich regelmäßig für neue Mitarbeitende angeboten werden;

• als Ergänzungstrainings für jene Mitarbeitenden, die bereits das Basistraining für eine andere Methodik als KOSS absolviert haben.

•[14] Für jene Fachpersonen, die bereits ein KOSS-Training absolviert haben, und die ihre berufliche Qualifikation für andere Aufgaben/spezielle Themenerweitern wollen, gibt es weitere Angebote:

• KOSS-Coaches für die spezifische Befähigung von Teamleitungen sowie das Training von KOSS zu KOFA (Ergänzungstraining für die aufsuchende Arbeit mit Familien).

• Vertiefungstrainings zu ausgewählten Themen, wie z. B. Bindung, Trauma, Berichte Schreiben, Fallverstehen.

• Regelmäßige Fallcoachings sowie Falldiskurse in den Einrichtungen und im Institut leisten einen wertvollen Beitrag zur Professionalisierung der Mitarbeitenden und zur Qualitätsentwicklung in den KOSS-Organisationen.

In allen Trainings- und Coachingvarianten legen wir Wert auf aktiv gestaltete Lernsettings, in denen die Teilnehmenden die kompetenzorientierten Haltungen im gelingenden Tun direkt erfahren können.

Aktuelle Informationen zu den laufenden und geplanten Trainings, zu Falldiskursen sowie zu Intervisionsund Arbeitsgruppen finden sich auf der Homepage (www.kompetenzhoch3.ch).

Werkzeugkoffer

Seit 2018 steht ein Werkzeugkoffer zur Verfügung mit einer Fülle didaktischer Materialien. Diese Materialien erlauben die aktivierende Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern und unterstützen das Fallverstehen (Cassée, 2017). In den Trainings und Coachings wird die Arbeit mit diesen Materialien geübt. Neu können Fachpersonen aus stationären Einrichtungen, in denen KOSS nicht implementiert wurde, an einem Einführungstraining zu den didaktischen Materialien teilnehmen. Diese Trainings sind gute Einführung in die Methodik und schärfen die didaktischen Vorgehensweisen mit Übungen.

Zugang zu Instrumenten und didaktischen Materialien

Die Kompetenzorientierung kennt eine Reihe von Standardinstrumenten, die für die Arbeit in den jeweiligen Angeboten und in verschiedenen Methodiken direkt oder in leicht angepasster Form eingesetzt werden können. Die Standardinstrumente werden in Cassée (2019) fachlich eingehender erläutert und in diesem Manual auf die Arbeit mit der KOSS-Methodik zugeschnitten.

Die Arbeit mit der KOSS-Methodik ist anspruchsvoll und wird in den verschiedenen Trainingsvarianten vermittelt. Die Praxisorganisationen tragen bei zur fachlichen Weiterentwicklung der Methodik, zu den erfahrungsbasierten Anpassungen in den Instrumenten und zur Qualitätssicherung. Die Instrumente sind aus diesem Grunde geschützt. Fachpersonen mit einem KOSS-Zertifikat und Praxisorganisationen mit einer Kooperationsvereinbarung mit dem Institut kompetenzhoch3 erhalten Zugang zu den geschützten Downloads. In begründeten Fällen wird der Zugang zu den Instrumenten weiteren Fachpersonen ermöglicht – interessierte Kolleginnen und Kollegen können sich unter info@kompetenzhoch3.ch melden.

KOSS-Manual

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