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1.5Der Mufti wird Präsident des Arab Higher Committee

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Am 1. Mai 1921 brachen erneut Unruhen in Palästina aus. Die Araber wollte angeblich ihre Entrüstung darüber zum Ausdruck bringen, daß ein Jude zum Hochkommissar ernannt wurde.32 Denn, obwohl Sir Herbert Samuel durchaus Frieden mit den Arabern schließen wollte, war er immerhin der erste Jude, der seit 2000 Jahren die Politik im Land bestimmen durfte. Während dieser neuen Revolte, die sich von Jaffa aus auf das ganze Land ausbreitete und bis zum 7. Mai andauerte, kamen 47 Juden und 48 Araber ums Leben. Die von den Briten eingesetzte Haycraft-Kommission kam im Oktober 1921 zwar zu dem Ergebnis, daß ausschließlich die Araber die Aggressoren waren, sah aber hauptsächlich politische und wirtschaftliche Gründe im Zusammenhang mit der jüdischen Einwanderung als Auslöser der Gewalt.33 Die Folge war eine weitere Einschränkung der jüdischen Einwanderung durch London und die Erkenntnis der Araber, daß sie ihre Ziele durchaus mit Krawallen und Terrorismus verwirklichen können. Im September 1922 wurde das Land frühzeitig in Erfüllung der Mandatsforderungen in Palästina und Transjordanien geteilt, und es war den Juden nicht mehr erlaubt, sich östlich des Jordans niederzulassen. Abdallah, Sohn des Sherifen Husseini von Mekka, wurde als Emir von Transjordanien anerkannt.

Nach der Revolte von 1921 herrschte eine gewisse Ruhe in Palästina. Wie bereits erwähnt, war el-Husseini darum bemüht, seine eigene Stellung zu festigen, so daß ihm jeglicher öffentlicher Aufruhr ungelegen gekommen wäre. Es war daher gewiß in seinem Sinne, daß die palästinensischen Führer zu dieser Zeit durch die Ereignisse in Ägypten, im Irak und in Syrien abgelenkt wurden und eine Politik des Abwartens verfolgten. Ferner machte sich nach 1925 eine fühlbare Entspannung der politischen Lage im Land durch die wirtschaftliche Depression bemerkbar. Zu dieser Zeit galt Palästina nicht mehr unbedingt als attraktives Einwanderungsland für die Juden, und es schien, als ob die Histadrut mit ihrer Politik der „awoda iwrit“, wonach nur jüdische Kräfte in jüdischen Betrieben eingestellt wurden, wenig daran ändern würde.34 Der Zionismus stellte schlechthin keine Bedrohung mehr für die Araber dar.

Als jedoch der wirtschaftliche Aufschwung wieder einsetzte und die Einwanderungszahlen erneut stiegen, änderte sich die arabische Politik schlagartig. Ein Vorfall an der Klagemauer wurde vom Moslemischen Oberrat unter el-Husseini derartig aufgebauscht, daß es 1929 zu heftigen Ausschreitungen kam, die ihren Höhepunkt in der Ermordung von mehr als 130 Juden in Hebron erreichten.35 Aus diesen Unruhen ging der Mufti von Jerusalem als wichtigster palästinensischer Führer hervor. Geschwächt wurde die kompromißbereite Arabische Exekutive,36 die von nun an zunehmend zu einer Kooperation mit den Nashashibis neigte.

Das unmittelbare Ergebnis der Unruhen von 1929 bestand darin, daß el-Husseini jetzt den Briten gegenüber bestimmter auftreten konnte und seine Bemühungen um die Panarabisierung des Palästinaproblems nicht mehr verbarg. Allerdings ließ er immer noch eine gewisse Vorsicht walten, denn – wie Porath richtig erkennt – entstand nun eine Situation, in der beide Seiten aufeinander angewiesen waren.37 Die Briten wollten unbedingt eine Wiederholung der Unruhen vermeiden, und der Mufti wollte als Gegenleistung erreichen, daß ein geplanter Islamischer Kongreß in Jerusalem nicht verboten würde. Außerdem sollte die Regierung hinsichtlich längst fälliger Wahlen zum Moslemischen Oberrat nichts unternehmen, sondern zu einer Finanzsanierung beitragen.38 Seine radikalen Anhänger ließ der Mufti wissen, daß ein ernsthafter Zusammenstoß mit der britischen Verwaltung solange nicht im Interesse der Palästinenser wäre, bis nicht alles für die erfolgreiche Aufnahme des Kampfes vorbereitet sei.39 Dieses Argument wendete er auch gegen die massiven Angriffe der 1932 gegründeten Istiqlal (Unabhängigkeits)-Partei an, deren Ziel eine Föderation aller arabischen Länder war und die eine äußerst anti-britische Politik betrieb. Für sie galt Palästina wieder als „Südsyrien“.40

Diese Kampagne gegen die Mandatsmacht fand in der arabischen Presse sehr viel Anklang, und die starke jüdische Einwanderungswelle von 1933, an der die deutschen Juden41 immer noch mit einer verhältnismäßig geringen Anzahl vertreten waren, löste eine ungewöhnlich scharfe anti-britische Propaganda aus. In Anbetracht der öffentlichen Meinung sah sich die Arabische Exekutive nun dazu genötigt, im Oktober 1933 einen Generalstreik auszurufen, der zu Unruhen im ganzen Land führte. Nach dem Scheitern dieser Konfrontation mit der Regierung und dem damit verbundenen Verfall der Arabischen Exekutive gründeten die Nashashibis 1934 ihre eigene Nationale Verteidigungspartei, die eine Kooperation mit den Briten befürwortete und den Aktivismus der radikalen Jugendgruppen kritisierte.42 1935 gründeten die Husseinis ihrerseits die Palästinensische Arabische Partei, die u.a. die Abschaffung des Mandats forderte.43 Das Überlaufen vieler Istiqlal-Mitglieder zur Palestine Arab Party brachte ein radikales Element mit sich.

Insgesamt gab es jetzt sechs politische Parteien im Lande, die als Clanparteien nach wie vor durch Familienquerelen gekennzeichnet waren. Erst mit den Ereignissen vom April 193644 kam die Einsicht, daß eine geeinte Front unerläßlich sei. Am 25. April wurde in einer Versammlung aller arabischen Parteien ein Oberstes Arabisches Komitee, das später als Arab Higher Committee (AHC) bezeichnet wurde, ohne Rücksprache mit der Regierung gegründet.45 El-Husseini wurde zu dessen Präsidenten ernannt. Dank dieser Funktion konnte er seine Macht konsolidieren, und mit äußerster Härte verstand er es auch in absentia, seine palästinensischen Gegner während der nationalistischen Unruhen zwischen 1936 und 1939 auszuschalten. Den Machtkampf zwischen den Husseinis und den Nashashibis konnte er zu seinen Gunsten entscheiden, und er erlangte die Kontrolle über alle muslimischen Gelder in Palästina sowie die Aufsicht über Moscheen, Schulen und Gerichte. Nur diejenigen Araber, die dem Mufti treu ergeben waren, durften einflußreiche Posten bekleiden, und in den von Mufti-Banden kontrollierten Gebieten wurden Sharia-Gerichte eingeführt. Jeder Widerstand wurde im Keim erstickt, und Abweichler wurden liquidiert. Diejenigen Palästinenser, die eine etwaige Zusammenarbeit mit den Juden nicht von vornherein ablehnten, wurden ermordet. In diesem Klima der Furcht und Unterdrückung hieß es, daß „kein Muslim geboren werden oder sterben konnte, ohne Haj Amin zu Dank verpflichtet zu sein“.46

Der Mufti von Jerusalem

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